Innovatives biotechnologisches Verfahren zur gesundheits- und umweltfreundlichen Abnahme von Casein-Überzügen auf Wandmalereien an ausgewählten Kulturgütern Niedersachsens
Projektdurchführung
Leibniz Universität HannoverZentrum Angewandte ChemieInstitut für Technische Chemie
Callinstr. 5
30167 Hannover
Zielsetzung und Anlass des Vorhabens
Freilegung und Restaurierung historischer Wandmalereien haben seit Mitte des 19. Jahrhunderts zur Rückgewinnung vieler bedeutender Kulturdenkmale geführt. Es muß als tragisch gelten, daß dabei auch Mittel angewendet wurden, deren Wirkungs- und Langzeitverhalten oft nicht hinlänglich bekannt waren. Besondere Probleme sind mit der Fixierung von Wandmalereien mit Casein verbunden, wie sie bis in die jüngste Vergangenheit üblich war. Als Folge treten über kurz oder lang erhebliche Schäden auf, die zum Verlust der gesamten Malerei führen können.
Bislang gelang es nicht, diese Caseinüberzüge ohne erhebliche Beeinträchtigung der originalen künstlerischen Substanz zu entfernen. Durch die geplante Entwicklung eines kontrollierbaren Einsatzes von Enzymen zur Reduzierung der Caseinate bedeutet vor allem für die Anwender unter Beachtung allgemeingültiger Arbeitsplatzvorschriften eine unbedenkliche Anwendung der Materialien, da Enzyme nicht toxisch sind und insbesondere in der immobilisierten Form keinerlei schädigende Auswirkung auf den Anwender haben.
Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenEnzymatische Verfahren zur definierten Caseinzersetzung sollen entwickelt werden. Dabei werden zuerst die effektivsten Enzyme ausgewählt und dann auf Membranen immobilisiert. Durch eine kontrollierte Durchspülung der Membranen sollen die Abbauprodukte abtransportiert und eine weitgehende Steuerung der Abbauparameter erreicht werden. Ein Caseinabbau erfolgt nur solange die Membranen mit der Caseinschicht in Kontakt stehen. Über eine zu entwickelnde integrierte, aber nichtinvasive Analyseneinheit soll die Effizienz des Abbaus überwacht werden.
Die Gefahren eines mikrobiellen Befalls werden eingehend getestet. Die gesamte zu entwickelnde Technik soll in enger Zusammenarbeit mit Restaurationsbetrieben erst an Testplatten und später erst an realen Objekten erprobt werden.
Eine leicht einsetz- und erlernbare Methode soll entwickelt werden, die die definierte enzymatische Abnahme der Caseinschichten ermöglicht und keine Belastung von Umwelt oder Personal mit sich bringt. Durch den Aufbau und die Pflege einer Datenbank und durch gezielte Unterweisung von Betrieben sollen die Ergebnisse der Arbeit verbreitet werden.
Ergebnisse und Diskussion
Als für die enzymatische Anwendung geeigneteste Kombination aus Protease und Immobilisierungsträger wurden die Alkalase 2,5 DX L (Fa. Novo Nordisk) auf epoxidfunktionalisierten Trägermembranen (Typ 18706 CJ 56 0,45 µm, Fa. Sartorius) ermittelt, mit denen sich hervorragende Abbauresultate von Casein-lösungen gerade im nötigen alkalischen Medium ergaben. Die kontrollierte Oberflächenanwendung dieser Immobilisate wurde mit Hilfe eines entwickelten pufferdurchströmten Membran-Stempelkissen erreicht, dass neben reproduzierbarem, gleichmäßigem Oberflächenkontakt, auch eine Kontrolle von Feuchtigkeitseintrag, pH, T, tR und der Pufferzusammensetzung des Trägerstromes ermöglichte. Darüber hinaus konnte durch den Pufferträgerstrom ein Abtransport der in Lösung vorliegenden Abbaufragmente des Caseins erreicht werden, so daß keine Nährsubstrate für eine spätere Besiedelung von Mikroorganismen zurückblieben. Die als Standardanalytik für den Caseinabbau etablierte 2D-Fluoreszenzspektroskopie konnte mit Hilfe von Lichtleitertechnik, Messstutzen zur Abschirmung des Tageslichtes und Versuchen an Kalkputzprobeplatten zur Oberflächenanalytik transferiert werden. Es zeigen sich starke Abhängigkeiten der Fluoreszenzintensitäten von den Eigenschaften der Pigmentierung (Absorption, Reflexion und Lichtstreuung) und der Verbindung, mit der das aufgetragene Casein aufgeschlossen wurde ((NH4)2CO3; Ca-CO3), da anwesende Ca2+-Kationen die Micellenbildung von Caseinen initiieren. Keinen Einfluss auf die Intensität haben hingegen die verschiedenen Festigersubstanzen, die für einen Einsatz getestet wurden. Objektmessungen belegen die Nachweisbarkeit des Caseins an den Wandmalereien, zahlreiche Einflüsse, wie Salzausblühungen oder mikrobieller Bewuchs, erschweren jedoch die Anwendung. Biozidzusätze (1% (v/v) BAC) oder kurzfristiges Einweichen vermindern aber diese Probleme effektiv, so dass die Methode erfolgreich angewendet werden kann. Die als begleitende Analytik gewählte RP-HPLC belegt eine Freisetzung von Aminosäuren während des enzymatischen Caseinabbaus erst nach über 24 Stunden; eine Bestimmung von Abbauprodukten zu früheren Abbauzeitpunkten gelingt nur mit Hilfe einer Applikation zum Nachweis von Peptidfragmenten. Ausgewählte Peptidfragmente konnten mit Hilfe eines Fraktionssammlers isoliert werden und durch die MALDI-MS identifiziert werden. So wurden weitere wichtige Details des Abbaumechanismus der enzymatischen Caseinzersetzung erarbeitet.
Die mikrobielle Besiedelung der Testobjekte Wienhausen und Wildeshausen wurde anhand von Proben analysiert, wobei vor allem gram positive Bakterien der Gattungen Micrococcus und Nocardia am Objekt Wienhausen gefunden wurden. Diese rötlich gefärbten Bakterien sind Eubakterien, im Gegensatz zu den am Objekt Wildeshausen gefundenen rosa Stämme, die den Archaebakterien zuzuordnen sind. Außerdem wurde an beiden Objekten eine Besiedelung mit Pilzen, wie Penicillium festgestellt. REM-Aufnahmen der Proben vom Objekt Wienhausen zeigen, dass eine starke Salzbelastung mit Ausblühungen vorliegt. Durch die den enzymatischen Abbau flankierenden Untersuchungen konnten verschiedene Vorgaben des Prozesses erarbeitet werden, so der geeignete Biozideinsatz oder die Sterilitätsvorschriften. Der positive Effekt der enzymatischen Abnahmemethode für eine vorhandene oder folgende Oberflächenbesiedelung durch Mikroorganismen konnte gezeigt werden.
Abbauuntersuchungen an den Objekten zeigen aus restauratorischer Sicht kein einheitliches Verhalten der Wandmalereioberfläche auf die enzymatische Anwendung. Meistens ist eine deutliche Aufhellung der Messbereiche und eine effektive Ausdünnung der Caseinschicht durch die Anwendung festzustellen. Bereiche, in denen caseingebundene Pigmente vorliegen, beginnen nach kurzer Abbauzeit zu pudern, lassen sich bei kontrolliertem Einsatz aber soweit bearbeiten, dass die Caseinspannungen der Oberfläche herabgesetzt werden. Eine projektbezogene Datenbank wurde aufgebaut und laufend präzisiert. Des weiteren wurde ein Thesaurus in deutsch/englisch erstellt.
Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation
Biologie in unserer Zeit, 5/2000, 30. Jahrgang, 09/2000, S. 283 ff
Hannoversche Allgemeine Zeitung, 19.07.2000, Nr. 166
Öffentliches Abschlusskolloquium Caseinprojekt Di., 21.11.2000, 10-16 h
Fazit
Die enzymatische Abnahmemethode empfiehlt sich bei genauer Kenntnis des Oberflächenstatus und Schadensbildes zur Entfernung der schädigenden Überzüge an den Objekten und ist anderen Methoden aufgrund der Effektivität, aber auch wegen der Steuerungs- und Kontrollmöglichkeiten des Abbauprozesses stets vorzuziehen. Für einen Einsatz durch Restauratoren müssen allerdings die Laborgeräte in eine stark verkleinerte und vereinfachte Nutzapparatur umgewandelt werden. Die Erkenntnisse des Projektes sollten interessierten Anwendern in Seminaren, wie dem öffentlichen Abschlusskolloquium vermittelt werden, die auch eine Einweisung in die Anwendung der Abnahmemethode beinhalten sollte.
Fördersumme
418.748,05 €
Förderzeitraum
01.08.1997 - 20.02.2001
Bundesland
Niedersachsen
Schlagwörter
Klimaschutz
Umweltforschung
Umwelttechnik