Modellhafte Entwicklung und Umsetzung konservatorischer Maßnahmen an der umweltgeschädigten Renaissance-Fassade des Lübecker Rathauses (Schleswig-Holstein)
Projektdurchführung
Deutsches Bergbau-Museum BochumForschungsstelle Archäologie undMaterialwissenschaften
Herner Str. 45
44787 Bochum
Zielsetzung und Anlass des Vorhabens
Das Vorhaben zielt auf die Entwicklung bzw. Optimierung von Verfahren zur Konservierung und Restaurierung des Natursteininventars der Renaissance-Fassade des Lübecker Rathauses. Die Fassade weist heute starke Schäden an den verbauten Natursteinen, besonders am Ursprungsmaterial dem Gotland Sandstein auf. Im Vorhaben sollen die bisher ungelösten Problemstellungen zu den Aspekten Festigung des Steinmaterials (Mittel, Applikation), Steinergänzung (Material) sowie abschließender Schutz (Konservierung) der Fassade mittels erneuter Farbfassung (oder anderen Methoden) in Vorversuchen erforscht und die Ergebnisse in der nachfolgenden Maßnahme umgesetzt werden.
Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenDas Vorhaben wird durch eine Gruppe betreut, die verteilt auf unterschiedliche Schwerpunkte die verschiedenen Aspekte bearbeitet: Uni Thorn: Festigung, Hydrophobierungsmöglichkeit, Steinergänzung; DBM: Festigung, Farbfassung, Koordinierung; Restaurator J. Seebach: Maßnahmenbetreuung vor Ort. Das Arbeitsprogramm wird eine Vorbereitungs-, Untersuchungs- und Maßnahmephase umfassen: Die kurze Vorbereitungs- oder Koordinierungsphase beinhaltet Objektbegehungen, eine aktuelle Grobkartierung der kritischen Bereiche mit Darstellung der Konsequenzen für die Maßnahme, Abstimmungen der konkreten Aufgabenstellung im Gesamtprojektteam und die Einbindung aller bereits abgeklärter oder neben dem Projekt laufender Therapiemaßnahmen in ein Gesamtkonzept.
Die Untersuchungsphase umfasst Laboruntersuchungen und Entwicklungen an Testkörpern und Modellflächen an der Fassade zu den oben genannten noch offenen Fragen bei der Instandsetzung sowie die Umsetzung von Laborkonzepten in konkrete, anwendbare Vorgehensweisen am Objekt. Abschließend soll die Maßnahmenphase mit der eigentlichen Umsetzung der Ergebnisse aus Vorbereitungs- und Untersuchungsphase in die Bauausführung stattfinden. Diese beinhaltet die Einweisung der ausführenden Firmen, Begleitung der Maßnahme sowie Qualitätskontrolle während und nach den Arbeiten und die Erstellung eines zukünftigen Pflegekonzeptes.
Ergebnisse und Diskussion
Als erster Schritt der Arbeiten wurde eine Kartierung der Fassade in Zusammenarbeit mit dem begleitenden Restaurator unternommen. Bei dieser Arbeit konnte ein Photobildplan erstellt und genutzt werden, der eine Flächenauswertung der verschiedenen Dokumentationsthemen mittels AUTO-CAD ermöglichte. Ermittelt wurden die Aspekte: verbautes Natursteinmaterial; Schadenstyp und Restaurierungsem-pfehlung. Der besonders interessierende Gotland Sandstein z. B. ist bei einer Gesamtoberfläche der Fassade von ca. 350 m² noch zu ca. 14 % darin verbaut. Die maßstabsgerechte Aufnahme im Fotoplan und der Rechnereinsatz ermöglichte eine sehr gute Abschätzung des Aufwandes für die verschiedenen Erhaltungsmaßnahmen und bildete eine wichtige Grundlage für Ausschreibung und Umsetzung der Arbeiten. Bei dieser vorangehenden Begutachtung wurden noch die Themen Natursteinaustausch, Fugenausräumen und Neuverfugung als wichtig im Gesamtkontext der Maßnahme erkannt und mit den spezifischen Projektthemen in Abstimmung gebracht.
Im Rahmen von intensiven Laborstudien wurden zu den genannten Zielen folgende Erkenntnisse für die Restaurierungsarbeiten gewonnen:
- Hydrophobierungsmöglichkeit des Gotland Sandsteins (Uni Thorn): Untersucht wurde eine oberflächennahe und eine strukturelle Hydrophobierung. Als beste Schutzstoffe (Auswahl unter 15 Präparaten, überwiegend Si-organische Stoffe) erwiesen sich nach den Untersuchungen (Eigenschaften der Präparate, Verteilung im Stein, Reduktion der Wasseraufnahme, Frostbeständigkeit) Maxclear water repellant und Keim Lotexan N. Auf eine Hydrobobierung der Fassade wurde schließlich allerdings verzichtet, da eine Angleichung des Farbeindruckes des Steinmaterials erzielt werden sollte und dies mit einem schützenden Farbsystem angestrebt wurde. Die Ergebnisse zur Hydrophobierung bilden jedoch eine wichtige grundsätzliche Information für andere Gotland-Objekte.
- Festigung des Gotland Sandsteins (Uni Thorn, DBM): Für das zumeist tiefgreifend geschädigte Material wurde eine strukturelle Festigung beschlossen; nach Voruntersuchungen wurde ein zweistufiges Kompressenverfahren mit zunächst einem Standardfestiger Remmers Funcosil 300 gefolgt von einem elastifizierten Festiger 300E (mit einer gesamten Eindringtiefe von bis zu 7 cm) als Optimum für eine Anpassung der Festigkeitswerte gefunden.
- Steinergänzung (Uni Thorn, DBM): In Polen wurde eine Rezeptur speziell für den Gotland Sandstein entwickelt (Zement : Quarzmehl : Sand : Wasser mit 1:1:7:1,70). Diese wurde im DBM mit handelsüblichen Restaurierungsmörteln (schlämmfähig) verglichen und in Ihren bauphysikalischen Parametern überprüft. Eine entscheidende Besserstellung des experimentellen Produktes wurde nicht gesehen und wegen der Garantieaspekte das Produkt Rajasil Steinrestauriermörtel (&- spezial schlämmfähig) vorgeschlagen.
- Farbsystem (DBM): Es wurden unterschiedliche Farbsysteme getestet (Kalk, Silikat, Siliconharz, Ölfarben). Die Entscheidung fiel für ein hydrophobes System, um sowohl Wassereintrag zu verhindern als auch die Migration von Eisenbestandteilen (aus dem Elbsandstein an die Oberfläche) zu vermeiden (sonst Fleckigkeit der Farbfassung). Eine Leinöl-Bleiweiß-Farbe bot die beste Möglichkeit einen gebrochenen Weißton (Wahl der Denkmalpflege) an der Fassade zu verwirklichen.
Alle Laborergebnisse wurden in der Maßnahme in den Jahren 2002 bis 2003 umgesetzt und so bestä-tigt.
Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation
Das Projekt wurde zu verschiedenen Stadien bei Symposien/Workshops vorgestellt: Farbe in der Steinrestaurierung, Kloster Nimbschen 1999 (Ochwat, Brüggerhoff); EDV in der Restaurierung, Aurich, 2001 (Ochwat, Seebach), Anstriche auf Naturstein, Wunsiedel, 2003 (Brüggerhoff). Eine Ergebnisdarstellung erfolgte auch in Polen (Uni Thorn): Publikation in Biuletyn (Journal of Conservation and Restoration) 13, 2002. Die Öffentlichkeit wurde während der Restaurierungsmaßnahmen durch Pressemitteilungen, Posterwände am Objekt und Baustellenführungen (Seebach) ausführlich informiert.
Fazit
Die Arbeiten in Lübeck haben die Zweckmäßigkeit von ausführlichen Voruntersuchungen und eine wissenschaftliche Begleitung der Restaurierungsmaßnahmen klar aufgezeigt. Für das ursprüngliche Baumaterial, den Gotland Sandstein wurden geeignete Materialien für spezifische Fragestellungen wie Festigung, Hydrophobierung und Steinergänzung gefunden. Bei der Vielzahl unterschiedlicher Gesteine in einer Fassade, in Lübeck durch frühere Austauschmaßnahmen eingebracht, ist aber bei übergreifenden Erhaltungsmaßnahmen häufig nur ein Kompromiss möglich. Dies zeigte sich in Lübeck besonders beim Schutz und ästhetischen Ausgleich der Gesamtfassade. Die Wahl eines Farb- bzw. Beschichtungssystems wird sowohl durch die bauphysikalischen Parameter als auch durch den Chemismus aller Gesteine beeinflusst. So resultierte am Ende die unkonventionelle Entscheidung für den Anstrich mit einem historischen Leinöl-Bleiweiß-System und eine damit verbundene, erhöhte Pflegeaufmerksamkeit.
Fördersumme
259.571,64 €
Förderzeitraum
06.04.1999 - 30.06.2003
Bundesland
Schleswig-Holstein
Schlagwörter
Klimaschutz
Kulturgüter
Ressourcenschonung
Umweltforschung
Umwelttechnik