Umweltentlastung durch Niederflur-Güterstraßenbahnen
Projektdurchführung
START e. V.
Rudolfstr. 47/E 2
99092 Erfurt
Zielsetzung und Anlass des Vorhabens
Die Entwicklung des innerstädtischen Lade- und Lieferverkehrs wird durch steigendes Mengenwachstum bei kleineren Sendungsgrößen, gegenseitige Behinderung von Liefer- und Berufsverkehr sowie Belastungen durch Lärm und Schadstoffemissionen des LKW-Verkehrs zunehmend problematischer. Die Verlagerung der Ver- und Entsorgung von Einzelhandel und Dienstleistungsgewerbe auf umweltfreundliche Verkehrsmittel kann hierzu eine Alternative bieten. Die mit Straßenbahnlinien gut erschlossene Erfurter Fußgängerzone sowie die Niederflur-Straßenbahnen der EVAG bieten hierfür gute Voraussetzungen. Zielstellung des Projektes war es, die konkreten Umsetzungsmöglichkeiten einer Niederflur-Güterstraßenbahn in Erfurt im Hinblick auf tech-nische Anforderungen, Betriebskonzept, Wirtschaftlichkeit und soziale Akzeptanz zu untersuchen und ggf. zu modifizieren.
Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenZu Projektbeginn wurden folgende Arbeitsschritte durchgeführt: Erfahrungen mit Güterstraßenbahnen und ähnlichen Projekten wurden mittels Literaturrecherche über historische Projekte und jüngere Neuplanungen sowie durch ExpertInnengespräche aufgearbeitet. Die technisch-organisatorische Machbarkeit hinsichtlich des Einzugsgebietes wurde mittels Begehungen vor Ort, Erfassung geeigneter Einzelhandelsgeschäfte und Dienstleistungsunternehmen sowie ExpertInnengespräche geprüft. Die Prüfung der technisch-organisatorischen Machbarkeit hinsichtlich der technischen Anforderungen wurde im Rahmen eines Forschungs- und Entwicklungsvertrages vom Institut für Kraftfahrwesen Aachen bearbeitet. Bislang ist eine Nutzung von Straßenbahnen mit Niederflur-Technik (die zeitversetzt auch im ÖPNV einsetzbar sein sollen) für Gütertransporte bundesweit noch nicht erprobt. Die Entwicklung des Betriebskonzeptes verlief über fast den gesamten Projektzeitraum. Beginnend mit der Ausarbeitung von Konzeptalternativen wurden diese nach der Durchführung von ExpertInnengesprächen zu einem provisorischen Betriebskonzept weiterentwickelt; die Endfassung konnte erst nach Vorliegen der Wirtschaftlichkeits- und der Akzeptanzanalyse fertiggestellt werden. Die Wirtschaftlichkeitsanalyse wurde, ausgehend von und in Auseinandersetzung mit dem Betriebskonzept, mittels mündlichen Informationen und gewerblichen Prospekten erstellt. Die Beschäftigungsfolgen wurden auf Grundlage von Literaturrecherche, ExpertInnengesprächen und auf Basis des Betriebskonzeptes abgeschätzt. Für die Akzeptanzuntersuchung schließlich wurden eine Vielzahl an ExpertInnengesprächen, drei schriftliche Befragungen und eine öffentliche Veranstaltung durchgeführt.
Ergebnisse und Diskussion
Zur Erreichung der gesetzten Ziele: Die technisch-organisatorische Machbarkeit einer Güterstraßenbahn für Erfurt kann im Grundsatz bejaht werden. Dabei wurde allerdings von der ursprünglich im Antrag favorisierten Idee Abstand genommen, die Geschäfte nachts zu beliefern, da dies zu einer zeitlichen Verzögerung von einem Tag führen würde, die weder von den Transportunternehmen noch vom Einzelhandel akzeptiert würde. Alternativ wurde ein Betriebskonzept entwickelt, wonach die von den Transportunternehmen frühmorgens angelieferten und auf Rollcontainer verladenen Güter per Straßenbahn bis zu einer zentralen Warenschleuse in der Innenstadt transportiert werden. Von dort aus werden die Rollcontainer zu den Geschäften und Dienstleistungsunternehmen geschoben bzw. je nach Entfernung mit einem umweltfreundlichen Mobil (z.B. Elektromobil) verbracht. Anliefer- und Entsorgungsvorgänge werden dabei gekoppelt. Die technische Machbarkeit eines Gütertransportes per Straßenbahn wurde geprüft und unter Beachtung definierter Ausgestaltungskriterien an die Rollcontainer und die Straßenbahn, Typ Combino, (Gewicht, Befestigung etc.) sowie mit Verweis auf eine erforderliche praktische Erprobung bestätigt. Einige Fragen erscheinen problematisch, wenn auch nicht unlösbar: Z.B. müsste bei palettierter Ware die Aufhebung des Vereinzelungsverbotes vereinbart sowie Software bereitgestellt werden, die mit den Lieferdaten der Transportunternehmen kompatibel ist und bei diesen das Vorhandensein von Sendungsverfolgungssystemen voraussetzt. Ein kritischer Punkt ist die Integration der Entsorgung, da sie in der Innenstadt flächendeckend erfolgen müsste, um eine Kooperation für die Stadtwirtschaft lohnenswert zu machen. Das entscheidende Problem des Gesamtkonzeptes aber liegt in der fehlenden Wirtschaftlichkeit. Eine Sensitivitätsanalyse ergab zwar eine mögliche Deckung der Betriebskosten und Ab-schreibungen, jedoch unter kaum realisierbaren Annahmen und ohne Erwirtschaftung von Kapitalverzinsung sowie Tilgung und Zinsleistung der Anfangsinvestition. Die Beschäftigungsfolgenabschätzung verdeutlichte einen Zielkonflikt zwischen einer beschäftigungsfreundlichen Ausgestaltung des Betriebskonzeptes und bestehenden betriebswirtschaftlichen Erfordernissen, die jedoch unbedingte Voraussetzung sind. Im Ergebnis können mehrheitlich nur - auch bei tariflicher Entlohnung - nicht Existenz sichernde Teilzeitarbeitsverhältnisse geschaffen werden. Vollzeitarbeitsverhältnisse wären nur möglich, wenn die Betreibergesellschaft auf weiteren Geschäftsfeldern tätig wäre, in denen die Beschäftigten nach stundenweisem Einsatz bei der Güterstraßenbahn zusätzlich integriert wären - wie im Falle der Erfurter Verkehrsbetriebe (EVAG), die die StraßenbahnfahrerInnen stundenweise für die Güterstraßenbahn und ansonsten im ÖPNV einsetzen könnte. Die Akzeptanzanalyse ergab positive Resonanz bei der Bevölkerung und im Einzelhandel und Dienstleistungsgewerbe, wenn auch dort einige Folgeprobleme zu erwarten sind. Bei den entscheidenden Kooperationspartnern, den Transportunternehmen und der EVAG, stieß die Projektidee dagegen kaum auf Akzeptanz. Zur potentiellen Umweltentlastung: In ExpertInnengesprächen wurde bestätigt, dass eine Minderung des KFZ gebundenen Wirtschaftsverkehrs, v.a. des LKW-Verkehrs, für die Wohn- und Einkaufsattraktivität der Erfurter Innenstadt sinnvoll sei. Insbesondere FußgängerInnen würden durch LKW-Verkehr behindert, was durch eine schriftliche Befragung bestätigt wurde. Eine maßgebliche Minderung der vom Lieferverkehr erzeugten Emissionen ist jedoch nicht anzunehmen, da die Transportkapazität im entwickelten Minimalkonzept lediglich dem Liefervolumen von 2 - 3 Kraftfahrzeugen entspricht. Zum Arbeits-, Zeit- und Kostenplan: Der Arbeits- und Zeitplan wurde im Wesentlichen eingehalten. Einige Arbeitsschritte wurden zeitlich versetzt, so wurde die Erarbeitung des Betriebskonzeptes und der Akzeptanzanalyse vorgezogen und zeitlich gestreckt, die Beschäftigungsfolgenabschät-zung erfolgte in einem nach hinten verlagerten Zeitraum. Methodische Modifikationen im Arbeitsfeld Akzeptanzuntersuchung wurden nach Absprache vorgenommen. Zwei Aufgaben stießen auf Probleme: Interviews mit Beschäftigten von Transportunternehmen konnten wegen fehlender Zugangsmöglichkeiten nicht geführt werden und die Durchführung öffentlicher Veranstaltungen musste wegen sehr geringer Teilnahme auf eine reduziert werden. Die Kosten für das Projekt liegen im Wesentlichen im geplanten Bereich. Der Planansatz wurde um ca. 1.580 DM überschritten, was hauptsächlich auf die tarifliche Entwicklung bei den Personalkosten zurückzuführen ist.
Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation
Für die ExpertInnengespräche und zur Präsentation auf thematisch verwandten öffentlichen Veranstaltungen wurde Informationsmaterial erstellt sowie das Projekt auf Veranstaltungen der Stadt Erfurt im Rahmen der Lokalen Agenda 21 vorgestellt. Auf einer eigenen Veranstaltung wurde das Projekt näher erläutert. In einer Regionalzeitung erschien ein Artikel zum Projekt aufgrund eines gegebenen Interviews. Ein ausführlicher selbst erarbeiteter Artikel wurde in der Fachzeitschrift Der Nahverkehr abgedruckt. Geplant ist die Veröffentlichung der Studie sowie ein Workshop mit ParteienvertreterInnen, um die Projektergebnisse auch auf der politischen Ebene zu diskutieren.
Fazit
Der Einsatz einer Güterstraßenbahn für den innerstädtischen Verteilverkehr in Erfurt ist technisch und organisatorisch machbar, würde derzeit jedoch an fehlender Wirtschaftlichkeit und Akzeptanz scheitern. Zu diskutieren wäre, ob diese Hinderungsgründe ggf. durch politische Angebote und Rahmenbedingungen sowie durch Modifizierung des Projektansatzes verändert werden könnten (z.B. Straßenbahntransporte als Teil eines um-fassenderen City-Logistik-Konzeptes).
Fördersumme
34.127,71 €
Förderzeitraum
01.10.1999 - 12.12.2000
Bundesland
Thüringen
Schlagwörter
Klimaschutz
Ressourcenschonung
Umweltforschung
Umwelttechnik