Deutsche Baumschulen produzieren jährlich über 150 Millionen Gehölzpflanzen. Es werden aber erheblich mehr Sträucher und Bäume ausgebracht, da sie in großen Stückzahlen zusätzlich aus dem Ausland importiert werden. Inzwischen finden verstärkt einheimische Gehölzgattungen Verwendung. Doch die Genetik gezüchteter Gehölze kann sich enorm von gebietsheimischen Sippen unterscheiden, da diese sich in einem bestimmten Naturraum über lange Zeiträume in vielfachen Generationsfolgen vermehrt und an die jeweiligen Umweltbedingungen des Gebietes angepasst haben.
Verpflichtung zur Biodiversität Die 1992 unterzeichnete internationale Biodiversitätskonvention schreibt vor, die Einbringung gebietsfremder Arten zu kontrollieren oder zu untersagen. Dabei bezieht sich der Begriff „Art" ausdrücklich auch auf Unterarten oder Teilpopulationen. Im nationalen Naturschutzrecht ist ein inhaltlich ähnlicher Passus zu finden. Für die Ansiedlung gebietsfremder Gehölze ist demnach eine Genehmigung notwendig.
Heimisch ist nicht gleich heimisch Fast die Hälfte der in deutschen Baumschulen produzierten Gehölze stammt aus gebietsfremder Herkunft. Diese können mit gebietsheimischen Gehölzen Hybride bilden, wodurch sich sukzessiv der Genpool einheimischer Gehölzarten in einem Gebiet verändert. Pflanzen gebietsfremder Herkunft sind oftmals weniger gut an spezifische Standortbedingungen angepasst. Gebietsspezifische Anpassungen können sukzessiv verloren gehen und damit auch ein Teil genetischer Vielfalt.
Verlust der Anpassungsfähigkeit Bei über einem Drittel der im Handel angebotenen Gehölze erfolgt die Vermehrung ausschließlich vegetativ. Da bei vegetativer Vermehrung das Erbgut der Abkömmlinge unverändert bleibt, kann bei den Klonen keine Anpassung an sich ändernde Umwelteinflüsse erfolgen. Das genetische Spektrum und damit die Anpassungsfähigkeit der Arten werden eingeschränkt. Langfristige Überlebenschancen reduzieren sich, insbesondere im Hinblick auf mögliche Umweltveränderungen.
Woher nehmen? Trotz dieser hinlänglich bekannten Gründe sind gebietsheimische Gehölze kaum im Angebot der Baumschulen. Dies liegt nach Aussagen der Betreiber vor allem daran, dass es kaum ausgewiesene Erntebestände gibt, die für die Produktion gebietsheimischer Gehölze geeignet wären. Es fehlt ein System zur Qualitätssicherung und Zertifizierung. Das Institut für Ökologie der Technischen Universität Berlin hat sich zum Ziel gesetzt, in Zusammenarbeit mit Fachbehörden und Baumschulen die fachlichen Grundlagen sowie ein ökonomisches Konzept für die Produktion und Zertifizierung herkunftsgesicherter Gehölze zu entwickeln.
Ausweisung geeigneter Erntebestände Am Beispiel einer Modellregion in Brandenburg wurden Kriterien für die Identifikation geeigneter Erntebestände erarbeitet. Diese wurden inventarisiert und als „Erntekataster" in Form von Datenbanken und Karten dargestellt, die für alle Baumschulen Brandenburgs zugänglich sind. Ziel war die Entwicklung eines standardisierten Verfahrens zur Kartierung und Ausweisung von Erntebeständen. Kooperierenden Baumschulen ziehen nach der Ernte in ausgewiesenen Gebieten das gebietsheimische Saatgut auf.
Qualitätssicherung Die zuvor erarbeiteten Kriterien bildenden die Grundlage für ein Zertifizierungssystem zur Herkunftssicherung. Ein mit dem Verband zur Förderung des ländlichen Raums im Land Brandenburg e. V. pro agro erwickeltes Qualitätsprogramm legt Qualitätsanforderungen an gebietsheimische Gehölze und Bestimmungen zur Prüfung fest. Alle Baumschulen der EU können an diesem Programm teilnehmen. Dieser Agrarmarketingverband ist verantwortlich für die Überwachung des Programms sowie die Verleihung des Qualitätssiegels.
Netzwerkbildung und Öffentlichkeitsarbeit Das Projekt sowie die Ergebnisse wurden fortlaufend in Publikationen und auf Informationsveranstaltungen der Öffentlichkeit vorgestellt. Der eigens gegründete Verein zur Förderung gebietsheimischer Gehölze im Land Brandenburg e. V. unterstützt mit seiner Arbeit die Anzucht und die Vermarktung gebietsheimischer Gehölze im Land Brandenburg und leistet damit einen aktiven Beitrag zum Naturschutz. Der Verein richtet sich vor allem an Planungsbüros, öffentlich ausschreibende Stellen und andere Kunden regionaler Baumschulbetriebe.Kurzinfo:
Projektziel
Sicherung der Biodiversität einheimischer Gehölze
Stand des Projekts
abgeschlossenes Vorhaben
Aktenzeichen
17379
Projektträger
Technische Universität Berlin Institut für Ökologie Rothenburgstraße 12 12165 Berlin-Steglitz
Ansprechpartner
Prof. Dr. Ingo Kowarik
E-Mail
kowarik@tu-berlin.de
Telefon
(030) 314 - 71350
Fax
(030) 314 - 71355
Kooperationspartner
Baumschulen Nauen GmbH Forstbaumschulen „Fürst Pückler" Zeischa GmbH & Co. KG Planungsgemeinschaft für angewandten Natur- und Artenschutz in Berlin und Brandenburg PLANA