Entwicklung eines Stoffstrommanagements für KMUs für Autoreparaturlackierung
Projektdurchführung
Universität Fridericiana Karlsruhe (TH)Institut für Industriebetriebslehre und IndustrielleProduktion (IIP)Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre
Hertzstr. 16
76187 Karlsruhe
Zielsetzung und Anlass des Vorhabens
In der neueren Umweltgesetzgebung ist neben der Bestimmung der Verbrauchswerte eine zunehmende Erfordernis zur Bilanzierung der betrieblichen Eingangs- und Ausgangsstoffe festzustellen (z. B. Kreislaufwirtschafts- u. Abfallgesetz und EU-Lösemittelrichtlinie). KMU werden von der Bilanzierungspflicht aufgrund der geringen personellen und finanziellen Ausstattung besonders stark belastet. Aufgrund der Komplexität der Lackierprozesse können viele Emissions- und Kostenminderungspotentiale erst durch eine ganzheitliche Betrachtungsweise ermittelt werden. Ziel des Forschungsprojektes ist daher die Entwicklung praxisorientierter Instrumente zur effizienteren Gestaltung der betrieblichen Stoff- und Energieströme bei Unternehmen der Autoreparaturlackierung. Mit dem betrieblichen Stoffstrommanagement sollen Kosten- und Emissionsminderungspotentiale besser erkannt und die Betriebe bei der Erfüllung der Anforderungen aus der neueren Umweltgesetzgebung unterstützt werden.
Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenZur besseren Erkennung und Nutzung der vorhandenen Potentiale zur Kosten- und Emissionsminderung sind die einzelnen Arbeitsprozesse und deren Abhängigkeiten untereinander genauer betrachtet und die betrieblichen Stoff- und Energieströme analysiert worden. Für die betriebsspezifische Ermittlung der Stoff- und Energieverbräuche und der Kosten- und Emissionsminderung durch Stoffsubstitution (z. B. Einsatz lösemittelarmer Lacke) und Verfahrensumstellungen (z. B. oversprayarmer Applikationsverfahren) ist das computergestützte Stoff- und Energieflußmodell IMPROVE entwickelt worden. Mit diesem Instrument werden die Arbeitsweise und die technologische Ausstattung sowie alle relevanten betrieblichen Stoff- und Energieströme im Sinne einer ganzheitlichen Betrachtungsweise berücksichtigt. Das computergestützte Stoff- und Energieflußmodell IMPROVE basiert auf der kommerzielle Ökobilanzsoftware Umbertoâ. Die dem Modell zugrundeliegenden Daten (z. B. flächen-, bauteil- und fahrzeugbezogene Verbrauchswerte, Auftragsstruktur, Arbeitszeiten) sind in zwei ausgewählten Referenzbetrieben in Baden-Württemberg erhoben und mit zahlreichen Branchenexperten bei Herstellern und Berufsverbänden abge-stimmt worden. Im Modell wird zwischen 15 unterschiedlichen Lackierprozessen mit jeweils maximal 55 Arbeitsschritten von der Fahrzeugannahme bis zur Fahrzeugabgabe und einer großen Anzahl unterschiedlicher Einsatzstoffe und Technologien pro Arbeitsschritt unterschieden.
Ergebnisse und Diskussion
Im Stoff- und Energieflußmodell IMPROVE werden die Arbeitsprozesse eines Modellbetriebes abgebildet, der ausgehend von den Erfahrungen in den beiden ausgewählten Autoreparaturlackierbetrieben in Baden-Württemberg in Zusammenarbeit mit den Branchenexperten definiert worden ist und dessen Arbeitsweise und technologische Ausstattung für ca. 60 - 70 % der Betriebe repräsentativ ist. Dieser Modellbetrieb stellt die Basis für die Ermittlung der ökologischen und ökonomischen Auswirkungen von pro-zessintegrierten Emissionsminderungsmaßnahmen im Bereich der Autoreparaturlackierung dar. So sind für den Modellbetrieb, in dem jährlich 750 Kundenaufträge, d. h. 1.875 Fahrzeugteile, bearbeitet werden, u. a. folgende Minderungspotentiale ermittelt worden:
Ø Die Applikation feststoffreicher Lacke im Füller-, Uni- und Klarlackbereich und wasserbasierender Lacke im Vorlack- und Basislackbereich mit oversprayarmen Spritzpistolen (z. B. HVLP-Spritzpistolen) nach dem Stand der Technik führt zu einer Lösemittelemissionsreduktion von 61 % und zu einer jährlichen Kosteneinsparung von 34.430 DM (15 % der Prozesskosten). Vier neue HVLP-Spritzpistolen für jede Lackschicht amortisieren sich bereits nach 3,5 Wochen.
Ø Beim Einsatz einer Wärmerückgewinnungsanlage mit einem branchen- und anlagenüblichen Wärmerückgewinnungswirkungsgrad von h = 46 % für die kombinierte Lackier- und Trockenkabine ist für den Modellbetrieb eine jährliche Einsparung von 1.940 DM (0,85 % der Prozesskosten) ermittelt wor-den. In Verbindung mit einer neuen Lackier- und Trocknungskabine amortisiert sich für den Modellbetrieb eine solche Anlage aber erst nach 14,5 Jahren. Die Installation einer Wärmerückgewinnungsanlage empfiehlt sich daher erst bei vergleichsweise großen Betrieben und einer entsprechenden Kabi-nenauslastung.
Ø Eine Frequenzumformeranlage in Verbindung mit einer kombinierten Lackier- und Trockenkabine führt zu einer jährlichen Kosteneinsparung von 4.330 DM (1,9 % der Prozesskosten). Eine Fre-quenzumformeranlage amortisiert sich für den Modellbetrieb bereits nach 2,5 Jahren.
Ø Der Einsatz einer Destillationsanlage zur Rückgewinnung des Reinigungslösemittels führt zu einer jährlichen Kosteneinsparung von 820 DM (0,36 % der Prozesskosten). Die Destillationsanlage amor-tisiert sich für den Modellbetrieb aber erst nach 20 Jahren. Für kleine Betriebe ist daher aufgrund des geringen Aufkommens eine externe Aufbereitung des Reinigungslösemittels eher empfehlenswert.
Ø Weitere untersuchte Maßnahmen zur Abfall- bzw. Kostenminderung, wie z. B. der Einsatz von Schleifscheiben mit Löchern zur besseren Schleifstaubabsaugung, führten nur zu vergleichsweise geringen erreichbaren Emissions- und Kostenminderungen.
Zusätzlich sind spezielle Handlungs- und Orientierungshilfen zu verschiedenen Themengebieten erarbeitet worden, deren Aussagen und Ergebnisse auf den mit dem Modell durchgeführten Berechnungen beruhen. Diese Hilfen versetzen die Autoreparaturlackierbetriebe in die Lage, eigenständig oder mit Unterstützung der Betriebsberater von Berufsverbänden und Herstellern, in kurzer Zeit die notwendigen Stoff- und Energiebilanzen (z. B. Lösemittelbilanzen) zu erstellen und mögliche Kosten- und Emissionsminderungspotentiale zu identifizieren. Die Orientierungshilfen eignen sich durch den übersichtlichen Aufbau und durch die einfache Ermittlung von Kosteneinsparungen und Amortisationszeiten für ein schnelles Selbststudium in den Betrieben.
Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation
Im Projektzeitraum sind insgesamt 7 Workshops mit den Arbeitskreismitgliedern und 15 Präsentationen bei Herstellern, Verbänden und branchennahen Institutionen durchgeführt worden und insgesamt 16 Veröffentlichungen in branchennahen Fachzeitschriften erschienen. Der Forschungsendbericht ist in die Schriftenreihe der Deutschen Bundesstiftung Umwelt aufgenommen worden.
Fazit
Die mit IMPROVE ermittelten Auswirkungen beim Einsatz von Emissionsminderungsmaßnahmen zeigen sowohl für den Modellbetrieb als auch für die beiden Referenzbetriebe, dass Emissions- und Kostenminderung vielfach nicht im Gegensatz zueinander stehen. Insbesondere mit dem Einsatz lösemittelarmer Lacke in Verbindung mit oversprayarmen HVLP-Spritzpistolen lassen sich vielfach gleichzeitig Kosten- und Emissionsminderungen in Autoreparaturlackierbetrieben erzielen. Aufgrund der insgesamt positiven Aussagen der Branchenvertreter aus Lackindustrie und Berufsverbänden werden in den nächsten Jahren voraussichtlich eine Vielzahl von Autoreparaturlackierbetrieben mit den entwickelten Instrumenten bei der Umstellung auf emissionsarme Produkte und Technologie unterstützt. Das entwickelte Stoff- und Energieflussmodell IMPROVE und die Handlungshilfen werden seit Anfang des Jahres mit ersten Erfolgen sowohl vom Hauptverband Farbe, Gestaltung und Bautenschutz in Frankfurt a. M. als auch von einem namhaften Lackhersteller für die betriebsspezifische Beratung von Autoreparaturlackierbetrieben eingesetzt.
Fördersumme
97.340,26 €
Förderzeitraum
02.12.1997 - 29.06.2000
Bundesland
Baden-Württemberg
Schlagwörter
Landnutzung
Umweltkommunikation