Projekt 09567/01

Untersuchung der Funktionstüchtigkeit von Aufstiegshilfen für Fische und wirbellose Organismen und Auswirkungen der Reaktivierung einer Wasserkraftanlage auf das angrenzende Ökosystem

Projektdurchführung

Bauhaus-Universität WeimarInstitut für WasserwesenHydrolabor Schleusingen
Themarer Str. 16 c
98553 Schleusingen

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Bisher ist Energieerzeugung in der Regel mit hohem CO2-Ausstoß oder der Entstehung radioaktiver Abfälle verbunden. Das Interesse an regenerativen Energiequellen zum Schutz von Mensch und Umwelt ist deutlich angestiegen. Neben Sonnen- und Windenergie wird vielerorts wieder die Wasserkraftnutzung betrieben. Oft werden bestehende Kleinwasserkraftanlagen rekonstruiert und einer Nutzung zugeführt. Da Wehre eine Unterbrechung der Fließwasserökosysteme darstellen, sollen Fischaufstiegshilfen die Wanderung aquatischer Organismen gewährleisten. Häufig werden Funktionskontrollen der erbauten Aufstiegsanlagen für Fische und wirbellose Organismen unterlassen. Am Beispiel der Reaktivierung der Wasserkraftanlage in Jägersdorf (Saale/Thüringen) soll die Funktionstüchtigkeit der Aufstiegshilfen und die Entwicklung des angrenzenden Ökosystems untersucht werden. Weitere von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt geförderte Wasserkraftanlagen werden in die Untersuchungen einbezogen.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenMittels saisonaler Aufstiegszählungen (ein Jahr lang in monatlichen Abständen für jeweils fünf Tage) soll die Funktionstüchtigkeit der Aufstiegshilfen untersucht und die Hauptwanderzeit der einheimischen Fische ermittelt werden. Die Wanderaktivität der Makroinvertebraten (wirbellose Organismen) soll mit Kastenreusen beobachtet werden. Zur Hauptwanderzeit der Fische, die aus den obigen Untersuchungen hervorgeht, ist eine intensive Aufstiegszählung (ca. 6 Wochen) mit täglichen Zählungen geplant. Eine Einschätzung der Fischfauna durch Elektrobefischung im Bereich der Anlage soll die Beurteilung der Aufstiegszählungen ermöglichen. Zur Einschätzung der Funktionstüchtigkeit werden abiotische Parameter wie Temperatur, Sauerstoffgehalt, pH-Wert, Fließgeschwindigkeiten sowie Strömungs- und Abflussverhältnisse in den Fischrampen erfasst. Weiterhin soll untersucht werden, ob ein Abstieg der Fische über die Fischrampen möglich ist und ob turbinenbedingte Verletzungen bei den Fischen auftreten. Des Weiteren soll die Stabilität der Aufstiegshilfen, das angrenzende Ökosystem und die Entwicklung der geplanten Ausgleichsmaßnahmen untersucht und fotografisch dokumentiert werden. Ergänzend zu den Freilanduntersuchungen sollen in einem Modellgerinne div. Einflussgrößen, wie Sohlsubstrat, Gefälle, Gerinnemorphologie, Strömungs- und Abflussverhältnisse, variiert und deren Auswirkungen auf das Wanderverhalten von Makroinvertebraten untersucht werden.


Ergebnisse und Diskussion

Das Projekt umfasst die Untersuchung von insgesamt vier Kleinwasserkraftanlagen in Thüringen: Einhausen/Werra, Tiefenort/Werra, Jägersdorf/Saale und Mattstedt/Ilm. Neben einer Projektausweitung waren Baumaßnahmen, Bauverzögerungen und Hochwasserereignisse dafür verantwortlich, dass die Projektdauer von 2 auf über 4 Jahre ausgeweitet wurde. Defekte oder anderweitig nicht optimal funktionierende Fischaufstiegsanlagen erforderten Schwerpunktverlagerungen zwischen den Teilprojekten. Nicht erfolgte Ausgleichsmaßnahmen an der Wasserkraftanlage Einhausen und Brückenbauarbeiten verhinderten hier die geplante Untersuchung des angrenzenden Ökosystems. Statt dessen erfolgten detaillierte Aufnahmen der kritisch einzuschätzenden konstruktiven und hydraulischen Parameter an der Fischaufstiegsanlage. Verschiedene Varianten zur Behebung der Mängel wurden ausgearbeitet. Selbiges erfolgte an den Fischpässen in Mattstedt, deren Bauausführung von den Konstruktionsvorgaben abwich. Die Ergebnisse zeigen, dass das Einhalten der Parametervorgaben des DVWK-Merkblattes zur Wasserwirtschaft 232 für die Funktion von Fischaufstiegsanlagen eine wichtige Voraussetzung darstellt. Die geforderten maximalen Wasserspiegeldifferenzen und Strömungsgeschwindigkeiten zwischen den Becken spielen dabei eine Schlüsselrolle. Anlagen, die diesbezüglich Mängel aufweisen, können generell nicht als komplett funktionsfähig eingestuft werden und sollten entsprechend korrigiert werden. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Leit- bzw. Lockströmung. Sie führt die Fische an die Fischaufstiegsanlage heran. Durch Untersuchungen der Leitströmung wurde deutlich, dass Ausleitungskraftwerke zwei Fischaufstiegsanlagen benötigen, eine im Mutterbett zur Umgehung des Wehres und eine im Mühlgraben (Werkgraben) zur Umgehung der Turbine bzw. Mühle.
Für die Wanderung und Besiedlung der Makrozoobenthos-Organismen ist die Rauhigkeit des Bodensubstrats ausschlaggebend. Dieses sorgt für langsamere Strömungsgeschwindigkeiten im Bodenbereich und bietet wichtige Lebensraumstrukturen. In Laboruntersuchungen konnte gezeigt werden, dass auf glattem Beton die an Fließgewässer angepassten Tiere abgedriftet wurden. Somit stellen Bereiche aus reinem Beton in Fischaufstiegsanlagen Wanderhindernisse für diese Organismengruppe dar. Dagegen bietet natürliches Substrat, verbunden mit einem heterogenen Strömungsmuster, Lebensraum für verschiedene Wirbellose-Arten.
Aus den Fischaufstiegsuntersuchungen ergaben sich zwei Hauptwanderzeiträume für Fische, die vorwiegend durch die Wassertemperatur beeinflusst wurden. Im Frühjahr dominierte die große Artengruppe der Karpfenfische (Cyprinidae), während im Herbst die Lachsfische (Salmonidae) ein Wandermaximum aufwiesen. Durch gezielte Aufstiegskontrollen, abhängig vom Arteninventar des jeweiligen Gewässers, könnte der Untersuchungsaufwand reduziert werden. Funktionskontrollen, die die Makrozoobenthos-Wanderungen und -Besiedlung mit einbeziehen, sind ein wichtiger Bestandteil aller erbauten Fischpässe. Nur sie lassen den Schluss zu, ob eine Aufstiegsanlage voll funktionstüchtig ist. Probleme bei der Durchführung können Hochwasserereignisse und starker Laubfall bereiten.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

VI. Internationale Naturschutztagung, 17.-19.10.97 in Bad Blankenburg:Zimmermann/Görlach: 2 Poster zum Thema Untersuchungen und Funktionskontrollen am Rauhgerinne-Beckenpass an der Wasserkraftanlage Einhausen/Werra.
Exkursion mit Studenten der Bauhaus-Universität an die Wasserkraftanlage in Einhausen.
Zu der Fischaufstiegsanlage in Jägersdorf wurde eine Schautafel errichtet, die vor Ort über Daten und Funktion der Anlage informiert.Veröffentlichung: Zimmermann, U.; Görlach, J. (1999): Fischaufstiegsanlagen in Thüringen - aktuelle Situation und Probleme. - Artenschutzreport (im Druck).


Fazit

Die Untersuchungsergebnisse zeigen, dass der Fischaufstieg mit Hilfe gut funktionierender Aufstiegsanlagen realisierbar ist. Die Funktionalität errichteter Anlagen sollte überprüft und bei negativ ausfallenden Kontrollen korrigiert werden. Eine speziell für Aufstiegsanlagen konzipierte Standardmethode für Makrozoobenthos-Beprobungen konnte im Rahmen dieser Untersuchungen noch nicht entwickelt werden. Zu testen wären normierte Besiedlungskörper, die nach einer bestimmten Expositionsdauer zuverlässige Daten über die Makrozoobenthos-Besiedlung in Fischaufstiegsanlagen liefern. Besonders interessant wäre der Einsatz der von Elser [Els99] entwickelten kombinierten Richtungsfalle (Multidirectional Cage-Trap), die zusätzliche Aussagen über die Wanderrichtungen der Wirbellosen ermöglicht. Noch unzureichend ist ein funktionierender Fischabstieg realisiert. Das vom Hydrolabor Schleusingen bearbeitete Projekt Möglichkeiten der Anwendung und Effektivität verschiedener akustischer Scheucheinrichtungen zum Schutz der Fischfauna vor Turbinenschäden, gefördert von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (AZ 15864), soll hierzu einen Beitrag leisten.

Übersicht

Fördersumme

102.258,38 €

Förderzeitraum

29.11.1995 - 27.11.2001

Bundesland

Thüringen

Schlagwörter

Klimaschutz
Naturschutz
Ressourcenschonung
Umweltforschung
Umwelttechnik