Optimierung eines Konservierungsverfahrens zur Beseitigung von Umweltschäden an wertvollen Glasfenstern in der Gotthardtkirche in Brandenburg
Projektdurchführung
Ev. Kirchengemeinde St. Gotthardt
Gotthardtkirchplatz 8
14770 Brandenburg
Zielsetzung und Anlass des Vorhabens
Beseitigung von Umweltschäden an Glasmalerei des frühen 20. Jahrhunderts. Schädigung neben Vandalismus vor allem durch aggressive Luftschadstoffe an empfindlicher Schmelzfarbenmalerei. Einrichtung von Schutzverglasung zur Verhinderung neuer Umweltschädigung an den Glasgemälden.
Naturwissenschaftliche Untersuchungen zu den Problemen des Zweitbrandes bei Schmelzfarben- und Schwarzlotmalerei auf historischen Gläsern
Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenAusbau der Felder mit der Glasmalerei
a) Wiederherstellungsmaßnahmen in der Glasmalereiwerkstatt Atelier Berkei unter der Fachaufsicht der Arbeitsstelle für Glasmalereiforschung, Potsdam: Ergänzung mechanisch zerstörter Fehlstellen. Sicherung und Stabilisierung der Glasmalereifelder zum Wiedereinbau. Herstellung und Einbau von Schutzverglasung in 6mm VSG mit Rechteckteilung. Verwendung von V4A-Edelstahl für das Halterungssystem. Wiedereinbau der Originale in einen geschützten Zustand (isothermische Schutzverglasung)
b) Naturwissenschaftliche Untersuchungen durch die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung, Berlin: Probenentnahme an zerstörten Originalteilen der ausgebauten Glasmalerei. Herstellung und Präparierung von Modellgläsern zum Vergleich mit den Proben von den Originalen. Unterschiedliche Reinigungsverfahren an den Originalglas-Proben. Behandlung der Proben mit Schwarzlot bzw. Schmelzfarben. Neubrand. Aussetzung im Klimaschrank zur Simulierung von Langzeitschädigung. Untersuchung der behandelten Proben mittels Elektronenmiskroskop auf Rißbildung, Rißwachstum, Entmischung/Kristallisation und auf mögliche Änderung des Korrosionsverhaltens. Vergleich mit im Klimaschrank belasteten Proben ohne Zweitbrand
Ergebnisse und Diskussion
Die Glasanalysen ergaben die für die Zeit der Herstellung typischen chemischen Zusammensetzungen (14 - 17 % Na2O, 69 - 74 % SiO2 und 9 - 11 % CaO; weitere Komponenten in sehr geringen Konzentrationen.
Eine der sechs Proben war ein farbloses Grundglas mit roter Überfangschicht, die von einem blei- und boroxidhaltigen Glas gebildet wurde.An einer Glasprobe wurde die Transformationstemperatur und der chemische Ausdehnungskoeffizient bestimmt. Die mikroskopische Auswertung der Neubrandproben ergab keine Hinweise auf Rißwachstum oder Glasverfärbungen.
Die Analysen der Malschichten (Schwarzlote) ergaben bei allen Proben Zusammensetzungen mit relativ hohen Gehalten an Boroxid von 15 - 20 %. Das Verhältnis von SiO2 zu PbO schwankte sehr stark von 1,5 bis 3. Als Farbpigmente waren die Oxide von Chrom, Mangan, Eisen, Kobalt und Kupfer nachweisbar. Die Lote waren teilweise inhomogen und porös. Sie zeigten in starkem Maße korrosive Umwandlungen. Als Korrosionsprodukte waren Salze (Sulfate und Carbonate) des Bleis und Calciums eindeutig nachweisbar.
Die Konturen und Lasuren sind offenbar aus identischen Schwarzloten hergestellt worden. Aufgrund der dünnen Schichtdicke der Lasuren unterliegen sie wahrscheinlich stärker der Umwandlung durch Verwitterung. Die Gläser der St. Gotthardt-Glasmalereien sind sehr weitgehend rückseitig mit Lasuren abgedunkelt worden. Beim Neubrand mit einer Temperatur von 500 °C oder darüber kommt es zu einer starken Rotfärbung der gesamten Rückseite. Die Ursache hierfür ist ein oxidative Umwandlung des im Lot enthaltenen schwarzen Eisenoxids (Fe3O4) in rotes alpha-Fe2O3.
Der Neubrand führte in keinem Fall zu einer Wiederverschmelzung und Haftungsverbesserung der noch vorhandenen originalen Schwarzlotkontur. Infolge der bereits sehr deutlichen Umwandlung des ursprünglichen Schwarzlots in Korrosionsprodukte führte jede Wiedererwärmung vielmehr zu einer weiteren Zersetzung, die sich durch ein Aufrauhung (verstärkte Porosität, Blasigkeit) der Konturen zu erkennen gab.
Die Untersuchungen zum Alterungsverhalten der Schwarzlote im Klimaschrank ergaben, daß die selbstentwickelten Schwarzlote (zuammensetzung gemäß Analyse der aus dem 19. Jh. stammenden St. Gotthardt-Proben) schlechter beständig waren als Schwarzlot SLD (Fa. Degussa). Die Ursache dafür dürfte im höheren Boroxidgehalt und im etwas ungünstigeren SiO2 / PbO -Verhältnis liegen.
Die von der Werkstatt Berkei zunächst erprobte Einbrenntemperatur von 480 °C (mattes optisches Erscheinungsbild) war nicht ausreichend für eine mechanisch feste und chemisch beständige Haftung. Die Klimaschrankbewitterung ergab gute Beständigkeit ab 540 °C.
Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation
Nach Beendigung der Arbeiten erfolgte am 21. Juni 1999 eine Abschlußveranstaltung mit Vertretern der Projektpartner und der St.Gotthardt-Gemeinde, auf welcher für die anwesende Öffentlichkeit Verlauf und Ergebnisse noch einmal vorgestellt worden sind.
Fazit
Von allen Seiten wurde die fachlich gute und kollegiale Arbeit der Beteiligten hervorgehoben. Die von der Bundesanstalt für Materialforschung und - prüfung, Berlin, festgestellten Ergebnisse zur Untersuchung von Zweitbränden werden in die weitere Behandlung von Wiederherstellungsfragen historischer Glasmalerei einfließen und sowohl auf Fachveranstaltungen wie z.B. Weiterbildungskurse für Glasmalereiwerkstätten und Kolloquien als auch durch Fachpublikationen der Arbeitsstelle für Glasmalerei-forschung des CVMA, Potsdam verbreitet werden.
Fördersumme
76.693,78 €
Förderzeitraum
01.03.1998 - 03.09.1999
Bundesland
Brandenburg
Schlagwörter