Bauliche Optimierung eines ökologischen Kindergartens in Gera-Lusan (Thüringen)
Projektdurchführung
Kath. Pfarrei Hl. Maximilian Kolbe
Otto-Rothe-Str. 43
07549 Gera
Zielsetzung und Anlass des Vorhabens
Die katholische Gemeinde Hl. Maximilian Kolbe in Gera-Lusan plante auf ihrem Gelände den Neubau einer ökologischen Kindertagesstätte für ca. 60 Kinder. Das Gebäude dieser Kindertagesstätte sollte angesichts der sozialen und Umweltprobleme der Satellitenstadt Lusan Signal für die Kinder und das Bewahren der Schöpfung setzen. Die Vernetzung mit dem Gemeindezentrum und dem angegliederten Seniorenheim bot die Voraussetzung für ein generationsübergreifendes, umweltpädagogisches Gesamtkonzept.
Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten Methoden1. Errichtung eines dreidimensional gewölbten Gebäudes im Niedrigenergieniveau und mit natürlicher Baustoffwahl. Die Schalenkonstruktion orientiert sich an den Formen eines Vorbildes aus der Natur, des Nautilus - ein lebendes Fossil - und symbolisiert wichtige Werte der Geborgenheit, Beständigkeit, Phantasie und Kreativität.
2. Die dreidimensionale, gekrümmte Schalenkonstruktion entlang des spiralischen Grundrisses verlangte Verknüpfungen traditioneller und moderner ökologischer Bauweisen (Fachwerkbau, Holzständer- und Holzrahmenbauweise, Lehmbau) mit Neuentwicklungen für Detaillösungen im Niedrigenergieniveau.
3. Das Energiesparkonzept war vom verbesserten Wärmeschutz des Baukörpers ausgehend bis hin zur Betriebswirtschaft der Heizung, Sanitäreinrichtung und Elektroenergienutzung komplex zu betrachten.
4. Mit dem Bau begann eine komplexe umweltorientierte Erziehungsarbeit.
5. Der Neubau der Kindertagesstätte war der Beginn einer komplexen naturgemäßen Umgestaltung der vorhandenen Strukturen und des Geländes der Gemeinde und des Seniorenheimes.
6. Alle Vorhabensergebnisse waren zu dokumentieren und einer weiten Öffentlichkeit zu verbreiten.
Ergebnisse und Diskussion
Am Rande der Plattenbausiedlung Gera-Lusan wurde der ökologische Kindergarten PERLBOOT als deutlicher Kontrapunkt zu allen Problemfeldern der Stahlbeton-Fertigteil-Bauweise der Satellitenstadt und als Signal für den christlichen Bewahrungsauftrag für das Leben und die Bewahrung der Schöpfung erbaut.Die Harmonie von Inhalt und Form ERLEBEN - MITLEBEN - WEITERLEBEN findet architektonische Widerspiegelung durch die sich nach außen öffnende Spirale als Grundrisslösung, die von innen nach außen strebende strahlenförmige Schalenkonstruktion, das sich nach oben öffnende Atrium als meditatives Zentrum und die Brücke als Schwelle und Verbindung zur Außenwelt.
Bei der Auswahl der Baustoffe wurde auf natürliche Materialien geachtet. Die tragenden Elemente sind aus Holzfachwerk und unbehandelten Fichtenstämmen errichtet. Das Dach des Kindergartens wurde als Gründachschale über gewölbten, strahlenförmigen Leimholz-Trägern realisiert. Auf chemische Holzschutzmittel wurde verzichtet. Die Verkleidung der gewölbten Außenwand-Evolventen erfolgten von der Wetterseite her mit Holzschindeln.
Das sichtbare Holzfachwerk wurde in verschiedensten Lehmbauweisen kreativ gestaltend ausgefacht. Alle Innenwände wurden mit Lehm in Verbindung mit Schilfrohr als Trägermaterial verputzt. Zur Wärmedämmung wurde Isofloc, ein Dämmmaterial auf der Basis von Altpapier, eingesetzt. Für die Fußbodendämmung wurden gesammelte Flaschenkorken und recyceltes Perlite-Granulat verwendet.
Durch die optimierte Dämmung wird der Niedrigenergiehaus-Standard problemlos erfüllt. Die Dichtigkeit des Gebäudes wurde mit dem sogenannten Blower Door Test geprüft. Um Kältebrücken zu verhindern, wurde das Haus mit einer Infrarotkamera untersucht.
Die Heizung erfolgt mittels Fernwärme aus zentraler Kraft-Wärme-Kopplung auf Erdgasbasis in Kombination mit umweltneutraler Biomasse-Nutzung in einem Holzofen auf Hypokaustenbasis. Die massiven Lehmwände sorgen für einen Temperaturausgleich.
In der Kindertagesstätte kommen Energiesparlampen und Wasser sparende Armaturen zum Einsatz. Zur Toilettenspülung wird gespeichertes Regenwasser genutzt.
Eng verknüpft mit der handwerklich orientierten ökologischen Bildungsarbeit beim Bauen war die direkte Sensibilisierung der Gemeinde für Umweltprobleme und die umweltpädagogische Ausbildung der Kindergärtnerinnen. Als Kooperationspartner konnte die Erziehungswissenschaftliche Fakultät der Pädagogischen Hochschule Erfurt, Arbeitsstelle Umwelterziehung, gewonnen werden. Eine weitere Umsetzung des ökologischen Gesamtkonzeptes erfuhr das Projekt mit der Durchführung der umweltpädagogischen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen Ökologischer Lernpfad und Verbesserung des Wohnumfeldes in Lusan und Schaffung integrativer Lebensräume.
Eine schrittweise Ressourcen schonende Umgestaltung vorhandener Strukturen in der Gemeinde und im Seniorenheim hat begonnen und wird in Kooperation mit dem Geraer Umweltamt weitergeführt.
Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation
Viele Publikationen der örtlichen Presse sensibilisierten Neugierige und Fach-Interessierte und zogen sie auf die Baustelle. Dadurch werden Führungen und Tage der offenen Tür durch das PERLBOOT von der Bauphase an nach wie vor durchgeführt.
Mit ihrem maßstäblich gebauten Modell ist die Kindertagesstätte PERLBOOT zu Ausstellungen zum Thema Ökologisch Bauen - gesund wohnen und leben in Gera und Umgebung ständig unterwegs.
Das Bauwerk und sein umweltrelevanter Anspruch ans Bauen war zu Baumessen Ausstellungsgegenstand: Baufach-Messe 1999 in Leipzig, Konthura-Baufachmesse für Ostthüringen 2000. Das Bauwerk beteiligte sich am Thüringer Holzbaupreis 1999 und erhielt für seine einzigartige ökologische Bauweise und sein umweltpädagogisches Konzept der Umweltpreis 2000 der Stadt Gera.
Veröffentlichungen erfolgten in der Fachpresse (Architektur, Holzbau, Ökolog. Bauen, Baubiologie). Fachvorträge und Führungen mit zunehmend internationalem Interesse sind von Architektur- und Pädagogikstudenten für das Jahr 2001 vorgemerkt.
Fazit
Die Idee des Neubaus einer ganzheitlichen Kindertagesstätte, gebaut nach dem christlichen Grundsatz der Bewahrung der Schöpfung, konnte mit dem Bau der ökologischen Kindertagesstätte PERLBOOT und der integrierten natürlichen Umgestaltung eines Gesamtgeländes verwirklicht werden. Es entstand ein innovatives Modellprojekt in Harmonie mit seiner Umwelt.
Der eigenwillige und einmalige Bau in Gera-Lusan verkörpert die beispielhafte Verbindung von Architektur und Ökologie ... (Zitat der Tagespresse im Juli 2000 zum Umweltpreis der Stadt Gera).
Fördersumme
281.210,53 €
Förderzeitraum
13.02.1997 - 21.03.2001
Bundesland
Thüringen
Schlagwörter
Klimaschutz
Ressourcenschonung
Umweltforschung
Umweltkommunikation
Umwelttechnik