Förderschwerpunkt Biotechnologie: Verbund Sensorik in der Biotechnologie: Entwicklung und praktische Erprobung einer innovativen Mess-, Steuer- und Regeltechnik zur automatischen Zudosierung externer C-Quellen zur Optimierung der Denitrifikationsprozesse
Projektdurchführung
Hochschule für Angewandte Wissenschaften HamburgForschungsschwerpunkt Bioprozess- u. Analysentechnik
Lohbrügger Kirchstr. 65
21033 Hamburg
Zielsetzung und Anlass des Vorhabens
Zur optimalen Steuerung mehrstufiger Prozesse zur Reinigung hochgradig N-belasteter Abwässer unter Zugabe methanolbeladener Industrieabwässer wurde ein geeignetes Prozessführungs- und Monitoringsystem sowie entsprechende Beladungsstrategien der Anlage entwickelt. Ziel des Projekts war es, robuste Prozessführungswerkzeuge und stabile Fahrweisen der störempfindlichen Anlage zu entwickeln und damit eine entscheidende Kostenreduzierung gegenüber bisherigen Denitrifikationsstrategien (Zugabe von Acetat) zu erzielen.
Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenDie Untersuchungen wurden an einem Scale-Down-Modell einer bestehenden Pilotanlage durchgeführt. Hierzu wurde eine zweistufige hochinstrumentierte Nitrifikations-/Denitrifikationsanlage aufgebaut, um eine Online-Beobachtung aller prozessrelevanten Komponenten in den Flüssig- und Gasphasen zu ermöglichen. Die Forschungsanlage eröffnet weite Bereiche bioverfahrenstechnischer Forschungsmöglichkeiten. Neben der entsprechenden Abgasanalytik für O2, CO2 und NOx-Komponenten wurden Fließanalysensysteme zur Detektion von Ammonium, Nitrit, Nitrat und Methanol eingesetzt. Als Online-Analysatoren zur Bestimmung der Schadstoffe Ammonium, Nitrit und Methanol in den flüssigen Phasen der Reaktoren wurden die Systeme TAS 2000® und ProcessTRACE-Methanol® der TRACE Biotech AG aus Braunschweig sowie APP der Fa. ME Grisard, Trappenkamp, eingesetzt. Diese Geräte wurden ebenso in das CAN-Konzept eingebunden wie die verwendete Abgasanalytik und deren Kalibrierstation. Das gewählte Automatiserungskonzept basierte auf einer dezentral verteilten MSR-Technik. Die Kopplung der einzelnen Komponenten erfolgt dabei über den echtzeitfähigen CAN - Controller Area Network - Feldbus. Die eingesetzten I/O-Rechner (CAN-Knoten) beschränken sich je nach Anforderung auf einfache analoge oder digitale Input-Output-Operationen oder sie sind als intelligente Frontend-Rechner mit einem Echtzeitbetriebssystem frei programmierbar.
Die eingesetzte Online-Analysentechnik ermöglichte eine weitgehend vollständige Prozessbeobachtung und damit auch Prozesssteuerung. Sie diente darüber hinaus als Basis zur Ermittlung relevanter Daten für eine umfassende Prozessmodellierung. Daraus wurden modellgestützte Prozessführungsstrategien entwickelt, die ein Störszenario erkennen und entsprechende Änderungen der Beladung der Anlage vornehmen.
Das Kernstück der Prozessautomatisierung bildete das eingesetzte Prozessleitsystem UBICON® der Fa. esd - electronic system design aus Hannover. UBICON® bietet seinen Nutzern alle notwendigen Werkzeuge einer frei konfigurierbaren Automatisierungs- und Datenerfassungssoftware. Ein weiteres Automatisierungswerkzeug von UBICON® bildet der integrierte Simulator BIOSIM, mit dem in Anbindung an die UBICON® - Datenstruktur die Umsetzung der theoretischen Untersuchungen erfolgte. Dabei wurden zunächst Prozessführungsstrategien an einem virtuellen Prozess (apparent processing) entwickelt. Die-ser basiert auf einem mathematischen Modell der relevanten Anlagenvariablen. Beide Reaktionssysteme waren über ein Cross flow-Filtrationsmodul hydraulisch gekoppelt und somit mikrobiologisch entkoppelt. Damit war eine genaue Studie des Reaktionsverhaltens experimentell gegeben.
Ergebnisse und Diskussion
Das hier geförderte Projekt zeigt beispielhaft den Einsatz moderner automatisierungstechnischer und bioverfahrenstechnischer Methoden und des damit zu erzielenden Optimierungspotenzials in der Abwassertechnik.
Bei der Reinigung hoch N-belasteter Abwässer in einer Nitrifikations-/Denitrifikationsanlage, in dem der energetisch unsinnige Zwischenschritt einer Nitratation ausgespart wurde, konnte durch eine nachhaltige Verwertung methanolbeladener Prozessabwässer eine entscheidende Kostenminderung des zweiten Prozessschrittes ermöglicht werden.
Diese Zielsetzungen wurden voll erfüllt. Es konnte eine komplexe zweistufige Anlage im unteren Pilotanlagenmaßstab aufgebaut werden, deren Messtechnik, beispielhaft in der bioverfahrenstechnischen Forschung, sechs Substrat- bzw. Produktkomponenten, davon einige mit verschiedenen Messverfahren, online zur Verfügung stellte.
Der Reaktor zur aeroben Nitritation wurde entweder diskontinuierlich oder kontinuierlich mit der Stickstofffracht beladen, während die Zugabe des entstandenen Nitrits und des Methanols in das anaerobe Denitritationssystem ausschließlich kontinuierlich erfolgte. Die Abgabe des gereinigten Abwassers wurde ebenfalls aus diesem Reaktor durch eine Füllstandsregelung realisiert.
Im experimentellen Bereich bestand ein Großteil der Arbeit darin, relativ verlässliche Messverfahren über die in der Abwassertechnik erforderlichen langen Zeiträume bereit zu stellen.
Dieses ist nur begrenzt gelungen, da die zu Projektbeginn zur Verfügung stehende Labormesstechnik dem rauhen Betriebsalltag nur bedingt gewachsen war. Durch Einbindung eines zusätzlichen Partners, der Fa. ME Grisard GmbH, Trappenkamp, konnte eine weitere felderprobte Online-Messtechnik eingesetzt werden, die weniger Probleme bereitete.
Im systemtheoretischen Teil der Arbeit konnten sowohl umfangreiche Arbeiten zur Modellbildung und Simulation von Abwasserprozessen durchgeführt werden, als auch Vorschläge zur modellgestützten Prozessprädiktion von Denitrifikationsprozessen gemacht werden.
Darüber hinaus wurden Theorien zur Online-Optimierung kontinuierlicher Prozesse durch eine CLO - closed loop optimization genannte Methode entwickelt und erprobt. Das Problem hoher Abtastzeiten bei der Online-Messung der Substrate und deren Unvereinbarkeit mit PID-Regelungen wurde durch einen MBSC - model based substrate control bezeichneten Algorithmus gelöst.
Die parallele Anwendung beider Methoden, eine CLO-Steuerung von Ammonium in der Nitritationsstufe und von Nitrit in der Denitritationsstufe sowie eine MBSC-Ansteuerung der Methanolzugabe im 2. Schritt führte zu Verfahrensweisen in optimalen Betriebspunkten.
Da Nitritation und Denitritation membrangekoppelt waren, bedeutete dies eine vollständige Ausnutzung des aktuellen NH4+-N-Umsetzungspotenzials von Nitrosomonas europaea in der 1. Stufe und eine optimale Fahrweise nahe am Auswaschpunkt von Paracoccus denitrificans in Stufe 2. Damit war aus systemtheoretischer Sicht eine optimale Ausnutzung des biologischen Prozesses möglich und damit durch Verminderung erforderlicher Verweilzeiten eine kostenoptimale Fahrweise erzwungen.
Die Untersuchungen zum Einsatz des methanolhaltigen Abwassers aus der chemischen Industrie (Bakelite AG) haben gezeigt, dass diese alternative C-Quelle durchaus geeignet ist, herkömmliche C-Quellen in Kläranlagen zu ersetzen. Hinsichtlich der Effizienz gab es im Vergleich zu reinem Methanol keinerlei Unterschiede. Auch im Hinblick auf die Aktivität der Mikroorganismen kam es in den eingestellten Konzentrationsbereichen (um 50 mg l-1 Methanol bei 5000 mg l-1 Zugabe) zu keinerlei Einschränkungen durch die Verunreinigungen, zumal von der zunächst ins Auge gefassten Rückführung der Denitrifikationsstufe in die Nitrifikationsstufe wieder Abstand genommen wurde. Dadurch wurden die in Vorversuchen auftretenden Komplikationen mit den Ammoniakoxidanten vermieden.
Im Rahmen der Taskforcegruppe Internet der Verbundforschung wurden weiterhin Prozessführungswerkzeuge zur Prozessbeobachtung und Bedienung über das Internet entwickelt. Hierzu wurde ein virtueller Fermenter aufgebaut, der hardwaretechnisch aus der realen Bioreaktorautomatisierungstechnik und einem Prozessleitsystem als Reaktorersatz bestand. Der Online-Simulator stellt dabei das vollständige Prozessverhalten zur Verfügung.
Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation
- Luttmann, R. & Gollmer, K. (2000): On-line Simulation Techniques for Bioreactor Control Development. In: K. Schügerl, K.-H. Bellgardt (eds.): Bioreaction Enineering - Modeling and Control, Kap. 6, Springer Verlag.
- Peuker, T., Lenz, K., Scheffler, U., Stüven, R., Elsholz, O. & Luttmann, R. (2001): Simultane Reinigung hochstickstoff- und methanolbelasteter Abwässer in einer hochinstrumentierten Teilstrombehandlungsanlage. In: Erb, R. & Heiden, S. (Hrsg.) (2001): Sensorik, Sonderausgabe BIOSpektrum: 40-42.
- Luttmann, R. et al. (1999): Exponat und Vortrag auf der HiTech - 2. Hamburger Innovations- und Technologietage, Hamburg.
- Luttmann, R. et al. (2000): Exponat und Vortrag auf der ACHEMA, Frankfurt/Main.
- Luttmann, R., Meyer, F., Lenz, K., Berens, M. & Scheffler, U. (2000): Vortrag auf der Biotechnology 2000 - The World Congress on Biotechnology, Berlin.
- Peuker, T., Stüven, R., Beifort, P., Berens, M., Scheffler, U. & Luttmann, R. (2001): Vortrag und Full Paper auf der CAB 8 - Computer Applications in Biotechnology 8, Quebec, Kanada.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass eine Hochleistungsbiologie, wie die hier verwendete, im Zusammenspiel mit einer leistungsfähigen Mess- Steuer- und Regelungstechnik, zu einer effizienten Behandlung hochgradig N-belasteter Abwässer mit hoher Abbauleistung führte.
Eine Überführung der Methoden auf eine größere Pilotanlage an der Kläranlage Lüneburg erwies sich als nicht durchführbar. Zum einen wäre eine sehr hohe (nicht verfügbare) Investitionssumme zur Umrüs-tung der Steuerungstechnik und damit zur Anwendung der Prozessführungsstrategien erforderlich gewesen, zum anderen hat die KA Lüneburg im letzten Drittel des Forschungsprojektes den Betrieb dieses Großpilotprojektes eingestellt.
Im Hinblick auf eine Überführung in den rauhen Betriebsalltag wurde die Labormesstechnik an der kleinen Pilotanlage bereits durch eine Feldmesstechnik ersetzt und darauf aufbauend robuste Methoden entwickelt.
Diese lassen eine Online-Optimierung kontinuierlicher Abwasserprozesse durch automatisches Heranführen der Verweilzeiten an die reaktionskinetischen Obergrenzen der beteiligten Mirkoorganismen bei gleichzeitigem Einsatz hochstickstoff- und hochmethanolbelasteter Abwässer zu.
Damit konnte das Ziel des Projektes, ein vollautomatisches Heranführen der Anlage an den kostenoptimalen Arbeitspunkt realisiert werden. Die in diesem Projekt erarbeiteten Methoden wurden im Labor für Bioprozessautomatisierung der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg auch zur Führung von Prozessen zur Herstellung rekombinanter Proteine etabliert, so dass das Forschungsprojekt auch über die Abwassertechnik hinaus seinen Beitrag zum Fortschritt der klassischen Bioverfahrenstechnik geliefert hat.
Fördersumme
172.039,49 €
Förderzeitraum
01.01.1999 - 31.12.2001
Bundesland
Hamburg
Schlagwörter
Klimaschutz
Ressourcenschonung
Umweltforschung
Umwelttechnik