Erweiterung eines hydraulisch-morphologischen Simulationsmodells zur Habitatprognose in Fließgewässern
Projektdurchführung
Universität Stuttgart
Institut für Wasserbau
Lehrstuhl für Wasserbau und
Wassermengenwirtschaft
Pfaffenwaldring 61
70550 Stuttgart
Zielsetzung und Anlass des Vorhabens
Festlegung von ökologisch und ökonomisch tragbaren Mindestwasserregelungen an Ausleitungskraftwerken; Erfassung des Einflusses der Morphologie und Hydraulik eines Fließgewässers auf das zugehörige Ökosystem. Weiterentwicklung des Simulationsmodells CASIMIR zur Beurteilung des benthischen (sohlgebundenen) Lebensraumes unter Berücksichtigung der sohlnahen Strömungsbedingungen. Ergänzung des Modells mit Berücksichtigung von Ausdehnung, Struktur und Hydraulik des Freiwasserraums mit Einfluss auf das Lebensraumangebotes für Fische im Gewässer. Ziel: Marktreife.
Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenIm einzelnen ergeben sich die folgenden Arbeitsschritte, die zeitlich miteinander verzahnt sind:
- Verfeinerung der hydraulischen Auflösung des Modells SORAS für lokale Fließgeschwindigkeiten.
- Einbau von Optionen zur Berücksichtigung des vorhandenen Substrats, der Wassertiefen und der zur Verfügung stehende Deckungsmöglichkeiten.
- Berücksichtigung der zeitlichen Komponente im Modell SORAS durch Ermöglichung einer Ganglinieneingabe
- Einbau eines Emissionsmoduls zur Ermittlung des Einflusses von Mindestwasserregelungen auf einen erhöhten CO2-Ausstoß
- Verknüpfung des Modells für das sohlnahe Strömungsmuster mit dem Gerinnemodell durch Untersuchung des Einflusses von strukturellen Eigenschaften auf die Verteilung der sohlnahen Kräfte
- Biologische Untersuchungen im Freiwasserraum zur Ermittlung von Habitatansprüchen, die Eingang in das Gerinnemodell finden werden, um Habitatprognosen anstellen zu können
- Durchführung eines Pilotversuchs zur Mindestwasserdynamisierung mit ökomorphologischem Moni-toring
Ergebnisse und Diskussion
Im Rahmen des Projekts wurde das nach einem Vorgängerprojekt in einer ersten, wissenschaftlichen Version vorliegende Simulationsmodell CASIMIR zur Bestimmung der Lebensraumqualität in Fließgewässern neu programmiert und in folgenden, wesentlichen Punkten erweitert:
a) Integration struktureller Parameter in ein Gerinnemodell mit Einbau eines Ansatzes zur Ermittlung lokaler Fließgeschwindigkeiten,
b) Ermittlung von Habitatansprüchen für ausgewählte Fischarten und deren Altersstadien und neuartige Definition der Ansprüche ,
c) auf b) aufbauend die Entwicklung eines Ansatzes zur Habitatprognose für Bewohner des Freiwasserraums,
d) die Einbindung von zeitlichen Abläufen über die Möglichkeit zum Einlesen von Abflussganglinien,
e) die Ermittlung der Emissionsraten unter Berücksichtigung verschiedener Abflussregelungen an Ausleitungskraftwerken,
f) die Neuprogrammierung und Zusammenführung der entwickelten Ansätze und Bausteine unter einer gemeinsamen Oberfläche als bedienerfreundliche Software,
g) die Markteinführung der entwickelten Software unter Durchführung von Einführungskursen und begleitenden Feldprogrammen.
Der verwendete eindimensionale Ansatz zur Berechnung der Fließgeschwindigkeiten bringt - auch im Vergleich zu mehrdimensionalen Ansätzen - im Niedrigwasserbereich hinreichend genaue Ergebnisse.
Über einen neuen, auf fuzzy-logischen Prinzipien beruhenden Ansatz sind mit CASIMIR Habitatprognosen im Freiwasserraum unter Berücksichtigung des Sohlsubstrats, des Unterstandsangebots, der Wassertiefen und Pooltypen, sowie der lokalen Strömung möglich, die bessere Übereinstimmungen mit Befischungen zeigen, als der konventionelle Ansatz mit Präferenzfunktionen.
Neu integrierte Einleseroutinen ermöglichen die direkte Verarbeitung des zeitlichen Abflussgeschehens in beeinflussten Gewässerabschnitten und Erzeugung von Habitatganglinien.
Über ein Modul zur Ermittlung der Emissionsraten können die Auswirkungen von Abflussregelungen überprüft und anschaulichen Vergleichswerten gegenübergestellt werden.
CASIMIR liegt in einer menügesteuerten Version vor, die sich in mehreren, praktischen Anwendungen bewährt hat. Durch zahlreiche Präsentationen und Veröffentlichungen im In- und Ausland hat die Software in Fachkreisen bereits einen Bekanntheitsgrad erlangt, der derzeit durch weitere Maßnahmen wie Einführungskurse und Internet-Präsenzen erhöht wird.
An der Wasserkraftanlage der Volk AG an der Elz ist ein Pilotversuch zur Mindestwasserdynamisierung mit begleitendem ökomorphologischem Monitoring durchgeführt worden. Das Simulationsmodell CASi-MiR kam dabei zum Einsatz, um ökologisch und ökonomisch denkbare Dynamikvarianten zu entwickeln. Nach intensiver Diskussion mit dem Betreiber der Wasserkraftanlage, der genehmigenden Behörde sowie den Fischereiberechtigten konnte das mit Impulsdynamik bezeichnete Szenario implementiert werden, indem eine technisch einfache und wirkungsvolle Abflussdynamisierung in Abhängigkeit vom Oberwasserstand umgesetzt worden war. Vorteil dieser Variante ist, dass die kleineren Abflussspitzen zeitlich begrenzt, aber in nahezu voller Intensität und entsprechend der natürlichen Zuflusscharakteristik in die Ausleitungsstrecke geführt werden, wodurch die ökonomischen Auswirkungen begrenzt bleiben. Der ökologische Nutzen dieser Dynamisierungsvariante liegt in der Aufrechterhaltung des natürlichen Störungsregimes (mechanischer Stress), der im vorliegenden Fall zu einer Reduzierung des Vorkommens von fädigen Grünalgen führte. Auf Grund des Projektendes konnte ein länger angelegtes Monitoring nicht umgesetzt werden, so dass Aussagen über die mittel- bis langfristige Wirkung der Mindestwasserdynamisierung nicht berichtet werden kann.
Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation
Regelmäßige Berichterstattung an die Arbeitsgemeinschaft Schutz und Bewirtschaftung oberirdischer Gewässer der LAWA, Veranstaltung von Seminaren, Veranstaltung einer CASIMIR-Schulung, Vorträge und Fachveröffentlichungen. Die Projektergebnisse sind in zwei Abschlussberichten (Juni 2001 und Ja-nuar 2006) dokumentiert
Fazit
Im Rahmen des hier vorgestellten Forschungsprojekts konnten eine Reihe wichtiger Neuentwicklungen auf dem Fachgebiet der Ökohydraulik realisiert werden. Insbesondere die Habitatmodellierung für Fische mit Hilfe fuzzylogischer Ansätze ist eine wegweisende Verbesserung der prognosefähigen Werkzeuge im gewässerökologischen Bereich. Der erfolgreiche Einsatz des Simulationsmodells im Rahmen eines Pilotprojekts zur Mindestwasserdynamisierung verdeutlicht die Praxistauglichkeit des Ansatzes.
Fördersumme
214.742,59 €
Förderzeitraum
01.09.1998 - 31.10.2005
Bundesland
Baden-Württemberg
Schlagwörter
Klimaschutz
Landnutzung
Naturschutz
Ressourcenschonung
Umweltforschung
Umwelttechnik