Naturtextilien aus Nessel – innovative Technologie- und Produktentwicklung für die Textilindustrie
Projektdurchführung
Thüringisches Institut für Textil- undKunststoff-Forschung (TITK) e. V.
Breitscheidstr. 97
07407 Rudolstadt
Zielsetzung und Anlass des Vorhabens
Ziel des Projektes war es, über die Nesselfasergewinnung und deren Verarbeitung Bekleidungstextilien mit neuartigen Eigenschaftskombinationen zu entwickeln, die dem Anspruch an Qualität, Gebrauchseigenschaften, ökologischem Bewusstsein und Wirtschaftlichkeit in der gesamten Wertschöpfungskette genügen. Die aus Sicht der Antragsteller gegebene Notwendigkeit der Projektbearbeitung ergab sich aus
- dem zunehmenden Interesse der Verbraucher an Bekleidungstextilien aus Naturfasern
- der Notwendigkeit, Verbraucherinteressen immer besser durch Textilien guter bekleidungsphysiologischer Eigenschaften gepaart mit modisch kreativen Ideen, zu befriedigen.
Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenAusgehend vom Fasernesselanbau, auch unter Bedingungen des ökologischen Landbaus, lag ein Schwerpunkt bei der Projektbearbeitung in der Optimierung des mechanischen Faseraufschlusses und einer Technologieentwicklung bis zur textil verwertbaren Einzelfaser. Garn- und Gewebeherstellung aus Mischungen mit weiteren cellulosischen Faserstoffen bildeten die Grundlage für färberei- und veredlungsseitige Entwicklungen in Optik und Haptik neuer Stoffe. Deren Eignung in Verarbeitung und Gebrauch von Bekleidungstextilien wurde letztlich durch Auflage einer Berufs- und Freizeitkollektion nachgewiesen.
Anbau und Verarbeitung von Nesselfasern können in der Bundesrepublik einen Beitrag zur Umweltentlastung leisten, wenn bei einer ganzheitlichen Betrachtung der Wertschöpfungskette in Landwirtschaft und verarbeitender Industrie ökologisch vertretbare Verfahren die Basis der Verwertung bilden. Das Projekt erbrachte durchgängig den Nachweis der Anwendbarkeit derartiger Verfahren und Prozesse zur Erzielung hochwertiger textiler Eigenschaften.
Ergebnisse und Diskussion
In dem vorliegendem Modellprojekt gelang es, bei Anwendung und Anpassung des heutigen Standes der Technik, in enger Zusammenarbeit von 3 wissenschaftlichen Einrichtungen und 2 kmU, über den Anbau der Fasernessel und deren Gewinnung sowie ihrer textilen Weiterverarbeitung qualitativ hochwertige Bekleidungs- und Heimtextilien zu entwickeln. Bei der ganzheitlichen Entwicklung vom Anbau der Fasernessel über die Untersuchung geeigneter textiler Verarbeitungs- und Veredlungsmethoden bis zur Konfektion fertiger Textilien lag der Schwerpunkt auf umwelt- und gesundheitsfreundlichen Verfahren.
Entscheidend für eine wirtschaftliche Produktion von Faserpflanzen ist eine maximale Faserausbeute. Am Institut für Angewandte Botanik der Universität Hamburg konnten durch Auslese 10 neue Sorten mit guter Wüchsigkeit und Fasergehalten von 12 - 16 % in das dortige Fasernessel-Sortiment aufgenommen werden. Trotzdem wären weitere züchterische Untersuchungen notwendig, denn mit einem Reinfaserer-trag von max. 425 kg/ha können Fasernesseln nicht mit anderen Faserpflanzen, wie Hanf (in Thüringen 2t/ha nach T. Graf und A. Vetter: Symposium Werkstoffe aus Nachwachsenden Rohstoffen Sept. 2003 Erfurt) mithalten.
Mit verbesserten und teilweise neuartigen Nährstoffkombinationen im ökologischen Landbau wurde am Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung Göttingen versucht, den Bedürfnissen der Fasernessel zu entsprechen. Die Arbeiten wurden unter dem Gesichtspunkt durchgeführt, dass der ökologische Landbau durch seine im Hinblick auf den Ressourceneinsatz teilweise extensive Wirtschaftsweise günstige Voraussetzungen für eine umweltgerechte Erzeugung bietet. Andererseits können durch die ökologische Produktionsweise auf dem Markt höhere Preise erzielt werden, wodurch die geringeren Ertragsleistungen im Anbau möglicherweise kompensiert werden können. Dies gilt auch für Bekleidungstextilien aus kontrolliert biologisch angebauten Rohstoffen.
Trotz der stark unterschiedlichen Nesselchargen aus verschiedenen Anbaujahren und Düngeversuchen konnte mit dem im TITK praktizierten Aufschlussverfahren mittels vorhandener Technik ein Fasermaterial gewonnen werden, welches für die weitere textile Verarbeitung geeignet war. Von Nachteil derzeitiger mechanischer Aufschlussverfahren ist die schlechte Trennung der Holzanteile von den Fasern, was zum einen hohe Aufwendungen beim Nassaufschluss als auch bei der Faserreinigung vor der Garnherstellung erforderte. Sowohl die Gewebeherstellung als auch Veredlung und Konfektion der Nessel-Lyocell-Mischungen erfolgten als Mustermaterialien, aber unter industriellen Bedingungen. Obwohl hier von allen Projektpartnern Neuland beschritten wurde, gelang es, bei Anwendung ökologischer Verarbeitungstechnologien und dem Erhalt des Naturfasercharakters der Nesselfaser qualitativ hochwertige Textilien herzustellen. Eine zukünftige Vermarktung solcher Textilien wird als positiv eingeschätzt.
Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation
- 07-10/2000: bei der Agri 21 Expo Hannover (Poster und Exponat)
- Juli 2001: beim Forschungsseminar Uni Hamburg (Poster)
- Okt. 2001: bei der Biotechnica Hannover (Poster und Exponate)
- März 2003: Modenschau mit Modellen aus Fasernessel bei einer Fachtagung der FNR in Tübingen gemeinsam mit dem Stoffhaus W&S Textil Berlin
- Dreyling, G.: Die Fasernessel, eine wiederentdeckte alte Kulturpflanze, UWSF-Zumweltchem Öko-tox 13, 2001
- Lehne, P., Schmidtke, K., Rauber, R. 2001: Blattfall von Fasernessel bei unterschiedlicher Nährstoffversorgung, Mitteilungen der Gesellschaft für Pflanzenbauwissenschaften 13, 156-157
- Lehne, P., Schmidtke, K., Rauber, R. 2001: Ertrag von Fasernessel im ökologischen Landbau. Mitteilungen der Gesellschaft für Pflanzenbauwissenschaften 13, 158-159
- Weitere Veröffentlichung in Arbeit
Fazit
Das Projekt konnte die Frage nach einer industriellen Nutzbarkeit der Fasernessel für textile Anwendungen grundsätzlich positiv beantworten. Trotzdem bleiben eine Reihe von Fragen offen.
Eine Wiederbelebung der Fasernessel hängt zunächst von der Wirtschaftlichkeit des Anbaus und der Ernte ab, aber auch von den technischen Voraussetzungen, die für einen qualitativ hochwertigen Aufschluss der Fasernessel für textile Einsatzgebiete notwendig sind. Hier wären für eine industrielle Umsetzung weitere Untersuchungen notwendig.
Fördersumme
833.022,30 €
Förderzeitraum
01.06.1999 - 31.08.2003
Bundesland
Alte und Neue Bundesländer
Schlagwörter
Alte und Neue Bundesländer
Klimaschutz
Landnutzung
Naturschutz
Ressourcenschonung
Umweltforschung
Umwelttechnik