Durchführung einer Expertentagung: Bildung für Nachhaltigkeit als Chance in den Zeiten knapper Kassen
Projektdurchführung
econturInternationale Agentur fürnachhaltige Projekte GmbH
Jakobistr. 20
28195 Bremen
Zielsetzung und Anlass des Vorhabens
Zielsetzung der Tagung war es, Beispiele für innovative Bildungsprozesse zu finden, die zukunftsfähige Entwicklungen auf dem Hintergrund gesellschaftlicher Realitäten ausloten. Die Ergebnisse werden die Diskussion der Bildungsexperten untereinander und mit Vertretern anderer gesellschaftlicher Gruppen bereichern. Sie werden in Form eines Tagungsbandes publiziert, der positive Erfahrungen vorstellt und Handlungsempfehlungen für die Bildungspraxis gibt. Ein entscheidendes Defizit der beginnenden Diskussion liegt in der Vernachlässigung realer gesellschaftlicher Entwicklungen. Es gibt bereits Agenda-Prozesse in verschiedenen gesellschaftlichen Teilbereichen, in denen Bildungsprozesse oder bildungsähnliche Prozesse eine Rolle spielen. Diese Prozesse sollten auf der Tagung untersucht werden.
Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenEine der Hauptfragen der Veranstaltung war: Wie kann die Beteiligung der Bürger gelingen und wie sollen zukunftsgewandte Prozesse nachhaltigen Lebens und Wirtschaftens gestaltet werden? Dazu wurden im Vorfeld der Tagung Agenda-Prozesse analysiert und Vertreter modellhafter Implementierungsprojekte eingeladen. Die Referenten wurden mit den folgenden leitenden Fragestellungen konfrontiert:
1. Welche Motivation hat Ihre Organisation bewogen, das geschilderte Projekt durchzuführen?
2. Welche Erfolge und Mißerfolge haben sich bei der Umsetzung von Nachhaltigkeitsprojekten ergeben?
3. Wie haben Sie BürgerInnen, die vorher nicht in solche Prozesse integriert waren, beteiligen können?
4. Welche Rolle spielten Bildungsprozesse bei der Implementation von Nachhaltigkeit?
Workshop I: Bürgerbeteiligung.
Wo gibt es Beispiele für Veränderungsprozesse zur nachhaltigen Kommunalentwicklung, bei denen die BürgerInnen entscheidend beteiligt waren? Berichte aus Heidelberg, Härnosand, Seattle und Aargau.
Workshop II: Zukunft der Erwerbsarbeit.
Welche Chance haben Projekte nachhaltiger Entwicklung in Zeiten von Arbeitslosigkeit und Sozialabbau? Berichte über nachhaltige Unternehmen in Deutschland, den Strukturwandel im Ruhrgebiet, die Krise des deutschen Schiffbaus und die Position des Deutschen Gewerkschaftsbundes.
Workshop III: Implementationsstrategien.
Welche Rolle spielen Effizienz- und Suffizienzstrategien in der Alltagspraxis? Berichte über die Umsetzung von Least-Cost-Planning, über Ökologischen Landbau, Car-Sharing und langlebige Produkte.
Ergebnisse und Diskussion
Die Bildungstagung fand zu einem günstigen Zeitpunkt statt, meinte Bremens Bürgermeister Henning Scherf, als er die Tagungsteilnehmer in seiner Grußrede im Bremer Rathaus willkommen hieß. Er erklärte dies damit, daß der Lokale Agenda 21-Prozeß in Bremen vor einer entscheidenden Schwelle stand. Seine Senatskollegen sollten in Kürze einer Vorlage zustimmen, die die Grundlage einer breiteren - auch finanziellen - Verankerung des Agendaprozesses bilden sollte. Günstig war der Zeitpunkt auch aus einem anderen Grund. In diesen Tagen jährte sich der große Erdgipfel von Rio zum fünften Mal. Wenn dies auch aus dramaturgischer Sicht ein Zufall war, so flossen damit in die Tagungsplanung und ihren Verlauf eine Reihe von kritischen Einschätzungen und Bewertungen ein. Vorherrschender Tenor der meisten Analysen war die Enttäuschung über den Stand des nach fünf Jahren Erreichten. Der politische Schwung aus den Rio-Tagen scheint verpufft, das Leitbild Nachhaltigkeit spielt im politischen Alltag keine große Rolle mehr. Nur sehr zögerlich beginnen einige Kommunen, eine Lokale Agenda 21 aufzustellen, wobei sich die Diskussionen in den meist noch auf der Ebene von Verfahrensfragen bewegen.
Die Tagung hat wichtige Beiträge zur Präzisierung neuer Arbeitsfelder und -methoden einer Bildung für Nachhaltigkeit erbracht. In den Workshops über Bürgerbeteiligung, Zukunft der Erwerbsarbeit und Implementationsstrategien wurden wichtige neue Handlungsfelder gesellschaftlicher Realität beschrieben, in denen Bildungsprozesse eine Rolle spielen. Allerdings wurde deutlich, daß diese Rolle eine sehr veränderte gegenüber traditionellen Bildungsprozessen ist. Alle Referentinnen und Referenten haben in ihren Vorträgen die wichtige Bedeutung der Bildung betont. Allerdings gilt für sie alle, daß klassische Bildungsprozesse in ihren Projekten kaum auszumachen sind. Es geht bei den erzielten Veränderungen des Verbraucherverhaltens vielmehr um unterschiedliche Kombinationen von Eigennutz und Umweltnutzen. Information, Beratungstätigkeiten und finanzielle Anreize ergänzen sich. Eine aus ethischen Motiven gespeiste Verhaltensänderung ist kaum vorhanden. Bildung, verstanden als klassische Bildung, hat in den vorgestellten Effizienz- und Suffizienzprojekten offenbar nur eine nachrangige Bedeutung. Wichtiger sind moderne Formen von Marktforschung, Beratung und Öffentlichkeitsarbeit im Zusammenwirken mit finanziellen oder materiellen Anreizen. Diese Eigennutzmotive scheinen in der Alltagspraxis leitmotivisch zu sein. Sie werden offensichtlich dann besonders wirksam, wenn man sie obendrein noch mit der richtigen Motivation nach außen verkaufen kann. Insgesamt betrachtet scheinen für diejenigen Bildungseinrichtungen, die im Agenda-Prozeß eine Rolle spielen wollen, zukünftig stärker Kenntnisse von Umweltpsychologie und der Lebensstilforschung sowie die praktische Handhabung von Moderation, Mediation und Methoden der Sozialforschung wichtig zu werden.
Unter Bildung wird die sich aneignende Auseinandersetzung mit der Welt durch Sprache und Literatur, Wissenschaft und Kunst verstanden. Wolfgang Klafki, einer der führenden deutschen Bildungstheoretiker, versteht unter Bildung ein geschichtlich vermitteltes Bewußtsein von zentralen Problemen der gemeinsamen Gegenwart und der voraussehbaren Zukunft gewonnen zu haben, Einsicht in die Mitverantwortlichkeit aller angesichts solcher Probleme und Bereitschaft, sich ihnen zu stellen und am Bemühen um ihre Bewältigung teilzunehmen. Klafki schreibt gesellschaftlichen Schlüsselproblemen eine zentrale Rolle für Bildungsprozesse zu. Diese Schlüsselprobleme sollen bei offener Diskussion zu einem jeweils hinreichenden Konsens geführt haben, allerdings lediglich für eine gewisse Zeit gültig sein, denn Schlüsselprobleme müssen gemäß den sich wandelnden historischen Verhältnissen immer wieder neu bestimmt werden.
Es werden neue Fragen und Anforderungen an die Umweltbildung gestellt, die eine Weiterentwicklung zu einer Bildung für Nachhaltigkeit sinnvoll erscheinen lassen. Es ist zu fragen, ob die Bildung für Nachhaltigkeit nicht ein Sammelsurium aus Umweltbildung, Politischer Bildung, Umweltpsychologie, Umweltkommunikation und weiteren Teilgebieten ist, bzw. diese wird zu einer neuen Qualität verschmelzen muß.
Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation
Der Tagungsband erscheint als Band 3 in der econtur-Reihe Positionen. Die Publikation wurde allen Tagungsteilnehmern sowie wichtigen Multiplikatoren kostenlos zu Verfügung gestellt. Darüberhinaus werden die Ergebnisse in Fachzeitschriften und den wichtigen Diskussionszirkeln verbreitet.
Fazit
Nichts ist teurer als die Nicht-Reform, sagte Oskar Negt, und das Problem ist also nicht die Frage, wie man die Reform bezahlen kann, sondern wie man auf Dauer die Nicht-Reform bezahlen kann, weil sie mit Verschwendung verknüpft ist. Stephen Sterling spricht in seinem Beitrag von Education for Change, Bildung für Veränderung. Gerd de Haan gar von einer Revision des Bildungssystems in Richtung Partizipation und Konstruktivismus. Eine Analyse gesellschaftlicher Veränderungen und Strömungen ist notwendig, um den Weg für eine zukünftige Bildung aufzuzeigen. Der Nachhaltigkeitsbegriff bekommt in der Bildungspraxis erst Kontur.
Fördersumme
15.338,76 €
Förderzeitraum
01.06.1997 - 28.09.1999
Bundesland
Bremen
Schlagwörter