Sanierung degradierter Niedermoore durch den Anbau von Schilf als nachwachsendem Rohstoff unter Verwertung gereinigter kommunaler Abwässer

Jahrzehntelange Entwässerung und Kultivierung der Niedermoore Nordost- und Nordwestdeutschlands haben zur Folge, dass heute nur noch wenige dieser Lebensräume in naturnahem Zustand sind. Neben dem Verlust einzigartiger Lebensgemeinschaften verlieren die Moore ihre wichtige Funktion als Stoffsenke und Wasserspeicher. Heute finden wir vielerorts statt ausgedehnter Seggenrieder oder Erlenbruchwälder monotones Saatgrasland oder endlose Maisfelder. In einem DBU-geförderten Projekt der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald soll durch Wiedervernässung mit gereinigten kommunalen Abwässern - kombiniert mit dem Anbau von Schilf - der Lebensraum Niedermoor renaturiert werden.
Wasserspeicher und Stoffsenke zugleich
Wasser ist entscheidendes Element im Lebensraum Moor. Wie ein Schwamm speichert der Bodenkörper große Wassermengen und trägt so zu einem ausgeglichenen Wasserhaushalt dieser Landschaften bei. Für Moore ist charakteristisch, dass im Laufe der Entstehung große Mengen unvollständig zersetzten Pflanzenmaterials als Torf ablagern. Daher haben sie eine erhebliche Bedeutung als CO2-Senke. Moore liefern hochgradig filtriertes Wasser und sind zudem Lebensraum für viele gefährdete feuchtigkeitsliebende Arten.

Ohne Wasser stirbt das Moor
In Nordostdeutschland erfolgte in den letzten fünf Jahrzehnten die Zerstörung vieler Niedermoore durch großflächige Entwässerung und intensive Bewirtschaftung. Bodenschrumpfung und Torfzehrung waren und sind die Folge. Durch die Trockenlegung entweichen Klima schädliche Gase und Nährstoffe, die Atmosphäre und Gewässer belasten. Auf kultivierten Moorflächen entstand vielerorts Ackerland oder Intensivgrünland. Die Moore verloren ihre wichtige Funktion als Wasserspeicher und Stoffsenke, vielmehr emittieren sie große Mengen Kohlendioxid.

Nutzung versus Erhaltung?
Verschiedene DBU-geförderte Forschungsprojekte in degradierten Niedermooren zeigen, dass die Nutzung und Erhaltung nicht grundsätzlich im Gegensatz stehen müssen, sondern umweltverträglich und wirtschaftlich zugleich sein können.

Schilf ist ein nachwachsender Rohstoff mit vielseitigen Verwendungsmöglichkeiten. Zusätzlich bieten Schilfbestände – neben ihrer Funktion als natürliche Kläranlage – einer Reihe röhrichtbewohnender Vogel- und Insektenarten Lebensraum.

Schilfanbau und Wiedervernässung
Schilfanbau und Wiedervernässung mittels gereinigter kommunaler Abwässern als Maßnahme zur Renaturierung eines entwässerten kultvierten Niedermoores in Brandenburg - waren die Ziele eines Projektes der Universität Greifswald. Die natürliche Funktion der Moore soll wiederhergestellt und gleichzeitig wieder Lebensraum für typische Pflanzen- und Tierarten der Niedermoore bieten.

Schilf als Rohstoff
Eine zentrale Frage bestand darin, die Nutzungsmöglichkeiten von Schilf als Rohstoff zu untersuchen. Hierzu wurde eine zehn Hektar große Versuchsfläche kontinuierlich überstaut und mit Schilf bepflanzt. Die Voraussetzungen für eine erneute Torfbildung und damit die Reaktivierung der natürlichen Funktionen des Niedermoores im Landschaftshaushalt konnten geschaffen werden. Hohe Stoffausträge zu Anfang ließen auf die Auswirkungen noch funktionstüchtiger Dränagen zurückführen. Als unproblematisch erwies sich der Einsatz gereinigter Abwässer. Das Niedermoor fungiert hier als natürliche Kläranlage.

Schilf ist extrem konkurrenzstark, wächst über der Wasseroberfläche bis zu vier Meter hoch und bildet natürliche Einartbestände. Der Unterwasserbereich wird von einer Vielzahl Wirbelloser, Amphibien und Fischen bewohnt.
Alte Drainagen als Problem
Ein noch vorhandenes Entwässerungssystem führte zu nicht steuerbaren Sickerwasserverlusten und hohen Stoffausträgen. Der durch die geringe Größe der Versuchsflächen bedingte Inseleffekt erwies sich im Versuchsverlauf zusätzlich als ungünstig. Wiedervernässungsmaßnahmen müssen großflächig erfolgen und vorhandene Entwässerungssysteme vor Projektbeginn unbedingt deaktiviert bzw. mit Steuereinrichtungen versehen werden.

Vielseitigkeit des Rohstoffes Schilf
Eine im Projekt beteiligte Firma entwickelte Dämmstoffe und Putzmatten für das Baugewerbe sowie Formkörper aus gehäckseltem Schilfmaterial. Die Verwendungsmöglichkeiten dieses nachwachsenden Rohstoffes sind vielseitig. Eine weitere Einsatzmöglichkeit für die Verwendung des Schilfmaterials ist z. B. die Produktion von Erosionsschutzmatten.
Schilfernte im Peenetal: Bei der Schilfernte kommen dänische Saiga-Maschinen zum Einsatz. Durch die Ballonreifen an diesen Fahrzeugen werden der Untergrund und damit auch die Schilfrhizome nur gering belastet.

Gute Voraussetzung: Wasserüberschuss
Aufgrund negativer Wasserbilanz ist in Nordostdeutschland großflächiger Schilfanbau nur bedingt realisierbar. Der zusätzlich notwendige Wasserbedarf von bis zu 10 mm pro Tag kann hier über eine externe Zuführung nur bedingt gedeckt werden. Im Vergleich wäre in westdeutschen Niederungen der Niederschlagsüberschuss zur Bewässerung/Vernässung degenerierter Niedermoore und großflächigen Schilfkultivierung ausreichend.

Fazit
Natürliche Bodenfunktionen degradierter Niedermoore können durch Wiedervernässung langfristig wieder hergestellt werden. Bei unzureichender Verfügbarkeit von Grund- und Oberflächenwasser ist eine Nutzung gereinigter kommunaler Abwässer zur Wiedervernässung denkbar.

Kurzinfo:

ProjektzielSanierung eines degradierten Niedermoores mittels Anbau von Schilf als nachwachsendem Rohstoff unter Verwertung gereinigter kommunaler Abwässer
Stand des ProjektsAbgeschlossen
Aktenzeichen06708
Projektträger

Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald
Botanisches Institut und Botanischer Garten
Grimmer Straße 88
17487 Greifswald

AnsprechpartnerProf. Dr. Michael Succow
Dr. Wendelin Wichtmann
Achim Schäfer
Telefon(03834) 86 41 12
Fax(03834) 86 41 14
Email

wicht@uni-greifswald.de
schaefea@uni-greifswald.de

Internetwww.botanik.uni-greifswald.de
www.uni-greifswald.de/%7Elaoekon/projekte/projekt_schilf_dbu.htm
Junge Schilfpflanzen auf der Versuchsparzelle. Durch das Einstellen ganzjährig hoher Wasserstände kann mittelfristig die Torfmineralisation und damit das Emittieren von Kohlendioxid deutlich reduziert werden.