Projekt 06583/01

Stoffstrommanagement für mittelständische Filialunternehmen

Projektdurchführung

Universität HamburgFachbereich Informatik, AB, ASI
Vogt-Kölln-Str. 30
22527 Hamburg

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Durchführung einer empirischen Stoffstromanalyse in einem mittelständischen Filialunternehmen als Einstieg in das Stoffstrommanagement, Entwicklung einer Handlungsorientierung für Filialunternehmen zum Einstieg in das Stoffstrommanagement sowie Bereitstellen von branchenspezifischen Strukturinformationen und Daten (Referenzmodell) zur Reduzierung des Datenerhebungsaufwandes und als Mustervorlage für die Entwicklung von Stoffstrommodellen.
Betriebliche Stoffstromanalysen sind bislang im wesentlichen im produzierenden Gewerbe durchgeführt worden. Aber auch die Logistiksystems von Handelsunternehmen haben erheblichen Einfluß auf die Produktlebenszyklen, also auf die Kreislauffähigkeit von Produkten, auf die Wartungsfreundlichkeit und die Langlebigkeit.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenBeim Handelsunternehmen Spinnrad ist eine empirische Untersuchung durchgeführt worden mit dem Ziel, die durch die Handels- aktivitäten des Unternehmens induzierten Stoffströme zu analysieren und Alternativen aufzuzeigen. Die Analyse konzentrierte sich auf die Transportsysteme des Unternehmens: Wareneingangstransporte (Übersee, Europa, Deutschland) und den Warenaustausch mit den Filialen. Daneben sind die Standorte (Zentrallager und exemplarisch eine Filiale) untersucht worden.
Datenerhebung und Etablierung eines Stoffstrommanagements konnten nicht unabhängig vom betrieblichen Umfeld durchgeführt werden, es handelte sich um einen Prozeß organisatorischer Entwicklung, der beobachtet und - soweit möglich - moderiert worden ist.
Die Phase der praxisnahen Zusammenarbeit hat 12 Monate gedauert.
Parallel dazu sind die Methoden für betriebliche Stoffstromanalysen weiterentwickelt und den Anforderungen der Branche angepaßt worden. Schwerpunkte waren hier die systematische Modellbildung und der Erarbeiten der Grundlagen für Referenzmodelle.
Nach dem weitgehenden Abschluß der empirischen Untersuchung erfolgte die Verallgemeinerung in Form von Prozeßmodulen und typischen Netzstrukturen. Prozeßmodule und Netzstrukturen sind in Zusammenarbeit mit dem Institut für Umweltinformatik Hamburg und mit Hilfe der Ökobilanzierungssoftware Umberto® erstellt worden.


Ergebnisse und Diskussion

Die Stoffstromanalyse von Handelsunternehmen gerät sehr schnell in den Zwischenbereich zwischen betriebsbezogener und produktbezogener Ökobilanzierung. Ausgangspunkt im Projekt ist die betriebsbezogene Betrachtung gewesen. Zusätzlich ergeben sich die Anforderungen, vernetzte Strukturen abzubilden und Elemente der Produktökobilanzierung in Form von Vor- und Nachketten einfließen zu lassen (z.B. Dieselherstellung, Strommix, Abfallentsorgung Verpackungen).
Auf vorhandene Mittel sowohl der betrieblichen als auch der produktbezogenen Ökobilanzierung konnte daher nicht zurückgegriffen werden. Eher geeignet erschien der Ansatz der Stoffstromnetze, auf den sich dann auch die zum Einsatz gekommene Software stützt.
Vernetzte Strukturen sind zu modellieren, wenn die verschiedenen Optionen und Realisationen von Wareneingangstransporten analysiert und bewertet werden sollen. Sie sind aber vor allem von Bedeutung, wenn es darum geht, sinnvolle Strukturen für den Warenaustausch mit den Filialen und den Kunden zu finden. Diese Strukturen werden gerade durch Anforderungen des Umweltschutzes komplex: Rücknahmen und Rückführung von Waren in den Wertschöpfungsprozeß, Realisierung von Mehrwegsystemen, Mehrwegverpackungssysteme.
Die Ergebnisse der Stoffstromanalysen erlauben es, die verschiedenen Gestaltungsoptionen der Transportsysteme ökologisch zu beurteilen. Während es bei den einzelnen Transportmitteln zu der klaren Rangfolge Schiff, Bahn, LKW, Flugzeug kommt, sind kombinierte Verkehre nicht mehr einfach abschätzbar. Insbesondere die Kombination Flugzeug, Schiff, LKW ist für Handelsunternehmen sehr interessant, weil sie ganz neue und vor allem flexible Zeitfenster eröffnet.
Während bei kombinierten Verkehren die Wareneingangstransporte mit recht einfachen Netzstrukturen modelliert werden können, sind die Parameter der Spezifikation des Warenaustausches mit Filialen komplexer. Es gehen Wechselwirkungen ein zwischen Transportsystem und (Transport-) Verpackungen, Rücknahmen und Mehrwegsysteme.
Für die ökologische Beurteilung der Gestaltungsoptionen sind verschiedene Referenzmodelle entwickelt worden mit dem Ziel, die Einarbeitung der Mitarbeiter und den Modellierungsprozeß zu unterstützen. Daraus haben sich neue, sinnvolle Anforderungen an eine Ökobilanzierungssoftware ergeben. Die Arbeit mit der vorhandenen Software hat gezeigt, daß die Nutzung einer Prozeßbibliothek von großem Wert ist und die Modellierung erst möglich gemacht hat. Die Ergänzung der Funktionalität zum Umgang mit Referenzmodellen dürfte ein weiterer wesentlicher Schritt hin zu einem ökologischen Rechnungswesen in (Handels-) Unternehmen sein.
Die Einführung des Stoffstrommanagements in einem Handelsunternehmen ist allerdings nicht allein ein Modellierungsproblem, das mit EDV-Unterstützung überwunden werden kann. Vielmehr stellt die Einführung auch einen organisatorischen Veränderungsprozeß dar, der - das hat die empirische Untersuchung deutlich gezeigt - nicht unterschätzt werden darf. Es haben sich drei Schwerpunkte ergeben: Die mit dem Ausbau des betrieblichen Umweltschutzes verbundenen Veränderungen in den Arbeitsabläufen, Gestaltungs- fragen der EDV-Landschaft (betriebliche Umweltinformationssysteme) und der Kommunikationsbedarf mit Lieferanten und Kunden.
Zum Aufbau eines Stoffstrommanagements in Handelsunternehmen ist daher ein Leitfaden entwickelt worden, der sowohl die Modellierungsaspekte als auch die Aspekte der organisatorischen Veränderungen umfaßt. Ergänzt wird der Leitfaden durch Bewertungskriterien zum Softwareeinsatz bei der Stoffstromanalyse sowie das Öko-Audit für Filialunternehmen.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Möller, A., Häuslein, A., Rolf, A.: Öko-Controlling in Handelsunternehmen - Ein Leitfaden für das Stoffstrommanagement, Berlin, Heidelberg, New York 1997: Springer-Verlag (enthält auch den Leitfaden zum Aufbau des Stoffstrommanagements in Handelsunternehmen)


Fazit

Das Projekt zeigt, daß die Ökobilanzierung auf Handelsunternehmen übertragbar ist und sich daher nicht auf Produktions- unternehmen beschränkt sein muß.
Die Entwicklung von Referenzmodellen für typische vernetzte Strukturen hat sich bei den Transportsystemen von Handels- unternehmen als sinnvoll erwiesen, was sich nach Abschluß des Projektes bei der Nutzung in anderen Unternehmen bestätigt hat.
Die Entwicklung von derartigen Referenzmodellen sollte sich allerdings nicht auf Transportsysteme beschränken. Auch bei der Abbildung vieler anderer Wertschöpfungsketten reduziert ihr Einsatz sowohl die Einarbeitung der Mitarbeiter als auch die direkte Modellierungs- und Datenerhebungsarbeit.
Ökobilanzierungssoftware sollte in der Lage sein, mit Referenzmodellen umzugehen. Hier sind noch Defizite zu verzeichnen. Zwar enthalten gängige Systeme zur Produktökobilanzierung sogenannte Prozeßbibliotheken. Nicht enthalten sind aber Muster vernetzter Strukturen

Übersicht

Fördersumme

137.718,51 €

Förderzeitraum

10.03.1995 - 20.01.1998

Bundesland

Hamburg

Schlagwörter

Umweltkommunikation
Umwelttechnik