Carbolineum ist eine Mischung verschiedener Teeröle, das sowohl insektizid als auch fungizid wirkt. In der Vergangenheit wurde das Material daher oft als Holzschutzmittel eingesetzt. Heute wird das schwarzbraune Teeröl aufgrund seines Gehalts an polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) als karzinogen und umweltschädlich eingestuft und seine Verwendung verboten. Ziel des Rathgen-Forschungslabors in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Denkmalpflege Schleswig-Holstein, der Hochschule für Bildende Künste Dresden, der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung, dem Landeskirchenamt der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland und dem Dipl.-Restaurator Markus Freitag war daher die Reduzierung der Carbolineumbelastung in Holzobjekten, die in der Vergangenheit mit dem Teeröl behandelt worden sind.
Im Rahmen des Vorhabens wurde der Ist-Zustand der demontierbaren Holzelemente des Pilotobjektes des barocken Reyer-Epitaphs aus der St. Laurentius-Kirche zu Tönning (Schleswig-Holstein) analysiert. Sowohl die Originalfassung von 1704 als auch die Bearbeitung von 1903 zeigen eine Vergoldung sowie Farbpartien in öligen Bindemittelsystemen auf einem leimgebundenen Kreidegrund. Die Barockfassung ist stark und die Überfassung partiell durch das Carbolineum beeinträchtigt, welches im Jahr 1903 zum Schutz gegen Schädlings-befall eingebracht wurde. Ein Röntgen-CT sowie lichtmikroskopische Untersuchungen haben ergeben, dass das ursprüngliche Holz stark durch Insektenfraß geschädigt ist: Etwa 70–80 % des Holzvolumens sind betroffen. Der mit der Soxhlet-Extraktion ermittelte Carbolineumgehalt im Originalholz betrug 38–46 %.
An Originalfragmenten konnte durch Tests gezeigt werden, dass eine Reduzierung der Carbolineumbelastung durch Lösungsmittelextraktionen möglich ist. Am besten geeignet bezüglich des Dekontaminierungsgrads sind die kurzzeitige Extraktion mit 1,3-Dioxolan und die Dampfphasen-Extraktion mit Dichlormethan in der Knochenentfettungsanlage am Zoologischen Institut der Universität Hamburg. An einem Engelkopf des Pilot-objekts wurde das letztgenannte Verfahren angewendet: Die 37-tägige Dampfphasen-Extraktion mit Dichlormethan reicherte das im Holz enthaltene Carbolineum um bis zu 94 % ab, ohne den Holzkern zu schädigen, jedoch unter Verlust der ölgebundenen Fassung. Die weitere Optimierung des Extraktionsmittels ergab, dass die Fassung bei einer Extraktion mit einer 5%igen 1,3-
Dioxolanlösung in Siedegrenzbenzin nicht beschädigt wird und das Carbolineum nach 24 Stunden um 66 % abgereichert wird. Eine höher konzentrierte Dioxonalösung (10 %) führte zu einer Schädigung der Fassung.
Der dekontaminierte Engelkopf wird fachmännisch restauriert und konserviert. Die Arbeiten an dem Engelkopf bestätigen, dass eine Reduzierung der Carbolineumbelastung durch Lösungsmittelextrak-tionen möglich ist. In Zukunft soll zur Reduzierung der Carbolineumbelastung eine Anlage, die mit einem optimierten, für die Fassung schonenden Lösungsmittel betrieben werden kann, konstruiert werden sowie eine weitere Optimierung des Extraktionsmittels erfolgen, um die ölgebundene Fassung erhalten zu können und gleichzeitig einen hohen Dekontaminierungsgrad zu erreichen.
Projektthema:
Dekontaminierung historischer Carbolineumimprägnierungen
Projektdurchführung:
Rathgen-Forschungslabor – Staatliche Museen zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz
Schloßstr. 1 A
14059 Berlin
Homepage
Kooperationspartner:
• Landesamt für Denkmalpflege Schleswig-Holstein
• Hochschule für Bildende Künste Dresden
• Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung
• Landeskirchenamt der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland
• Dipl.-Restaurator Markus Freitag
AZ 30165