Förderschwerpunkt Bioabfallverwertung: Entwicklung einer neuartigen Prozeßregelung im Rahmen der Vergärung von Bioabfällen
Projektdurchführung
HAW HamburgLabor für Angewandte Mikrobiologie
Lohbrügger Kirchstr. 65
21033 Hamburg
Zielsetzung und Anlass des Vorhabens
Eine energetisch sinnvolle Beseitigung und Verwertung von Bioabfällen und anderen Biomassen ist allgemein erforderlich. Einzig durch den klimaneutralen Prozess der Vergärung ist eine nennenswerte Energieproduktion in diesem Zusammenhang möglich. Da dieser Prozess mikrobiologisch sehr sensibel ist, benötigt er ständig optimale Bedingungen (pH-Wert, Redoxwert, Temperatur, Nährstoffangebot). Um solch optimale Bedingungen betriebssicher zu gewährleisten, sollte im Rahmen des Projektes eine neu-artige online-Prozessregelung entwickelt werden. Ein Bedarf dafür ergibt sich auch durch das stark gestiegene Aufkommen von Vergärungsanlagen, andererseits aus dem bei Betreibern und Anlagenbauern zu beobachtenden Trend zu Quereinsteigern, die eigentlich nicht den notwendigen Erfahrungshorizont besitzen. Dies hat in der Vergangenheit immer wieder zu Ausfällen von Biogasanlagen geführt. Insbesondere kleinere Biogasanlagen können zu problematischen Situationen führen, die wirtschaftlich nur durch ein Experten-Regelsystem gelöst werden können, das es derzeit noch nicht auf dem Markt gibt.
Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenIm 1. Planungsabschnitt des Projektes wurden die theoretischen Grundlagen für eine Fuzzy-Logik Regelstrategie erarbeitet, die im Prinzip eine auf Expertenwissen basierende multivariable Regelung darstellt. Im 2. Planungsabschnitt wurde der Versuchsaufbau für eine vollautomatisch betriebene Triplett Laborversuchsanlage mit 3 parallelen Bioreaktoren zur Vergärung von Feststoffsuspensionen von der HAW Hamburg in Eigenbau realisiert. Dazu gehörte die automatisierte Substratdosierung und die online Erfassung der Prozessparameter Temperatur, pH, Redox, Methan, CO2 und Gasbildungsrate, ferner offline die Bestimmung von kurzkettigen Fettsäuren, Alkoholen, und von Ammonium/Ammoniak, Phosphat, Organik oTS, organ. Beladungsrate OLR, hydraulischer Retentionszeit HRT. Es sollte im Rahmen des Projektes zuerst eine Fermentationsdatengrundlage für prozessrelevante Daten geschaffen werden, um daraufhin mit gesonderten Testfermentationen die bereits vor diesem Projekt in davon unabhängigen Versuchen an der HAW entwickelte Fuzzy Logik-Regelstrategie anzupassen und zu validieren. Die zu diesem Projekt nicht gehörende Vorlaufphase beschäftigte sich mit der schwierigen Vergärung des relativ definierten, aber neuartigen Modellsubstrates Katzenfutter in Dosen, das exemplarisch für Speisereste steht und viel Eiweiß sowie Fett enthält.
Ergebnisse und Diskussion
Die Testfermentationen liefen bei 2 Reaktoren kontinuierlich und ununterbrochen über insgesamt 1.000 Tage, wobei keinerlei Supplemente, wie z.B. Spurenelemente, verwendet wurden. Als Substrat kam hierbei milchsauer vergorene Rübensilage-Mus (Mix aus Rübe und Blatt) mit einem pH-Wert von 3,4 zum Einsatz. Die Fuzzyregelungsperiode erstreckte sich über mehr als 260 Tage, wobei zuvor die Hauptversuchszeit für den Aufbau der Vollautomatik-Triplettanlage und die Testfermentationen zur Bestimmung der optimalen Temperatur und Beladungsrate sowie des Fütterungsmodi verwendet wurde. Da die Silage als Suspension zum Einsatz kam, resultierte aus der OLR bei gegebenem Reaktorvolumen gleichzeitig die HRT. Als Temperaturen wurde 37°C, 45°C, 55°C, 60°C und 65°C getestet und dabei das Abbauverhalten in Abhängigkeit verschiedener Fütterungszyklen pro tag studiert. Zur Charakterisierung des Abbauverhaltens und der Reaktorbelastbarkeit eignete sich insbesonders in Abhängigkeit zur Zeit nach der Fütterung das Verhältnis von dem Fermentationsmetaboliten Essig- zu Propionsäure. Es wurde für eine kurze 3wöchige Periode auch frischer, gesiebter (1 mm) Rübensaft ohne milchsaure Vorhydrolyse verwendet, wobei keine Lag-Phase zu beobachten war.
Im automatischen Fuzzyregelungsmodus wurde mit Intervallbeladung die HRT nach anfänglichen 5 Tagen auf 7,6 Tage mit einer korrespondierenden OLR von 8,7 kg/(m³*d) vorgegeben.[max. stabiler Hochlastbetrieb bei etwa 12-14 kg/(m³*d) und 6,5 Tagen Verweilzeit. Gleichzeitig wurden die Fuzzyregeln optimiert. Auch die Regelfenster, Gewichtungsfaktoren und die Anzahl der in der Fuzzyregelung verknüpf-ten Messgrößen wurden im Laufe von 8 Versionen angepasst. Danach blieb der Stoffumsatz zu Biogas bei der fixierten Verweilzeit von 7,6 d nahezu gleichbleibend bei etwa 97-98% stabil, während die Gasbildungsrate sich auf 5,8 m³/(m³*d) einstellte [max.7,5 m³/(m³*d)]. Die Umsatzrate wurde durch einen Nachgärbehälter überprüft, der lediglich 2-3% mehr Gas erbrachte. Fermentationsprodukte sammelten sich nicht an. Die spezifische Gasbildungsrate bei einem Wert von etwa 0,67 m³/kg Organik (oTS). Dieser Wert sank jedoch bei den max. OLR-Beladungsraten auf etwa 0,55, obgleich sich keine Metabolite anhäuften. Der verwendete Reaktor ohne Einbauten wurde bei jeder Substratzugabe intensiv durchmischt, so dass überschüssige Biomasse abfloss. Dabei kam es natürlicherweise zu einer Kurzschlussströmung, die die verringerten spezifischen Gasbildungsraten erklärt. Während der ersten Fuzzyrege-lungsperiode von 100 Tagen stieg nach vorheriger Verdünnung (zur Verschärfung der Bedingungen) der oTS-Gehalt im Reaktor von 0,6 wieder auf 0,9% an. Der eingesetzte Biomassewert ist insgesamt als sehr niedrig zu bezeichnen. Somit konnte gegenüber der Referenz-Hofanlage mit gleichem Substrat, die eine HRT von 48-57d und eine Gasbildungsrate von 1,1 m³/(m³*d) aufwies, eine Steigerung der Raumzeitausbeute bis um den Faktor 8 erzielt werden, und dies unter betriebssicheren, stabilen Bedingungen. Solch hohe Produktivitäten sind für ein derartiges Substrat und für einen Reaktor ohne Einbauten noch nicht berichtet worden. Bei Übertragung auf die Hofanlage könnte der dortige 450m³ Gärbehälter bei gleicher BHKW-Stromproduktion von 100 kW um den Faktor 7-8 auf 56-65 m³ reduziert werden, d.h. er könnte wie eine Erntemaschine mobil gebaut werden, eine Baugenehmigung wäre erspart und damit gewaltige Investkosten.
Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation
1. Dobler, S., Rohardt, S., Scherer, P.A. (2003) Messdatenerfassung und automatische Dosiereinrichtung von Feststoffen unter LabVIEW für eine hochinstrumentierte Labor-Biogasanlage In: Techni-sche Systeme für Biotechnologie und Umwelt, Tagungsband 11. Heiligenstädter Kolloquium, IBA e.V., Heiligenstadt, S. 297-313.
2. Scherer, P.A., Dobler, S., Rohardt, S., Loock, R., Büttner, B., Nöldeke, P., Brettschuh, A. (2003) Continuous biogas production from fodder beet silage as sole substrate. Water Science & Technol-ogy 48(4): 229-233.
3. Scherer, P.A. , Lehmann, K. (eingereicht) Application of an automatic fuzzy controller to improve the efficiency of an farmer biogas plant by factor 37. Proceedings of the 10th Int. Congress on Anaerobic Digestion, Montreal 2004.
Fazit
Die Projektziele konnten voll und ganz erreicht werden. Voraussetzung war eine vollautomatische Triplett Versuchsanlage für die Vergärung von Feststoffsuspensionen. Die Fuzzy-Logikregelung lässt sich jederzeit bei einem beliebigen Reaktortyp ohne Umbauten nachrüsten und sie kann auch über das Internet mit handelsüblichen PCs erfolgen. Bei der Patentrecherche ergaben sich keine Anhaltspunkte für ein Konkurrenzprodukt. Damit wird der Fuzzyregelung, die einfachen biologisch verwandten Prinzipien gehorcht, eine große Zukunft vorhergesagt, vorausgesetzt, die Zusammenarbeit zwischen erfahrenen Experten aus dem Bereich der ange-wandten Mikrobiologie und Software-orientierten Ingenieuren wird vollzogen.
Fördersumme
160.443,39 €
Förderzeitraum
15.05.2001 - 14.07.2004
Bundesland
Hamburg
Schlagwörter
Klimaschutz
Ressourcenschonung
Umweltforschung
Umwelttechnik