Förderschwerpunkt Biotechnologie: ICBio: Ressourcenschonende Auswahl und nachhaltige Kultivierung von Mikroorganismen unter Fed-Batch-Bedingungen in Mikro-Schüttelreaktoren unter Einsatz polymerbasierter Freisetzungssysteme
Projektdurchführung
Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule
(RWTH) Aachen
Lehrstuhl für Bioverfahrenstechnik
Worringerweg 1, Sammelbau Biologie
52074 Aachen
Zielsetzung und Anlass des Vorhabens
Das primäre Screening und Kultivierungen von Produktionsorganismen werden überwiegend in geschüttelten Bioreaktoren in der Batch-Betriebsweise durchgeführt. Die meisten biotechnischen Produktionsprozesse werden hingegen in der Fed-Batch-Betriebsweise durchgeführt. Die Unterschiede in den beiden Betriebsweisen im Screening und der Produktion führen zu einer falschen Auswahl von Produktionsstämmen. Um den Unterschieden in den Betriebsweisen zwischen dem Screening und der Produktion zu begegnen, sollten in diesem Projekt innovative Freisetzungssysteme zur Fed-Batch-Kultivierung von Mikroorganismen entwickelt und getestet werden. Damit sollte es möglich sein, moderne industrielle Produk-tionsverfahren möglichst ressourcen- und energieschonend sowie unter Erzielen maximaler Ausbeuten zu realisieren.
Ein weiteres Ziel dieses Projekts war die Entwicklung von Mikrotiterplatten (MTP), die mit Hilfe von Frei-setzungssystemen eine Fed-Batch-Kultivierung ermöglichen und die aufgrund ihrer einfachen Handhabung und Parallelisierbarkeit die am häufigsten eingesetzten Reaktionsgefäße im Bereich des Primärsc-reenings sind. Weiterhin sollten Freisetzungssysteme mit pH-Stellmitteln zur pH-Kontrolle in Kleinkulturen entwickelt werden, um ungünstige hohe Pufferkonzentrationen in Kulturmedien zu reduzieren.
Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenDie Arbeitspakete dieses Projekts wurden in drei Teilbereiche aufgeteilt und bearbeitet.
- Entwicklung von Mikrotiterplatten mit am Boden immobilisierten, glucosehaltigen Freisetzungssystemen und Fed-Batch-Kultivierung von Mikroorganismen mit Hilfe der neuen Mikrotiterplatten.
- Entwicklung von Systemen zur Freisetzung von pH-Stellmitteln und Kultivierung von Mikroorganismen unter Anwendung der Freisetzungssysteme zur pH-Kontrolle
- Weiterentwicklung der Natriumcarbonat-Freisetzungssysteme mit Beschichtungen zur Einführung einer lag-time und mit pH-sensitiven Polymeren zur Erzeugung von reaktiven Freisetzungskinetiken von pH-Stellmitteln.
Ergebnisse und Diskussion
In diesem Projekt wurde ein Herstellungsverfahren für Mikrotiterplatten mit am Boden immobilisierten Glucosefreisetzungssystemen entwickelt. Mit Hilfe dieses Verfahrens können MTP mit reproduzierbarer Freisetzungskinetik hergestellt werden. Für Freisetzungssysteme mit einem Glucosegehalt von 40 Gew.-% konnte dabei eine Freisetzung von ca. 8 mg Glucose über einen Zeitraum von 24 h mit einer Stan-dardabweichung innerhalb der Kavitäten einer MTP von ±7 % und einer Standardabweichung von ±2 % zwischen dem Durchschnitt jeweils zweier MTP. Für die MTP wurde eine Einzelverpackung ausgewählt in der die MTP durch Gamma-Sterilisation sterilisiert und gelagert werden können. Durch die Sterilisation wird der Verlauf der Freisetzung leicht verlangsamt und linearisiert. Mit den neuen MTP war es möglich in einfacher Weise einen Fed-Batch-Prozess im Mikrolitermaßstab durchzuführen. Dabei stand das Primärscreening von Produktionsstämmen als klassische Hochdurchsatzanwendungen im Vordergrund der in diesem Projekt durchgeführten Arbeiten. Zur Vorbereitung eines Screenings konnte ein neuer, bisher nicht in der Literatur beschriebener Ansatz zur Synchronisation von Vorkulturen entwickelt werden. Hier-bei wurde mit den Glucosefreisetzungssystemen ein synchrones Wachstum der Biomasse in MTP und somit homogene Ausgangsbedingungen für ein nachfolgendes Screening erreicht. Kultivierungen in Fed-Batch-Platten im Vergleich zu konventionellen Batch-Kultivierungen im Mikromaßstab haben gezeigt, dass Screeningprozesse von Produktionsstämmen in unterschiedlichen Betriebsweisen zu höchst unterschiedlichen Ergebnisse führen. Des Weiteren wurde gezeigt, dass in einem konventionellen Batch-Screening von H. polymorpha mit Glycerin als Kohlenstoffquelle nicht der optimale Produktionsstamm identifiziert werden kann. Neben den beschriebenen Fed-Batch-Platten wurden in diesem Projekt Freisetzungssysteme zur Abgabe von pH-Stellmitteln entwickelt, mit denen der pH-Verlauf in mikrobiellen Kultivierungen kontrolliert werden kann. Dabei wurden zunächst Freisetzungssysteme auf der Basis von Siliconfolien mit Natriumcarbonatgehalten von 20 bis 50 Gew.-% hergestellt und die Freisetzung und Quellung untersucht. Dabei zeigte sich ein Mechanismus, der bereits in vergleichbaren Systemen mit Glucose gefunden wurde: durch die Einlagerung von Wasser in das System und dem aufgebauten osmo-tischen Druck wird eine Quellung der Siliconmatrix und kleine Risse im Material verursacht, die als Pfad für die Freisetzung der hochwasserlöslichen Wirkstoffe dienen. Zudem kommt es bei zunehmendem Par-tikelgehalt der Matrix zur Percolation der Matrix mit Freisetzungsmedium. Diese Freisetzungssysteme wurden insbesondere mit Natriumcarbonatgehalten von 30 und 35 Gew.-% zur Untersuchung ihres Einflusses auf die Fermentation genutzt. Mit den Natriumcarbonat-Freisetzungssystemen wurden Experimente mit E. coli in Schüttelkolben durchgeführt und durch die Abgabe von Natriumcarbonat an das Kul-tivierungsmedium dem Absinken des pH-Werts während der Fermentation entgegenzuwirken. Durch die richtige Wahl der Kultivierungsbedingungen und der Anwendung von Freisetzungssystemen in Form von Folienscheiben mit 30 Gew.-% Natriumcarbonat, konnte mit Glycerin und Glucose als Kohlenstoffquellen ein vergleichbares Wachstum der Bakterien bei deutlich verringerter Pufferkonzentration erreicht werden. Die benötigten Pufferkonzentrationen konnten von den herkömmlichen 0,2 M MOPS auf 0,1 M MOPS verringert werden. Mit Hilfe des freigesetzten Natriumcarbonats konnte der pH-Verlauf während der Kulti-vierung in einem für den Organismus verträglichen pH-Bereich gehalten werden. Mit Glucose als Kohlen-stoffquelle konnte mit den so verbesserten Kultivierungsbedingungen ein verstärktes Wachstum mit einer um 17 % erhöhten Biomassebildung erreicht werden. Ein weiterer Schwerpunkt des Projekts war die Weiterentwicklung der Natriumcarbonat-Freisetzungssysteme in zwei Richtungen: Zum einen wurden die etablierten Freisetzungssysteme durch eine zusätzliche Siliconmembran beschichtet, zum anderen wurde durch die Einführung eines pH-sensitiven Polymers ein Freisetzungssystem entwickelt, dass auf den äußeren Reiz mit Absinken des pH-Werts durch Freisetzung von Natriumcarbonat reagiert. Durch die Beschichtung der carbonathaltigen Siliconfolienscheiben mit einer zusätzlichen Siliconmembran konnte eine lag-time eingeführt werden. Diese beträgt abhängig vom Natriumcarbonatgehalt der Siliconfolienscheiben zwischen 4 und 12 h und steigt mit abnehmendem Carbonatanteil. Mit einem Natriumcarbonatgehalt der Folienscheiben von 40 Gew.-% und einer Siliconmembran mit einer Schichtdicke von 50 µm konnte der durch eine Simulation einer Fermentation ermittelte Bedarfsverlauf an Natriumcarbonat gerade im An-fangsbereich der Freisetzung bzw. Kultivierung exakt abgebildet werden. Durch die Einführung eines pH-sensitiven Polymers konnte ein Freisetzungssystem entwickelt werden, das auf das Absinken des pH-Werts (im durchgeführten Experiment unter pH=4) mit einer Ausschüttung von Natriumcarbonat reagiert und den pH-Wert innerhalb von 1 bis 2 h wieder anhebt (im durchgeführten Experiment auf über pH=6).
In exploratorischen Untersuchungen wurde zudem der Einfluss der Netzwerkeigenschaften der Siliconmatrix auf das Freisetzungsverhalten untersucht. Diese Untersuchungen wurden an glucosehaltigen Siliconfreisetzungssystemen durchgeführt und es konnte gezeigt werden, dass durch geringere Molmassen der eingesetzten Praepolymere sowie eine stärkere Vernetzung des Silicons eine Verlangsamung der Freisetzung erzielt werden kann. Die Ergebnisse können beispielsweise für die Weiterentwicklung der Si-liconmembran genutzt werden.
Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation
Die Forschungsergebnisse aus diesem Projekt wurden von Prof. Dr.-Ing. Büchs bei verschiedenen Konferenz- und Firmenpräsentationen dargestellt. Weiterhin wurde ein deutsches Patent zu den Fed-Batch-Mikrotiterplatten eingereicht. Die MTP mit Freisetzungssystemen wurden erfolgreich in ein marktfähiges Produkt überführt und werden von der Adolf Kühner AG (Biersfelden, Schweiz) vertrieben.
- Büchs, J.; Jeude, M.; Klee, D.; Dittrich, B.: Fed-batch Microwellplatte (FEBMWP), German patent application 18.5.2005, DE 10 2005 022 045 A1
- Jeude, M.; Dittrich, B. et al. (2006): Fed-batch mode in shake flasks by slowrelease technique. Biotechnol Bioeng 95(3): 433-45.
- Scheidle, M.; Klinger J. et al. (2007): Combination of Online pH and Oxygen Transfer Rate Measurement in Shake Flasks by Fiber Optical Technique and Respiration Activity MOnitoring System (RAMOS). Sensors 7: 3472-3480.
- Jeude, M.; Dittrich, B.; Niederschulte, H.; Anderlei, T.; Knocke, C.; Klee, D. and Büchs, J.: Fed-batch mode in shake flasks by slow-release technique. Biotechnol Bioeng, 2006. 95(3), 433-45.
- Scheidle, M.; Klinger, J. and Büchs, J.: Combination of On-line pH and Oxygen Transfer Rate Measurement in Shake Flasks by Fiber Optical Technique and Respiration Activity MOnitoring System (RAMOS). Sensors, 2007. 7, 3472-3480.
Präsentationen auf Konferenzen und Firmenvorträge über Freisetzungssysteme in der Biotechnologie:
Akademie der Wissenschaften Düsseldorf 14.07.2004; Firma Boehringer Ingelheim Biberach 03.08.2004; Max-Planck-Institut, Magdeburg, 09.08.2004; Firma Rhein Biotech, Düsseldorf, 26.08.2004; UFZ Leipzig 22.09.2004; Firma Eurogentec Liege 11.03.2005; Firma Degussa Hanau 15.03.2005; BioPerspectives Wiesbaden 09.05.2005; Firma Direvo, Köln 08.07.2005; ECB 12 Koppenhagen 12, 24.08.2005; HPWN conference, Haren, NL, 05.09.2005; Firma Genencor Leiden, NL, 30.09.2005; RAFT VI meeting, Long Beach, USA, 06.11.2005; VAAM Tagung, Jena, 18.03.2006; Firma DowAgroSciences Indianapolis 22.-23.03.2006; From ?L to m3 DECHEMA Frankfurt 28.03.2006; Institutskolloquium IBT II, Jülich, 13.09.2006; BioPerspectives, Wiesbaden, 27.09.2006; Firma Bayer Technology Services 12.01.2007; Bi-omedica, Aachen, 22.03.2007; Firma Sandoz, Kundl, Österreich, 29.03.2007; BioPerspectives, Köln, 31.05.2007; ECB 13, Barcelona, 19.09.2007; Jap/Germ Workshop Enzyme Technol., Kanazawa, Japan, 10.10.2007; Lehrstuhlseminar bei Prof. Bley Dresden 14.12.2007; Biotec Research Institute, Bangkok, Thailand, 13.02.2008; Firma Ajinomoto, Bangkok, Thailand, 14.02.2008; TGGS, Bangkok, Thailand, 16.02.2008.
Fazit
In diesem Projekt konnten erfolgreich neue Methoden zum Screening von Mikroorganismen entwickelt werden. Die Relevanz und verschiedene Anwendungsmöglichkeiten von Systemen zur Freisetzung von Glucose und pH-Stellmitteln konnte, besonders für eine verbesserte Stammauswahl, demonstriert werden. Eine Verbesserung der Stammauswahl kann die Produktivität von Produktionsprozessen erhöhen, sodass eine bessere Verwertung von Medienbestandteilen erreicht wird. Dadurch können die Kosten ei-nes Prozesses und die Belastung von Abwässern mit nicht verbrauchten Medienbestandteilen reduziert werden.
In weiteren Arbeiten sollen die Erkenntnisse aus diesem Projekt weiter vertieft werden. Ein Schwerpunkt soll dabei die Anwendung der Systeme mit reaktiven Kinetiken zur Freisetzung von pH-Stellmitteln in mikrobiellen Kultivierungen sein. Des Weiteren verspricht der verfolgte Ansatz mit einer Kombination von Glucose- und pH-Stellmittel-Freisetzungssystemen weitere Möglichkeiten zur Optimierung von Scree-ningprozessen.
Fördersumme
250.226,00 €
Förderzeitraum
01.07.2005 - 31.12.2007
Bundesland
Nordrhein-Westfalen
Schlagwörter
Ressourcenschonung
Umwelttechnik