Entwicklung eines Vorsorgekonzepts (Parkpflegeprogramm) zur Bewahrung der umwelt- und nutzungsgeschädigten national wertvollen Parkanlage Kapellenberg in Potsdam (Brandenburg)
Projektdurchführung
Stadtverwaltung der Landeshauptstadt PotsdamBereich Grünflächen
Stephensonstr. 27
14461 Potsdam
Zielsetzung und Anlass des Vorhabens
Der Kapellenberg in Potsdam ist der Parkteil des international einmaligen Denkmals Russische Kolonie Alexandrowka (Unesco Welterbe). Auf dem Kapellenberg steht die Russisch-orthodoxe Kapelle (Schin-kel) und das königliche Teehaus Friedrich Wilhelms III. (Blockhausstil). Die Parkanlage wurde von P. J. Lenné 1826/27 angelegt. Am militärischen Sperrgebiet gelegen leidet die Parkanlage heute schwer unter Wildaufwuchs, mangelhafter Bodendeckung sowie Tritt- und Vibrationsbelastung durch Touristen und Verkehr. Das Problem von verwilderten Parkanlagen besteht in der Abwägung zwischen der Wiederherstellung nach denkmalpflegerischen Aspekten (Rückkehr zur ursprünglichen Form) und dem Eingriff in die Flora, der schwerwiegende Folgen für den Altbaumbestand, die Devastation der leichten märkischen Sandböden und die Fauna nach sich ziehen kann. Andererseits führt der Wildaufwuchs zur Zerstörung der natürlichen Bodenbedeckung und zu Stresserscheinungen am Altbestand.
Ziel des Projektes ist es, ein modellhaftes, langfristiges Parkpflegeprogramm unter Abwägung der denkmalpflegerischen, naturschutzrechtlichen und touristischen Gesichtspunkte zu erstellen.
Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenDas zu erstellende Vorsorgekonzepts (Parkpflegeprogramm) beinhaltet die Quellenrecherche, die Vermessung und Bestandsaufnahme der Flora, Geländeprofile und Wege, die Bestandsbewertung mit Erarbeitung von Leitbildern für die zukünftige Gestaltung und die Erarbeitung einer langfristigen Zeit- und Maßnahmekonzeption mit Lösungen/Strategien zur Realisierung der einzelnen Maßnahmen vor Ort. Entgegen dem Zeitgeist erfordern Sanierungen an Parkanlagen behutsame Maßnahmen/ Substanzeingriffe. Das Vorsorgekonzept beinhaltet auch die Auswertung von Negativerfahrungen mit Sanierungen unter Zeit- und Finanzdruck und eine entsprechende Öffentlichkeitsarbeit.
Die Erstellung von Leitbildern und Maßnahmekonzeption setzt die Zusammenarbeit und Abstimmung mit den Denkmalpflege- und Naturschutzbehörden und anderen Betroffenen bereits in der Planungsphase voraus. Diese Aufgabe nimmt der einberufene Projektbeirat wahr, dem alle betroffenen Ämter/Partner angehören und deren Mitglieder aktiv an der Entscheidungsfindung teilnehmen.
Ergebnisse und Diskussion
Der Bereich Grünflächen der Stadtverwaltung Potsdam hatte als Bewilligungsempfänger einen mit der Parkgeschichte der Stadt vertrauten Grünflächenplaner gewählt. Gleichzeitig konnte er Fördermittel des MSWV erwirken, um erste Wiederherstellungsmaßnahmen zu realisieren.
Ausgangspunkt der Planungen waren zwei vorhandene historische Pläne von 1842 und 1846/50 sowie ein aktuelles Luftbild. Die Voruntersuchungen bezogen sich auf die Digitalisierung der ursprünglichen Pläne, die Grundlagenmessungen des Geländes einschließlich der Höhenbestimmung, das Einmessen der Wege und des Baumbestandes, die Aufnahme des Baumbestandes nach Gattung, Art, Vitalität und Wertigkeit, die dendrochronologische Bestimmung des Baumalters an ausgewählten Altbäumen des Be-standes, den Vergleich der vorhandenen historischen Pläne mit dem aktuellen Bestand, Schlussfolgerungen auf natürliche Abgänge von Bäumen und Neuentwicklungen von Baumgruppen, die Prüfung der faunistischen Verhältnisse, das Aktenstudium zur Freiflächen- und Wegegestaltung, ausgewählte Suchgrabungen zu historischen Wegführungen, Wegbreiten, Wegbelägen, die Auswertung historisch und aktuell angewandter Wegbeläge, Entwässerungsrinnen und -technologien mit Schlussfolgerungen auf geeignete Wegebautechnologien und die Auswahl geeigneter Beleuchtung.
Die vom Planer herausgearbeiteten Qualitäten und Defizite der Parkanlage wurden nach Naturhaushalt, Erholungsnutzung, Landschaftsbild, Arten- und Biotopschutz untergliedert. In Verbindung mit der Analyse der historischen Bezüge und Wertigkeiten bilden diese die Grundlage für die Formulierung des Zielkonzeptes für Pflege- und Wiederherstellungsmaßnahmen an der Parkanlage des Kapellenberges.
Aufgabe des Projektbeirates (zusammengesetzt aus 14 Vertretern von Ämtern, Einrichtungen, Vereinen etc.) war es, die Arbeitsschritte und Musterflächen der Planungen kritisch zu begleiten, Konfliktpunkte zu diskutieren und möglichst zu einem Konsens zu führen. Zahlreiche Vor-Ort-Begehungen erwiesen sich als sehr konstruktiv für die Entscheidungsfindung.
Nach ausführlicher Diskussion im Projektbeirat wurde dem Status des Kapellenberges als Gartendenkmal das Schwergewicht eingeräumt, wobei die berechtigten Interessen des Natur- und Artenschutzes bzw. des Naturhaushaltes und der Erholungsvorsorge bzw. Nutzung angemessen zu berücksichtigen sind. Die Wiederherstellung der Parkanlage auf der Grundlage der Lennéschen Pläne wird daher in langfristigen Teilschritten und einer den vielfältigen Bedürfnissen entsprechenden Form erfolgen. Der Kernpunkt des Parkpflegeprogramms ist ein Maßnahmekatalog, der detailliert aufschlüsselt, welche Maßnahmen bis zur endgültigen Wiederherstellung der Parklandschaft durchgeführt werden müssen. Der Katalog umfasst 28 Maßnahmen mit Beschreibung, Arbeitsumfang (Fläche/Stück), Zweck der Maßnahme, Einordnung in die Art des Schutzgutes und den Ausführungszeitraum. Die Zeiträume gliedern sich in kurz-, mittel- und langfristige Maßnahmen. Insbesondere die Freilegung von Sichtbeziehungen (Rodungen) erfordert ein langfristiges Handeln über ca. 10 Jahre und eine Detailplanung dazu. Die Liste der zu rodenden Bäume umfasst vorrangig Aufwuchsbestände, die überrepräsentierte Baumarten enthalten und entweder im Bereich zukünftiger Sichten des Gartendenkmals stehen oder erhaltenswerte Altbestände durch Konkurrenzdruck massiv gefährden. Die gesamte Planung ist auf die Herausarbeitung von planmäßigen Baumhainen und -gruppen, wie ursprünglich vorhanden, gerichtet. Durch gezielte Erhaltung ausgewählter Bäume aus dem Aufwuchsbestand wird eine natürliche Verjüngung der Parkanlage erzielt.
Eine verantwortliche Pflege eines Gartendenkmals bedarf bezüglich des Altbaumbestand einen Schutz vor Wildwuchs und zahlreicher tangierender Maßnahmen, wie geordnetem Wegebau, Schutz vor unbefugtem Fahrzeugverkehr und Betreten, die Neuanlage von Hecken, Rasenflächen, Rabatten und deren Pflege sowie den Schutz von faunistischen Habitaten (26 weitere, z.T. umfangreiche Maßnahmen).
Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation
Auf Grund erster sichtbarer Wiederherstellungsmaßnahmen und Artikeln in der Tagespresse nahm die Öffentlichkeit regen und positiven Anteil am Projekt. Wichtigster fachlicher Multiplikator ist der (ehrenamtliche) Naturschutzbeirat, der die vorgestellten Projektergebnisse positiv bewertete und befürwortete.
Fazit
Die Erarbeitung eines Parkpflegeprogramms für eine verwilderte und fehlgenutzte Parkanlage ist mit seinem fachübergreifenden Inhalt als innovativer und modellhafter Weg der Planung zu verstehen. Das vorliegende Parkpflegeprogramm tangiert sowohl kunst- und gartenbauhistorische Aspekte als auch floristische und faunistische Bestandsaufnahmen, Vermessungsleistungen, große Teile der Ausführungsplanung zur Wiederherstellung und Pflege eines Denkmals, Naturschutz- und Biotopaspekte und nicht zuletzt nutzungsbedingte und tourismusrelevante Ansprüche. Diese Vielzahl von Anforderungen sind im Grunde für ein geschütztes Gartendenkmal notwendig, erhalten aber in der Praxis zu wenig Raum. Selbst wenn ökonomische Zwänge zu einer sparsamen Planung zwingen, so sollten doch in Zukunft verstärkt die Ansprüche klar umrissen und in einer Zielsetzung formuliert werden, damit eine optimale Planung erfolgen kann, in der Konfliktpunkte bereits vorab zu einer vertretbaren Kompromisslösung geführt wurden.
Die Zusammenführung von allen betroffenen Ämtern und Einrichtungen in einem Projektbeirat erwies sich als außerordentlich konstruktive Möglichkeit der Konfliktlösung, obwohl es harte Konfliktpunkte bei der Wichtung von denkmalpflegerischen Ansprüchen, Natur- und Artenschutz sowie touristischer Nutzung gab.
Fördersumme
42.386,10 €
Förderzeitraum
08.11.1999 - 03.12.2001
Bundesland
Brandenburg
Schlagwörter
Kulturgüter
Landnutzung
Naturschutz