Rohrkolbenanbau in Niedermooren – Integration von Rohstoffgewinnung, Wasserreinigung und Moorschutz zu einem nachhaltigen Nutzungskonzept
Projektdurchführung
Technische Universität München
Lehrstuhl für Vegetationsökologie
Am Hochanger 6
85350 Freising
Zielsetzung und Anlass des Vorhabens
Die intensive landwirtschaftliche Nutzung von Grundwassermooren (insbesondere Ackerbau) führt langfristig zum Verlust des Torfkörpers. Damit verbunden ist die Belastung von Grund- und Oberflächengewässern mit überschüssigen Nährstoffen sowie der Atmosphäre mit klimawirksamen Gasen (Kohlendioxid, Lachgas). Mit der Kultivierung von Rohrkolben (Typha latifolia, T. angustifolia) in überfluteten Poldern soll deshalb versucht werden, 1. die genannten Belastungen weitestgehend zu reduzieren, 2. stattdessen Torfbildungsprozesse in Gang zu setzen und damit die Funktion von Grundwassermooren als Stoffsenken im Landschaftshaushalt zu aktivieren, 3. einen Beitrag zur Reinigung von belasteten Fließgewässern zu leisten, 4. Retentionsräume für Überschusswasser bereitzustellen und 5. mit einem nachwachsenden Rohstoff (geeignet zur Herstellung von Dämmmaterial im Baugewerbe) eine mögliche Alternative für die Landnutzung in Niederungslandschaften bereitzustellen.
Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenIn Süddeutschlands größtem geschlossenem Niedermoorgebiet, dem Donaumoos bei Ingolstadt, wurden 1998 drei Demonstrationsflächen (insges. 8 ha) angelegt und mit Rohrkolben bepflanzt. Die Flächen werden mit nährstoffbelastetem Wasser aus Entwässerungsgräben beschickt. Es wird ein ganzjähriger Überstau mit unterschiedlichen Wasserständen angestrebt. Die Flächen sind mit Erddämmen umwallt, so dass sie bei Hochwassersituationen als Retentionsbereich dienen können. Die erste Beerntung der Rohrkolbenfelder wurde im Winter 1999/2000 durchgeführt.Folgende Arbeitsschritte und Untersuchungsmethoden kommen zur Anwendung: a) Anlage und Stabilisierung der Rohrkolbenbestände: Prüfung unterschiedlicher Etablierungsmethoden (Ansaat, Pflanzung, ungestörte Entwicklung), Erfassung der Bestandesentwicklung über populationsökologische Untersuchungen, Erfassung von Schadorganismen und Stechmücken. b) Industrielle Verwertbarkeit als Rohstoff für die Herstellung von Dämmstoffen: Die Untersuchungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Erntetechnik, Verarbeitung und Vertrieb. c) Eignung eines degradierten Niedermoores für die Torfbildung nach Wiedervernässung und somit als Stoffsenke für Kohlenstoff und Stickstoff: Die Zersetzungsdynamik der Rohrkolbenbestände sowie die Freisetzung und Aufnahme der klimarelevanten Spurengase CO2, N2O und CH4 werden in Freiland und Labor erfasst (Abschätzung des global warming effect). d) Eig-nung als Filtersystem für Schadstoffe und Sedimente in Gewässern: Erfassung der Wasserzu- und -ablaufmengen, qualitative Wasseruntersuchung, sowie Untersuchung der Abbauleistung bzw. Stofffestlegung von flach eingestauten Röhrichtfeldern.
Ergebnisse und Diskussion
Rohstoffproduktion und -verwertung
Die Etablierung von Rohrkolbenbeständen in degradierten Niedermooren (Bestandesaufbau, Stauhaltung und Erntetechnik) bereitet aus produktionstechnischer Sicht keine Probleme.
Das geerntete Pflanzenmaterial konnte zum größten Teil zu Dämmmaterial (Schütt- und Einblasdämmstoff) verarbeitet werden. Nahezu die gesamte im Winter 2000/2001 geerntete Rohstoffmenge (1.500 m3) wurde für diesen Zweck aufbereitet. In weiteren Produktionsschritten soll daraus ein vermarktungsfähiger Einblasdämmstoff hergestellt werden, dem sehr gute Absatzchancen eingeräumt werden.
Wiedervernässung/Wasserretention
Die Simulation eines niedermoortypischen Wasserregimes konnte verwirklicht werden; ebenso die permanente Wasserbeschickung. Somit wurde ein Vernässungssystem etabliert, das dem Modell eines macrophyte-based system with surface-flow (Flachklärteichverfahren mit permanentem Durchfluss) entspricht. Für den Gesamtnaturraum Donaumoos liegt inzwischen ein wasserwirtschaftliches Konzept (Entwicklungskonzept Donaumoos 2000-2030) vor, das das Rückhaltevolumen bei Hochwasser verbessert. Dabei lieferten die Ergebnisse des DBU-Projektes wertvolle Hinweise für die Ausgestaltung der geplanten Retentionsbereiche. In den nächsten Jahren werden Stauräume für insgesamt 6,5 Mio. m3 Wasser geschaffen.
Verminderung von Stoffverlusten
Die Rohrkolbenfelder konnten permanent mit Wasser beschickt werden. Somit konnten Effekte, wie verstärkte Lachgasemissionen bei fluktuierenden Wasserständen, vermieden werden. Unter Berücksichtigung von Feld- und Laboruntersuchungen kann davon ausgegangen werden, dass das Ziel die Belastung von Atmosphäre und Grundwasser durch umweltrelevante Stoffe zu minimieren, erreicht werden konnte. Um den Systemwechsel von einer Kohlendioxid- und Lachgasquelle zu einer Methanquelle infolge der Wiedervernässung zu optimieren (d.h. die Methanemissionen zu reduzieren), muss bei zukünftigen Maßnahmen das Wassermanagement modifiziert werden. Dabei ist größter Wert darauf zu legen, den Sauerstoffgehalt in den vernässten Flächen so hoch zu halten, dass die Methanogenese nur in reduziertem Umfang ablaufen kann.
Niedermoorrenaturierung
Ein weiteres Ziel des Projektes war die Erhöhung der Funktionsfähigkeit des gesamten Lebensraumes. Obwohl aus produktionstechnischer Sicht ein möglichst hoher Rohstoffertrag und damit ein möglichst geschlossener Rohrkolbenbestand angestrebt wurde, bieten die künstlich angelegten Rohrkolbenfelder genügend Raum für typische und seltene Arten der Feuchtgebiete. Durch die Einbeziehung von Spukzessionsflächen sowie durch natürliche und erntebedingte Fluktuationen der Bestandesdichte wird der Habitatwert der Feuchtflächen erhöht. So werden sie inzwischen für Wasservögel als regional bedeutsam eingestuft. Auch andere Tiergruppen, die auf permanente Wasserflächen angewiesen sind (z.B. Libellen und Amphibien) finden wertvolle Rückzugsgebiete in der Agrarlandschaft.
Reinigung belasteter Gewässer
Die Funktion der Rohrkolbenfelder als Pflanzenkläranlagen oder Nährstofffallen konnte nachgewiesen werden. Sowohl die anorganische als auch die organische Belastung des eingeleiteten Wassers konnte wirksam reduziert werden. Die Ergebnisse lassen jedoch erkennen, dass - falls das zufließende Wasser länger in der Fläche verbleibt als für eine Denitrifikation notwendig ist - das wiedervernässte Niedermoor von der Nährstoffsenke zu einer Nährstoffquelle für Norg, NH4-N und Phosphor wird. Außerdem sind Untergrenzen der Beaufschlagungsmenge einzuhalten, um Rücklösungsvorgänge aus dem Substrat zu vermeiden.
Nachhaltige Landbewirtschaftung
Die Wiedervernässung in Form eines überstauten Durchflusssystems ist mit einer nachhaltigen Nutzung von degradierten Niedermoorflächen in Einklang zu bringen. Darüber hinaus müssen aber eine ganze Reihe von Aspekten des Flächen- und Wassermanagements beachtet werden, um die angestrebte Senkenfunktion des wiedernässten Systems gewährleisten zu können. Die Entwicklung von Leitbildern für die künftige Gestaltung von Niedermoorlandschaften konnte maßgeblich weiterentwickelt werden. Sie fand Niederschlag bei der Konzipierung des Entwicklungskonzeptes Donaumoos 2000-2030. Das Landnutzungskonzept zum Rohrkolbenanbau steht in Übereinstimmung mit den Kernpunkten des Konzeptes: Hochwasserschutz, Torfkörperschutz, landwirtschaftliche Nutzung sowie Arten- und Biotopschutz.
Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation
Zahlreiche Veröffentlichungen in Fachzeitschriften und Tagespresse. Berichte in Funk und Fernsehen.
Präsentation des Projektes in der Farbbroschüre: Multitalent Rohrkolben - Ökologie, Forschung, Verwertung.
Fördersumme
975.651,26 €
Förderzeitraum
01.01.1998 - 30.06.2001
Bundesland
Bayern
Schlagwörter
Klimaschutz
Landnutzung
Naturschutz
Ressourcenschonung
Umweltforschung
Umwelttechnik