Projekt 06478/01

Ökologische, wasserbauliche und ökonomische Untersuchungen zur Renaturierung von Fließgewässern mit Totholz

Projektdurchführung

Leibniz Universität HannoverInstitut für Umweltplanung
Herrenhäuser Str. 2
30419 Hannover

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Herkömmliche Renaturierungsverfahren von Fließgewässern verursachen hohe Kosten bis zu mehreren hunderttausend DM pro Fließkilometer. Das Vorhaben dient der exemplarischen Entwicklung und praktischen Erprobung eines kostengünstigen und übertragbaren Verfahrens, das die eigendynamische Rückentwicklung begradigter Gewässer fördert und an tiefenerodierten Bächen zur Anhebung der Gewässersohle führt. Kern der Maßnahme ist das gezielte Einbringen von Totholz in begradigte und eingetiefte Gewässer.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenDie Untersuchungen wurden an zwei Bächen (Eifa und Haberbach) im Raum Alsfeld (Vogelsbergkreis, Hessen) durchgeführt. In der ersten Phase (Juni 1997 - Januar 1998) wurde der Ausgangszustand der Gewässer aufgenommen. Dabei wurden sowohl gewässermorphologische, hydrologische und hydraulische Parameter (Universität Karlsruhe), als auch die Besiedlung der Bäche (Makrozoobenthos, Fische, Uferfauna) (Universität Marburg, ab 1.2.1999 Universität Hannover) untersucht. Die Maßnahmen selbst wurden im Januar 1998 in Zusammenarbeit mit dem Forstamt Alsfeld, der Stadt Alsfeld und dem Zweckverband Schwalm erfolgreich durchgeführt. Dazu wurden größere Baumstämme aus der direkten Gewässerumgebung so gefällt, dass sie teilweise im Gewässer zu liegen kamen. Es wurde erwartet, dass sich dadurch natürliche Schwellen, bzw. dammartige Strukturen bilden, die sowohl zu Seitenerosion als auch zur Aufschotterung und Anhebung der Gewässersohle führen. In der zweiten Phase (Februar 1998 - März 2001) sollten die eintretenden Veränderungen in der Gewässermorphologie und Hydrologie und ihre Auswirkungen auf die Besiedlung der Gewässer und ihrer Ufer dokumentiert und bewertet werden. Ökonomische Untersuchungen (Universität Greifswald, WAGU GmbH) zu den Kosten der durchgeführten Renaturierungsmaßnahmen, im Vergleich mit herkömmlichen Verfahren, ermöglichten abschließend eine umfassende Kosten-Nutzen-Analyse des neuen Verfahrens. Alle Projektbeteiligten und betroffene Anlieger wurden in regelmäßigen Abständen im Rahmen von Arbeitsgruppen (Runder Tisch) in das Vorhaben eingebunden. Auf einem abschließenden Workshop am 5. und 6.9.2001 wurden die Ergebnis-se vor potenziellen Anwendern und Multiplikatoren vorgestellt und diskutiert.


Ergebnisse und Diskussion

Die Maßnahmen wurden am 13.1.1998 durchgeführt. Ufernahe Bäume wurden gefällt und mit Seilwinden bzw. Rückeschleppern in Position gebracht. Als besonders positiv ist hervorzuheben, dass die Maßnahmen an beiden Bächen innerhalb eines einzigen Tages durchgeführt werden konnten, dass praktisch keine Eingriffe im Ufer- und Auebereich verursacht wurden und keine Spezialkenntnisse oder spezielle Maschinen erforderlich waren.
Die Maßnahmen führten bereits in der vergleichsweise kurzen Projektlaufzeit zu einer deutlichen Erhöhung der Strukturvielfalt auf der Gewässersohle. Die Retention von fein- (FPOM) und grobpartikulärem (CPOM) organischem Material wurde deutlich erhöht. Dadurch, und durch die höhere Habitatdiversität wurden auch die Lebensbedingungen für das Makrozoobenthos deutlich verbessert. Auch die Bedingungen für die Fischfauna, insbesondere die autochthone Bachforellenpopulation, haben sich durch die Maßnahme verbessert. Vor allem die Jugendstadien profitierten durch die höhere Strukturvielfalt. Fang-Wiederfang Experimente zeigten, dass die eingebrachten Totholzstrukturen auf die Mobiltität der Bachforelle keinen Einfluss hatten.
Die zeitlich unmittelbare hydraulische Wirkung der Totholzstrukturen zeigte sich an beiden Gewässern durch den Rückstau oberhalb der Elemente. Zeitlich mittelbare hydraulische Wirkungen durch Sohlhöhenauflandungen sind auf Grund der relativ langsamen morphodynamischen Entwicklung innerhalb des Projektzeitraumes noch nicht nachweisbar, aber langfristig zu erwarten. Die Lage des Totholzes war sehr stabil, Lageveränderungen innerhalb der Messgenauigkeit nicht nachweisbar. Die Sohlhöhe hat sich im Projektzeitraum oberhalb der ersten Totholzstrukturen leicht aufgelandet, dabei traten an der Eifa Akkumulationen von wenigen dm, am Haberbach von wenigen cm auf. An beiden Gewässern tritt ein erheblicher Mangel an natürlichem Geschiebeeintrag als limitierender Faktor der Bettbildung auf. Für die Totholzstrukturen ist derzeit eine Gefährdung von Unterliegern nicht nachweisbar, vielmehr wurde im Oberwasser eingetriebenes Totholz in den neu eingebrachten Strukturen zurückgehalten.
Für 81 konventionelle Renaturierungsprojekte wurden durchschnittlich Kosten der durchgeführten Maßnahmen in Höhe von 358 € / lfd. m ermittelt. Die tatsächlichen Kosten lagen an Eifa und Haberbach, auf Grund der vielen Eigenleistungen, nur bei ca. 3 bzw. 1 €/m. Wären die Maßnahmen nicht im Rahmen des Projektes durchgeführt worden, hätten die Kosten für Planung, Maßnahmen und Grunderwerb ca. 29 bzw. 25 €/m betragen. Für beide Bäche wurden auch konventionelle Renaturierungsplanungen erstellt, die zu Kosten von 170 bzw. 98 €/m geführt hätten. Renaturierungskonzepte mit Totholz sind also wesentlich kostengünstiger, und sind auch aus ökologischer Sicht als sehr positiv zu bewerten. Allerdings verlaufen die Prozesse der eigendynamischen Gewässerentwicklung je nach Gewässertyp zum Teil sehr langsam. Das Renaturierungsziel wird also erst in längeren Zeiträumen erreicht.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Das Projekt und seine Ergebnisse wurden in 14 Fachveröffentlichungen publiziert, weitere Arbeiten sind in Druck bzw. in Vorbereitung. Dazu kommen über 20 Vorträge auf nationalen und internationalen Tagungen und bei Naturschutz-Akademien, verschiedene Beiträge in der regionalen und überregionalen Presse und im Fernsehen. Mitarbeiter haben das Projekt bei einer Vielzahl von Weiterbildungsveranstaltungen der Fachverwaltungen, Zweckverbände und Gewässernachbarschaften vorgestellt und so in mehreren Bundesländern Multiplikatorenschulung betrieben. Ein Workshop wurde 1997 in Marburg veranstaltet, um das Projekt mit Fachwissenschaftlern zu diskutieren. Ein Tagungsband liegt vor. Der zweite Workshop im September 2001 diente dazu, die Projektergebnisse vor den potenziellen Anwendern zu präsentieren, und die Möglichkeiten und Grenzen der künftigen Anwendung zu diskutieren. Ein Tagungsband befindet sich in Vorbereitung und wird noch 2002 erscheinen, ein Internetauftritt mit den wichtigsten Projektergebnissen wird bis dahin ebenfalls erstellt.


Fazit

Das neue Verfahren hat sich aus ökologischer und aus ökonomischer Sicht sehr bewährt und stellt damit eine echte Alternative zu konventionellen Konzepten dar. Auch aus wasserbaulicher Sicht waren positive Veränderungen zu beobachten, die aber langsamer erfolgten als erwartet. Das Verfahren wird deshalb besonders für geschiebereiche Gewässer empfohlen. An geschiebearmen Gewässern müssen längere Zeiträume einkalkuliert, oder das Verfahren durch zusätzliche Maßnahmen (z.B. Geschiebezugaben) op-timiert werden. Eine wichtige Rolle spielt die Vermeidung von Risiken durch Treibholz. Neben der Aus-wahl unkritischer Renaturierungsstrecken werden hier verschiedene punktuelle Maßnahmen vorgestellt und diskutiert.

Übersicht

Fördersumme

410.601,13 €

Förderzeitraum

01.06.1997 - 31.03.2001

Bundesland

Hessen

Schlagwörter

Landnutzung
Naturschutz
Ressourcenschonung
Umwelttechnik