Die EG-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) fordert bis 2015 einen guten ökologischen Zustand aller Binnengewässer. Da allein mehr als die Hälfte der bundesdeutschen Fließgewässer keine intakten Lebensgemeinschaften aufweisen, sind in den kommenden Jahren zahlreiche Revitalisierungsprojekte durchzuführen. Trotz umfangreicher Erfahrungen zu verschiedensten Revitalisierungsmaßnahmen ist aber völlig unklar, ob diese Maßnahmen auch zu im Sinne der EG-WRRL messbaren Verbesserungen der Lebensgemeinschaften führen.
Ziel dieses Projektes war die (biozönotische) Evaluation von 26 bundesweit bedeutenden, gut dokumentierten Fließgewässer-Revitalisierungsprojekten. Beurteilt wurden die Auswirkungen der Revitalisierungsmaßnahmen auf den ökologischen Zustand eines Gewässers im Sinne der EG-WRRL. Hierbei wurden nach dem Prinzip „Space for time substitution“ die Lebensgemeinschaften (Makrozoobenthos, Fische, Makrophyten) revitalisierter Gewässerabschnitte mit denen in einem jeweils unmittelbar oberhalb gelegenen nicht revitalisierten Abschnitt verglichen. Des Weiteren wurden Daten zum hydromorphologischen Zustand sowie wesentliche Eckdaten, wie z. B. Kosten oder Alter der Maßnahme, aufgenommen.
Übergeordnetes Ziel der Revitalisierungsmaßnahmen war eine Verbesserung der Gewässerstruktur. Unsere Untersuchungen belegen eindrucksvoll, dass die Revitalisierungen zu einer deutlichen Verbesserung des hydromorphologischen Zustands geführt haben. An den revitalisierten Abschnitten wurde eine Erhöhung der Substratdiversität, Tiefen- und Strömungsvarianz festgestellt. Die Diversität von Gewässerelementen, wie beispielsweise Totholzverklausung, Altarme, Inseln oder Sand-/Kiesbänke hat ebenfalls zugenommen.
Insgesamt konnte in 17 der 26 Fälle eine Verbesserung in einer der drei Organismengruppen festgestellt werden. Diese Verbesserung betraf jedoch oftmals nur eine Verschiebung vom „schlechten“ oder „unbefriedigenden“ in den „unbefriedigenden“ oder „mäßigen“ Zustand. Lediglich in insgesamt vier Fällen konnte eine Verschiebung vom „mäßigen“ in den „guten“ oder „sehr guten“ Zustand dokumentiert werden. Im Hinblick auf den ökologischen Gesamtzustand (ökologische Zustandsklasse) erreicht nur eines der untersuchten Gewässer den von der EG-WRRL geforderten „guten“ ökologischen Zustand.
Die vergleichsweise geringe biologische Reaktion auf die Revitalisierungsmaßnahmen hängt mit verschiedenen Faktoren zusammen. So sind mittlerweile viele Einzugsgebiete in ihrer Gänze biozönotisch verarmt, so dass ein regionales Wiederbesiedlungspotenzial fehlt. Zudem weisen einige Gewässer stoffliche Belastungen auf, die die Wiederansiedlung sensitiver Arten erschwert. Auch die nicht seltene großflächige hydromorphologische Degradation vieler Gewässer spielt hierbei eine Rolle.
Die untersuchten Revitalisierungsprojekte zeigen durchweg eine deutliche Verbesserung ihrer Hydromorphologie. Damit sie auch aus ökologischer Sicht als erfolgreich bewertet werden können, ist eine ganzheitliche Betrachtung der Gewässer von zentraler Bedeutung. In den Fokus künftiger Planungen von Revitalisierungsmaßnahmen sollte daher nicht der Gewässerabschnitt allein, sondern der ganze Wasserkörper sowie sein Einzugsgebiet gerückt werden. Es sollten künftig in vorgeschalteten Einzugsgebietsanalysen Aspekte zum Wiederbesiedlungspotenzial von Organismen, zu Besiedlungsquellen sowie zur stofflichen und strukturellen Belastung erörtert werden. Diese Analysen bieten dann eine Basis, auf der fachlich fundiert entschieden werden kann, wo und in welchen räumlichen Abständen (z. B. Trittsteine) sinnvoller Weise Maßnahmen umgesetzt werden können.
Projekttitel | Evaluation von Fließgewässer-Revitalisierungsprojekten als Modell für ein bundesweites Verfahren zur Umsetzung effizienten Fließgewässerschutzes |
Stand des Projekts | Abgeschlossen 06/2009 |
Aktenzeichen | 25032 - 33/2 |
Projektträger | Forschungsinstitut Senckenberg Abt. Limnologie und Naturschutzforschung Clamecystr. 12 63571 Gelnhausen |
Ansprechpartner |
Herr Dr. Peter Haase |
Telefon | 06051/61954-0 |
peter.haase@senckenberg.de | |
Internet | www.senckenberg.de |