Projekt 02166/01

Rückgewinnung gasförmiger Anästhetika während Vollnarkosen

Projektdurchführung

Universität UlmKlinikumsverwaltung, Abteilung III/4
Steinhövelstr. 3
89075 Ulm

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

In der Universitätsklinik Ulm werden jährlich ca. 4.4 Millionen Liter Lachgas freigesetzt. Ungefähr 60000 Liter Narkosegase, bei denen es sich um FCKWs handelt, werden in die Atmosphäre geleitet. Für die alten Bundesländer der Bundesrepublik Deutschland beträgt die Zahl der Vollnarkosen, die in Kliniken durchgeführt werden, nach Angaben des statistischen Bundesamtes mindestens 5.8 Millionen pro Jahr.
Während den Operationen werden in Deutschland die Narkosegase wie auf der ganzen Welt an die Atmosphäre abgegeben, was aufgrund ihres Treibhausgaseffektes und der ozonabbauenden Kapazität unter Umweltaspekten bedenklich ist.
Als neuentwickeltes Narkosegas kam 1994 die Substanz Desflurane auf den Markt, die aufgrund ihrer chemischen Eigenschaften weniger ozonzerstörend wirkt als die herkömmlichen Substanzen, dafür ist ein ausgeprägter Treibhauseffekt zu erwarten. Unser Projekt dient der Rückgewinnung der Gase während der Narkosen, um so ein geschlossenes Recyclingkonzept zu entwickeln und den Ersatz des Lachgases und der FCKWs und FKWs durch das umweltfreundliche Edelgas Xenon zu ermöglichen.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten Methoden·Testung verschiedener Adsoptionsmaterialien auf qualitative und quantitative Eignung zur Adsorption volatiler Anästhetika
·Durchführung von Expositionsmessungen am Arbeitsplatz des Anästhesiepersonals und Entwicklung von Maßnahmen zur Belastungsreduktion
·Konstruktion einer Rückgewinnungsanalge zur Anreicherung von Xenon aus dem Narkoseabgas
·Modifikation eines herkömmlichen Narkosegerätes zum Xenon-Narkosegerät.
·Erste Versuche mit Xenonnarkosen und Rückgewinnung am Tiermodell
·Vorbereitung der Zulassung von Xenon als Narkosegas in Deutschland und Europa.


Ergebnisse und Diskussion

Ergebnisse: Die Untersuchungen über die Eignung der Rückgewinnung volatiler Anästhetika ergaben eine klare Präferenz für die direkte Kondensation in Kühlfallen. Diese haben nach verschiedenen Modifikationen die gleiche quantitative Effektivität der Aktivkohle, die Kapazität ist jedoch unbegrenzt und es entfällt die Lagerung und Wiederaufarbeitung von Adsorptionsmaterialien. Die Firma Dräger hat sich aufgrund unserer Untersuchungen bereits eine kommerzielle Anlage bauen lassen, in der 75% der FCKWs, die dort für die Kalibrierung der Narkosegeräte verwendet werden (jährlich Substanzverbrauch DM 1 Mio), aus der Abluft zurückgewonnen und wieder eingesetzt werden. · Bei der Untersuchung verschiedener Narkoseverfahren wurde festgestellt, daß Maskennarkosen zu den höchsten Arbeitsplatzbelastungen führen und hier die Larynx- und Doppelmasken überlegen sind. Weiterhin konnte gezeigt werde, daß durch den Einsatz von Silikonmaterialien der Verlust von Lachgas und FCKWs um das 10.000-fache ansteigt. · Die Rückgewinnungsanlage für das Narkosegas Xenon wurde fertiggestellt. · Ein Beatmungsgerät wurde für den Einsatz mit dem neuen Anästhetikum modifiziert und vom TÜV zugelassen. · In einer Untersuchung an 28 Schweinen wurde die Funktion der Komponenten erfolgreich getestet. · Quantitativ und qualitativ führte der Versuch zu Ergebnissen, die weiter verbesserungsfähig sind, die aber bereits dazu geführt haben, daß vom Industriepartner Messer-Griesheim das Zulassungsverfahren in Deutschland und Europa betrieben wird. · Zu diesem Zweck wurde ein toxikologisches Gutachten erstellt und beim Bundesamt für Arzneimittelwesen in Berlin hinterlegt. · Es wurde in einem eigens veranstalteten Symposium eine internationale Arbeitsgruppe gegründet, die die europäische Zulassung betreibt. · Aus medizinischer Sicht wurden die ausgezeichneten Eigenschaften des Narkosegases Xenon bestätigt. · Die in Deutschland erforderlichen Multcenterstudien befinden sich in Planung und werden Anfang 1997 beginnen (Partner: Heidelberg, Hamburg, Ulm, Damme/Dümmer). · Zur quantitativen Verbesserung der Rückgewinnung wurde vom GKSS Forschungszentrum in Geesthacht eine semipermeable Membran zur Anreicherung von Xenon entwickelt und im Rahmen einer Diplomarbeit getestet. · Diese Membran wird im Moment in unseren Versuchsaufbau integriert und im Probelauf getestet werden. Diskussion: Durch die ersten Untersuchungen wird das Projekt Xenon mit Sicherheit in die Routinepraxis der Anästhesie eingehen werden. Die technische Realisierung ist jedoch unter Umwelt- und Energieaspekten (Erhöhung der Effizienz bei Senkung des Energieverbrauches) weiter verbesserungsbedürftig. Diese Meinung wird von den beteiligten industriellen Projektpartnern nur partiell geteilt. Die mögliche bakterielle und virologische Verunreinigung recycelter Medikamente beinhaltet in der Fachwelt noch ein gewisses Angstpotential, das durch entsprechende Untersuchungen (geeignete Filter stehen kommerziell zur Verfügung) noch abgebaut werden muß.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Populärwissenschaftlich: Veröffentlichungen in uni ulm intern, Focus, Spiegel, TV-Berichte in SDR3 Abendschau und Wissenschaftsmagazin, ARD + ZDF Mittagsmagazin, ORF Wissenschaftsmagazin. Wissenschaftliche Präsentationen auf dem Zentraleuropäischen Anästhesiekongress Wien 1995, Deutschen Anästhesiekongress in Nürnberg 1996, Europäischem Anästhesiekongress in Jerusalem 1994 und London 1996, Weltanästhesiekongress in Sydney 1996, Vorträge an den Universitäten in Zürich und München. 1996 noch feste Vortragstermine in Münster, Göttingen, Wien, Budapest und Linz. Wissenschaftliche Veröffentlichungen in der Acta Anaesthesiologica Scandinavica und in der Zeitschrift Der Anästhesist. Eingereichte Publikationen im British Journal of Anaesthesia, Anästhesiologie und Intensivmedizin, Der Anästhesist. 1996 Durchführung eines europäischen Symposiums zur Vorbereitung der Zulassung von Xenon in Europa.
Eine Bewerbung für die Projektpräsentation auf der EXPO 2000 in Hannover wird vorbereitet.


Fazit

Durch die von uns angeregte Diskussion wird die Umweltbelastung durch die Anästhesie innerhalb der Ärzteschaft nicht mehr bagatellisiert. Auch die Untersuchungen der Arbeitsplatzbelastung führten zu einer Zunahme des öffentlichen Interesses an Alternativen. Auf dem von uns veranstalteten Symposium in Freiburg sowie auf den besuchten Kongressen in Sydney und Nürnberg, auf dem die Projektpartner bereits mit eigenen Messeständen vertreten waren, war das internationale öffentliche und fachspezifische Interesse groß. Die medizinischen, arbeitsplatz- und umweltentlastenden Eigenschaften des Edelgases Xenon, verbunden mit der Aussicht, daß die Xenonanästhesie durch die Rückgewinnung wirtschaftlich realisierbar ist, hat innerhalb der Industriepartner zu einer großen Bereitschaft geführt, das Projekt kommerziell zu realisieren.

Übersicht

Fördersumme

439.915,53 €

Förderzeitraum

01.06.1993 - 31.05.1996

Bundesland

Nordrhein-Westfalen

Schlagwörter

Klimaschutz
Ressourcenschonung
Umweltforschung
Umwelttechnik