Ökologisches Bauvorhaben Haus am Strom, Landkreis Passau
Projektdurchführung
Landratsamt Passau
Domplatz 11
94032 Passau
Zielsetzung und Anlass des Vorhabens
Auf dem Gelände des Wasserkraftwerks Jochenstein wurde in unmittelbarer Nachbarschaft des Naturschutzgebietes Donauleiten etwa 25 km donauabwärts von Passau eine Umweltbildungseinrichtung errichtet. Neben diversen Angeboten zur Umweltbildung (Ausstellung, geführte Exkursionen, Tagungen, Schulungen, Vorträge und Vorführungen) verbindet das Haus am Strom den Umweltgedanken mit einem sozialen Engagement zur Integration der Behinderten im Dienstleistungssektor. Die Arbeitsplätze sind überwiegend von behinderten Arbeitskräften besetzt.
An einem Ort der zu 100% regenerative Energie (Abwärme der Kraftwerksturbinen, Strom aus Wasserkraft) zur Verfügung stellt, sollten andere Kriterien des nachhaltigen Bauens ins Blickfeld gestellt werden. Diese sind die Materialität und Konstruktion der Bauwerke. Auch die Fragen nach den Planungsmethoden sollte in die Konzeptentwicklung einfließen. Sie verbanden sich mit den natürlichen Standortcharakteristiken, aus denen sich die Prinzipien der Formbildung als rationale Kriterien der architektonischen und narrative der symbolischen Formen ableiten.
Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenDas Konzept der Architektur, seiner Bauteile und der Haustechnik wurden nach den Gesetzen des bionischen Designs nach Nachtigall entwickelt. Die Analogien aus den Frombildungsprinzipien der belebten und unbelebten Natur sind Vorbilder für bionische Ableitungen der Art, wie die Formen der symbolischen, räumlichen, konstruktiven, technischen Gestalt der Bauwerke und ihrer Teile entstehen sollten. Durch ein frühzeitiges Zusammenführen aller beteiligten Planer sollte eine parallele Entwicklung der Elemente des architektonischen Konzepts und dadurch ein integrativer Effekt zwischen den einzelnen Sachgebieten entwickelt werden.
Das Energiekonzept wurde mittels dynamischer Simulation und Tageslichtsimulationen der wichtigsten Räume überprüft und optimiert. Gleichzeitig wurde ein Instrument der Ökobilanzierung (ifib) eingeführt, das hier zum ersten Mal der ökologischen Optimierung der Bauteile während der Planung diente.
Die Konstruktionen wurden im Spannungsfeld komplexer Formbildung (Schalen) und einfacher iterativer Herstellungsmethodik (Vorbild Ziegelschale) unter Minimierung der Veredelungsschritte des Baumaterials gesucht.
Im Zusammenhang mit Umweltbildung sollte ein Bauwerk seine kommunikative Funktion zur Stärkung der Außenwirkung des Projektes erfüllen: eine sinnlich-symbolische Innenraumausbildung (emotionale Besucherwahrnehmung) und eine prägnante, Aufmerksamkeit erzielende Außengestalt (überregionale Ausstrahlung).
Ergebnisse und Diskussion
Aus den Bauwerken, einer Freiflächengestaltung, die das Naturschutzgebiet einbezieht, und einer Ausstellung zum Thema Wasser ist ein Ensemble entstanden, das Verbindungen aufnimmt und Zusammenhänge darstellt.
Die Außenanlagen thematisieren die Gewässerläufe in der Landschaft und die formbildenden Prozesse (Erosion), die landschaftliche Vielfalt und Lebensräume (Artenvielfalt der Donauleiten) erzeugen.
Die Ausstellung stellt anhand einer jahreszeitlichen Themeneinteilung wasserspezifische Fragestellungen unserer Umwelt und ihres Zusammenhangs zu unserer kulturellen Entwicklung dar.
Die Bauwerke symbolisieren die spezifischen Charakteristiken des Ortes, insbesondere der geologischen und biologischen Formbildungsprinzipien. Vergleichbare Ansätze haben die Bauwerksgestalt, die Konstruktionen und die technischen Einrichtungen beeinflusst.
Planung: Eine frühzeitige Beteiligung und ein paralleler Input der fachspezifischen Sichtweisen und Beiträge hat gute Ergebnisse erzielt. Hervorzuheben sind die Optimierungen durch die Instrumente der Simulierung und Optimierung, die wesentliche Veränderungen während der Projektentwicklung mit sich brachten. Obwohl das Energiekonzept nicht in den Mittelpunkt der Betrachtung gestellt worden war, haben wir das Ziel einer Unterschreitung der geltenden WSVO um 30% erreicht. Die Konzentration auf die Thematiken Materialität und Konstruktion als Beiträge zur Nachhaltigkeit hat im Bereich der Konstruktion innovative Ansätze hervorgebracht.
Konstruktion: Die Brettwerkschale ist eine schalenartige Konstruktion, die analog zum Mauerwerk aus einem einzigen immer gleichen Bauteil ( ein Brett 1200x28x120mm) zusammengesetzt wird. Die Formbildungsparameter sind überschaubar und ermöglichen eine algorithmische Darstellung (Vorfertigung) der Form. Eine Druckstrebenkonstruktion wurde derart entwickelt, dass nahezu alle Formen mit der gleichen Bauart ausgebildet werden können. Lediglich deren Dimensionierung und Abmessungen sind an-zupassen.
Die Konstruktion des Vortragssaales, eines eiförmigen Bauwerks, wurde anhand grundsätzlich verschiedener Varianten bilanziert. Die Versuche anhand von neuartigen materiellen Anwendungen der Schalenbildung wurde aufgrund der Kosten- und der Bilanzierungssituation zugunsten der Holztafelbauweise aufgegeben.
Energie und Haustechnik: Die Heizwärme wird aus der Turbinenabwärme des Kraftwerks gewonnen. Ein Heizestrich dient der winterlichen Heizung und der sommerlichen Kühlung (Donauwasser) in den Ausstellungsräumen. Da der Vortragsraum nicht immer genutzt wird, wurde er mit einer schnellen Lüftungsheizung mit Wärmerückgewinnung ausgestattet. Ein wasserauftriebskraftbetriebener Aufzug wurde nach dem Prinzip der Schleuse entwickelt. Dafür wird das Gefälle der Donau am Kraftwerk (ca. 9,0m) ausgenutzt. Die Toilettenspülung wurde durch einen zylindrischen Glasspülwasserbehälter als informatives Element ausgebildet. Dadurch kann der praktisch relevante Wasserverbrauch thematisiert werden.
Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation
Während der Entwicklungs- und Realisierungsphase:
· Das Haus am Strom - Ökologie und Architektur 4-seitiger Beitrag in Innovationen, Chancen und Modelle für die Zukunft Hrsg. WWF Deutschland und Pro Futura GmbH 1998
· Planungsvorbild Natur VDI - Nachrichten, 18.2.00
Das fertige Projekt wurde dargestellt:
· Haus am Strom - Neubau eines Umweltbildungszentrums bei Passau Bauen mit Holz 9/2000
· Haus am Strom - Zentrum für nachhaltiges Wirtschaften Bundesbaublatt 9/2001
· Umweltbildungszentrum Jochenstein Informationsdienst Holz, Dokumentation Holzbauten in Bayern 37
· Haus am Strom - Zentrum für nachhaltiges Wirtschaften glasforum 11/02, monatliche Beilage in GFF Zeitschrift für Glas, Fenster, Fassade 11/02
Parallel zu diesem Abschlußbericht ist gibt es eine Buchdokumentation ab März 2003. Der Charakter dieses Buches soll eine größere Zielgruppe der Besucher des Haus am Strom ansprechen. Darin sind in allgemeinverständlicher Sprache alle Bestandteile des Projektes kurz erläutert und fachspezifisch wichtige Dinge im Einzelnen kurz dargestellt.
Fazit
Theorie statt Konvention: Die zunehmende Planungskomplexität macht neue Planungsmethoden erforderlich. Insbesondere die Kommunikation und die iterative Entwicklung des Projektes auf allen Ebenen muss dabei im Vordergrund stehen. Stichworte: Entwicklung integraler und interdisziplinärer Planungsstrategien.
Form und rationale Produktion: Orthogonale Strukturen sind nicht per se rational. Auf der Basis der neuen wissenschaftlichen Entwicklungen lässt sich die Varianz der Produktionsmöglichkeiten vergrößern und damit optimierte baukonstruktive Lösungen mit einer Vielfalt der baulichen Umwelt verbinden.
Entwicklung der Brettwerkschale: Die produktionstechnische Entwicklung der Brettwerkschale hinsichtlich Vorfertigung konnte innerhalb dieses Realisierungsprozesses nicht umgesetzt werden. Die Konstruktionsart eignet sich in jedem Fall für eine Vorfertigung. Es ist ein erheblicher Kostenvorteil davon zu erwarten.
Fördersumme
1.022.583,76 €
Förderzeitraum
23.05.1997 - 23.05.2000
Bundesland
Bayern
Schlagwörter
Klimaschutz
Landnutzung
Ressourcenschonung
Umweltforschung
Umweltkommunikation
Umwelttechnik