Modellvorhaben: Enttrümmerung der Frauenkirche unter dem Gesichtspunkt umweltbedingter Schäden (Dokumentation und wissenschaftliche Begleitung)
Projektdurchführung
Stiftung Frauenkirche Dresden e. V.Baustelle Frauenkirche
Neumarkt
01067 Dresden
Zielsetzung und Anlass des Vorhabens
Gegenstand des Vorhabens war die Erforschung umweltbedingter Schäden am Bauwerk und an Trümmerteilen der Frauenkirche zu Dresden sowie die Erkundung von Materialeigenschaften verwendeter Baustoffe. Insbesondere sollten Erkenntnisse über das Verhalten des Sandsteines gegenüber Umwelteinflüssen sowie an der Schnittstelle zwischen erhaltener und neuer Bausubstanz gewonnen werden. Zielstellung war die Schaffung von Voraussetzungen für die Wiederverwendung einer maximalen Anzahl von Altsteinen, die Analyse von umweltbedingten Schäden und Ableitung von Schlußfolgerungen für den Wiederaufbau sowie die Einschätzung der Tragfähigkeit des Sandsteinmauerwerks.
Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenDie Bearbeitung erfolgte in vier Teilobjekten. Bei der ausführlichen archäologischen Dokumentation von ca. 1800 Funden wurden in einer zeichnerischen Komplettauswertung zu den dafür ausgewählten steinernen Funden zahlreiche Eigenschaften der Steine dokumentiert. Die Reihenfolge wurde während der Bearbeitung auf die Anforderungen der Wiederaufbauplanung abgestimmt und entsprechend angepaßt. Die Bearbeitung erfolgte in horizontalen Abschnitten, die der Wiederaufbauplanung laufend zur Verfügung gestellt wurden.
Während der Enttrümmerung als erster archäologischen Bearbeitungsstufe konnten 580 Fundstücke in der kurzen zur Verfügung stehenden Zeit nicht oder nicht sicher hinsichtlich ihrer Ursprungslage im Bauwerk bestimmt werden. Dadurch wurde ihr Einsatz beim Wiederaufbau erschwert. Ihre genaue Einordnung war deshalb Ziel der zweiten archäologischen Bearbeitungsstufe.
Die Ermittlung von Kennwerten für Sandsteinmauerwerk umfaßte die Untersuchung des Einflusses der Patina auf das Feuchteverhalten des Kuppelmauerwerkes sowie numerische Analysen des Wärme- und Feuchteverhaltens im Kuppelmauerwerk unter Berücksichtigung der örtlich gegebenen Witterungsverhältnisse.
Auf der Grundlage der während und nach der Archäologischen Enttrümmerung der Ruine der Frauenkirche zu Dresden durchgeführten Schadenskartierung an den Fundstücken wurde eine Analyse und Auswertung der umweltbedingten Schäden am Sandsteinmaterial durchgeführt.
Ergebnisse und Diskussion
Zur ausführlichen archäologischen Dokumentation der ca. 1800 ausgewählten Funde gehören u. a. die orthogonale Darstellung aller Steinseiten, für die während der Enttrümmerung Meßbildaufnahmen beauftragt wurden, Sichtflächen und deren eindeutig erkennbare Oberflächenbearbeitung, Haupt- und Detailmaße einschließlich Radien, Fugen zwischen Einzelsteinen, Vierungen, mechanisch bedingte Schäden, wie Bruchkanten, Abplatzungen und Risse, Mörtelanhaftungen, konstruktive Besonderheiten, z. B. Klammern, Dorne, Dübel, Löcher und Auskehlungen für Verbindungsmittel (jeweils mit Detailbemaßung), als mögliche Angriffspunkte für schädigende Umwelteinflüsse, umweltbedingte Schäden, wie lokale Oberflächenverwitterung, Fugenpatinierung, Krustenbildung, Salzausblühungen, Bewuchs mit Algen/Flechten, Steinmetzzeichen, Inschriften und sonstige Zeichen und Beschriftungen. Somit wurde eine gute Grundlage für den Wiedereinbau dieser Fundstücke und den materialsparenden Umgang mit der Naturressource Sandstein sowie für eine Katalogisierung und Bewertung der festgestellten umweltbedingten Schäden geschaffen.
Mit den nunmehr zur Verfügung stehenden Informationen aus der abgeschlossenen Enttrümmerung und weiteren Archivalien war es möglich, für jeden der zu identifizierenden 580 Funde eine Entscheidung über die weitere Verwendung im Sinne eines optimalen Einsatzes des Fundgutes beim Wiederaufbau vorzuschlagen. Die Ergebnisse dieser zweiten archäologischen Bearbeitungsstufe wurden entsprechend der bisher üblichen Art und Weise dokumentiert. Zuerst erfolgte die Aktualisierung der Datenbankinhalte zu den betreffenden Fundstücken. Danach wurden die Ergebnisse in schwarz-weiß-Drucke (verkleinerte Fassadenpläne) sowie in schwarz-weiß-Kopien (Grundrisse, Schnitte und Fotos der archäologischen Enttrümmerung) mit den während der Enttrümmerung verwendeten Farben rot (Zuordnung sicher), grün (bereichsmäßige Zuordnung, paßt an diese Stelle) und blau (Schablone für Neuanfertigung) eingetragen. Die Nachidentifikation dieser Steine erleichtert die Arbeit der Wiederaufbauplaner und die Steine konnten in die Erfassung und Auswertung umweltbedingter Schäden einbezogen werden.
Die Folgen klimatischer Wechselwirkungen wurden in drei Teilen erforscht: 1. Untersuchungen zur Patina und der zeitlichen Veränderung der Patinaschichtdicke; Untersuchung der hygrischen Gesteinseigenschaften an bruchfrischen sächsischen Sandsteinen und solchen, deren Oberfläche eine dichte Patina aufweist, 2. Numerische Untersuchungen zum Feuchteverhalten der Stein-Mörtel-Stein-Verbindung, Aufbereitung der Ergebnisse für eine mögliche spannungsmechanische Betrachtung, 3. Auswertung der Untersuchungen. Die gefundenen Ergebnisse bilden die Grundlage für die Ausarbeitung eines den realen Bauwerksverhältnissen angepaßten Versuchsprogramms. Mit Kenntnis der sich im Kuppelmauerwerk im Jahres- und Tagesgang einstellenden Temperaturverhältnisse kann mit Hilfe strukturmechanischer Untersuchungen die sich aus dem Temperaturverhalten des Kuppelmauerwerks ergebende Beanspruchung analysiert werden. Hierbei ist neben der geeigneten Beschreibung des last-, temperatur- und zeitabhängigen Materialverhaltens auch die Wahl der Randbedingungen entscheidend.
Aus den umfangreichen Schadensaufnahmen im Zuge der Enttrümmerung der Frauenkirche lassen sich Rückschlüsse auf die Schadensursachen bzw. den Zusammenhang zwischen Schadensformen und Umwelteinflüssen ziehen. Durch die große Zahl der aufgenommenen Fundstücke sind gesicherte statistische Aussagen möglich, die bei einer Begutachtung einzelner Schäden nicht denkbar gewesen wären. Die Einwirkungen von Ozon, Schwefel- und Stickoxiden, insbesondere im Zusammenhang mit Niederschlagswasser beeinflussen das Verwitterungsverhalten von Sandsteinmaterialien und somit die Lebensdauer der daraus erschaffenen Bauwerke. In naher Zukunft ist sicherlich nicht mit einer nennenswerten Verminderung der Luft- und Regenwasserbelastung zu rechnen. Allenfalls ist von einer Umstellung von Schwefeloxid- auf Stickoxidbelastung auszugehen, was wieder neue Probleme für die Steinverwitterung z. B. durch Säurebildung mit sich bringt. Diese Einflüsse und die unserer modernen Industrie- bzw. Stadtatmosphäre sollten in zukünftigen Untersuchungen noch stärker berücksichtigt werden.
Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation
Die Ergebnisse des geförderten Projektvorhabens wurden entsprechend den Regeln der Deutschen Bundesstiftung Umwelt für die Datenbank MONUFAKT des Umweltbundesamtes aufbereitet und werden dieser übergeben, so daß diese Daten der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen.
Fazit
Durch die umfassende statistische Auswertung einer großen Anzahl von steinernen Funden während und nach der archäologischen Enttrümmerung verbunden mit begleitenden und weiterführenden Materialuntersuchungen wurden wesentliche Voraussetzungen für die Wiederverwendung einer maximalen Anzahl von Altsteinen beim Wiederaufbau sowie für die Analyse von umweltbedingten Schäden zur Schonung der Naturressource Sandstein geschaffen. Die dabei gesammelten Daten und die Erfahrungen während der Durchführungsphasen der einzelnen Teilobjekte können für die Bearbeitung anderer Objekte von erheblichem Nutzen sein. Zu diesem Zweck werden die Ergebnisse des Projektes in multimedialer Form auf elektronischen Medien publiziert.
Fördersumme
794.615,59 €
Förderzeitraum
14.03.1994 - 21.02.2003
Bundesland
Sachsen
Schlagwörter
Klimaschutz
Kulturgüter
Ressourcenschonung
Umweltforschung
Umwelttechnik