Modellhafte Vorplanung zur umweltgerechten Gestaltung mehrerer Kleinwasserkraftanlagen an der Mahlgera/Thüringen
Projektdurchführung
Verwaltungsgemeinschaft Gera-AueGemeinde Walschleben
Marktplatz 13
99189 Gebesee
Zielsetzung und Anlass des Vorhabens
Nördlich von Erfurt teilt sich die Gera an einem Wehr in zwei Arme, in die Mahlgera und in die Wilde Gera. An der Mahlgera wurde seit über 500 Jahren die Wasserkraft genutzt. Zuletzt arbeiteten hier in einer Kaskade 11 Getreide- und Ölmühlen mit jeweils etwa 20 - 30 kW Ausbauleistung. In den 70er Jahren wurden die Mühlen stillgelegt. Durch Baumaßnahmen und Abriss der Schützenanlagen des Hauptwehres im Jahre 1981 wurde der Wassereinlauf in die Mahlgera stark eingeschränkt und unregulierbar gemacht. Hierdurch und auf Grund fehlender Pflegemaßnahmen verschlammte die Mahlgera, angrenzende Feuchtwiesen fielen trocken und ein großer Teil des Altbaumbestandes starb ab. Ziel ist es nunmehr, die Wasserkraftnutzung an der Mahlgera zu reaktivieren. Dadurch können perspektivisch acht Standorte mit einer gesamten Leistung von ca. 240 kW reaktiviert werden. Hierzu sind folgende Schritte erforderlich:
· Grundräumung und naturnahe Gestaltung der Mahlgera;
· Umbau des Hauptwehres und des Mahlgeraeinlaufes;
· Reaktivierung der Wasserkraftstandorte;
· Bau von Umgehungsbächen und Fischaufstiegshilfen zur Biotopvernetzung.
Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenDie Vorplanung gliedert sich in zwei Hauptteile, in eine technische und wirtschaftliche Vorplanung sowie in das Biomonitoring. Die technische Vorplanung umfasst im Wesentlichen folgende Arbeiten:
· Die Grundlagenermittlung;
· Vorplanung (einschließlich landschaftspflegerischer Begleitplanung -LBP-, Betrachtung des Gera-Wehres und der einzelnen Mühlenstandorte);
· Betrachtung weiterer Umwelteinwirkungen außerhalb des LBP (insbesondere durch die Einleitersituation);
· Wirtschaftlichkeitsbetrachtung.
Das Biomonitorring umfasst im Wesentlichen folgende Untersuchungen:
· Bestandserhebung der Vegetation und Fauna;
· Bestandserhebung des Bodens in der Aue;
· weiterführende Untersuchungen zur Wasserwirtschaft;
· Ermittlung der Gewässerstrukturgüter;
· Beratung der Verwaltungsgemeinschaft Gera-Aue während des gesamten Planungsprozesses sowie Prüfung der Planungen auf Plausibilität und Kosten.
Diese Untersuchungen bilden die Grundlage, um die Auswirkungen einer möglichen späteren Reaktivierung erfassen zu können.
Ergebnisse und Diskussion
Vorplanung:
Im Ergebnis wurde insbesondere eine Aussage zur Standsicherheit des vorhandenen Gera-Wehres unter Berücksichtigung der erforderlichen Umbauarbeiten und ein belastbares Kostengerüst für das Gesamtvorhaben erarbeitet. Im Rahmen der durchgeführten Untersuchung hat sich weiter gezeigt, dass von den 11 ehemaligen Mühlenstandorten nur noch 6 für die Erzeugung regenerativer Energien zur Verfügung stehen. Sie arbeiten an der Grenze der Wirtschaftlichkeit, wenn keine genügende Förderung ermöglicht wird. Dies rührt aus dem desolaten Bauzustand der Mühlen und Wehre her. Das Gewässer wurde für einen Maximalabfluss von 2,5 m³/s konzipiert. Dafür wurden die erforderlichen Räumungsbereiche ermittelt und kostenmäßig erfasst. Durch die Errichtung von Fischaufstiegshilfen an den Wehrstandorten wird die Durchgängigkeit des Gewässers für Fische und Benthos erreicht. Bei entsprechendem Platzangebot wurden Umgehungsgerinne in naturnaher Bauweise vorgesehen. Die Relikte der nicht wieder reaktivierbaren Mühlen werden zurückgebaut bzw. durch Sohlgleiten ersetzt. Im landschaftspflegerischen Begleitplan wurden Maßnahmen zur Wiederherstellung des natürlichen Erscheinungsbildes und der ökologischen Funktionen der Mahlgera insbesondere für die Entwicklung der Ufervegetation ermittelt und darge-stellt. Die baulichen Eingriffe können durch diese Maßnahmen kompensiert werden.
Vorstudie (Biomonitoring wissenschaftliche Begleituntersuchung)
Die vegetationskundliche und bodenkundliche Untersuchung zeigte im Verein mit der Auswertung der Grundwassermessungen, dass die zunächst erwartete Wiedervernässung der Aue nicht eintreten wird. Die ökologischen Verbesserungen, die mit der Wiederaufnahme der Nutzung der regenerativen Energie Wasserkraft verbunden sind, bleiben auf das engere Gewässerumfeld beschränkt. Hier sind sie jedoch nicht unerheblich: Die Mahlgera, als Kraftwerkskanal und Ortgewässer, wird wiederbelebt. Die Gewässergüte wird durch den erhöhten Zufluss aus der Wilden Gera verbessert. Uferrandstreifen schaffen neue Biotope und bilden eine wichtige Pufferzone zu hauptsächlich ackerbaulich genutzten Auen. Durch die mit der Reaktivierung der Wasserkraftanlagen verbundene Wiederherstellung der Gewässerdurchgän-gigkeit für Fische und Benthosorganismen werden die der Mahlgera seitlich zufließenden Gewässer an das Fließgewässersystem angeschlossen.
Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation
Bürgerbeteiligung und behördliche Koordination:
22. Februar 2001: Vorstellung der Vorplanung und Vorstudie, Verwaltungsgemeinschaft Geraaue, Gebe-see
Vorträge und Veröffentlichungen:
Jahreshauptversammlung der Deutschen Gesellschaft für Mühlenkunde, 6.-8. Juni 1997 in Gemen Tönsmann, F.; Schötz, D. und Trostdorf, F.: Reaktivierung der Wasserkraft am Beispiel der Mahlgera/ Thüringen.
Zweites Anwenderforum Kleinwasserkraft des Ostbayerischen Technologie-Kollegs (OTTI), 1999 in Passau
Tönsmann, F.; Schötz, D.; und Trostdorf, F. Reaktivierung von Kleinstwasserkraftanlagen an der Mahlgera (Thüringen).
Sauerwein, B,; Schötz D.; Tönsmann, F. und Trostdorf, F.: 2001: Reaktivierung von ehemaligen Kleinstwasserkraftanlagen an der Mahlgera in Thüringen. Wasserkraft & Energie 1/01: 47-64. Moritz Schäfer Verlag. Detmold.
Fazit
Die Vorstudie zeigte, dass die Reaktivierung der Wasserkraftnutzung an der Mahlgera hart an der Grenze der Wirtschaftlichkeit liegt. Die Förderung der Sanierung des Gerawehres und des Baus von Fisch-pässen an den einzelnen Anlagen ist Voraussetzung für die Umsetzung des Projektes und damit für eine mögliche ökologische Aufwertung der Mahlgera und ihres Uferbereiches sowie der ihr zufließenden Gewässer. Die Bestanderhebung zum Biomonitoring zeigte, dass durch die Reaktivierung der Mahlgera der Mühlgraben wiederbelegt werden kann. Obgleich die positive ökologische Wirkung auf den Nahbereich des Gewässers beschränkt ist, entsteht eine Aufwertung durch eine Verbesserung der Gewässergüte und der Gewässerstrukturgüte, durch die Entwicklung von Saumbiotopen im Uferrandstreifen sowie durch die mögliche Wiederherstellung des Gewässerkontinuums (Durchgängigkeit für Gewässerorganismen). Das Projekt mit seinen sechs reaktivierbaren Wasserkraftanlagen und seinem 15 km langen Mühlgraben ist durch ökologische und bauliche Eigenarten gekennzeichnet, die zahlreiche Möglichkeiten bieten, Ergebnisse eines weiteren Biomonitorings beispielhaft auf andere Reaktivierungsprojekte zu übertragen. Beispielsweise wird angesichts unterschiedlicher lokaler Bedingungen die Gewässerdurchgängigkeit durch verschiedene bauliche Lösungen erreicht werden, wodurch die Möglichkeit besteht, deren ökologische Effektivität vergleichend zu untersuchen.
Fördersumme
86.439,01 €
Förderzeitraum
06.10.1997 - 05.04.1999
Bundesland
Thüringen
Schlagwörter
Klimaschutz
Naturschutz
Ressourcenschonung
Umweltforschung
Umwelttechnik