In dem Vorhaben soll an den Standorten der Universitäten Hamburg und Würzburg ein „Leitfaden für die klimasensible Gesundheitsberatung in hausärztlichen Praxen“ entwickelt und erprobt werden. Der Leitfaden ist für die konkrete Anwendung im Praxisalltag vorgesehen. Er hat das Ziel, Hausärztinnen und Hausärzten das benötigte Wissen zu vermitteln und ihnen konkrete und evidenzbasierte Handlungsanweisungen, Hinweise, Anregungen und Lösungsvorschläge für eine klimasensible Gesundheitsberatung zu geben. Der Leitfaden soll den Schritt in das transformative ärztliche Handeln niedrigschwellig ermöglichen, sodass sich interessierte Hausärztinnen und Hausärzte zutrauen, wichtige Aspekte des Klima- und Umweltschutzes und damit der Planetaren Gesundheit in ihre Gesundheitsberatung mit einzubeziehen.
Erzielte Ergebnisse / erreichte Meilensteine:
Zu Beginn des Projektes erfolgte eine Literaturrecherche. Im Anschluss wurde in zwei Online-Fokusgruppen mit 14 Hausärzt:innen (acht mit und sechs ohne Vorerfahrungen in klimasensibler Gesundheitsberatung) diskutiert, welche Erwartungen und Wünsche von hausärztlicher Seite an einen entsprechenden Leitfaden bestehen. Die Online-Fokusgruppen wurden per Audioaufnahme aufgezeichnet und transkribiert. Die Auswertung erfolgte mittels Qualitativer Inhaltsanalyse nach Kuckartz. Zu den präferierten Inhalten gehörten z.B. Hitze, Alltagsgestaltung, Tropenkrankheiten oder psychische Belastungen. Hausärzt:innen wünschten sich Beratungsbeispiele, Formulierungsvorschläge, Checklisten und eine Übersicht zu Informationsmaterialien. Als Erwartung wurde geäußert, dass die Messlatte nicht zu hoch gesetzt werden sollte, um andere Hausärzt:innen nicht abzuschrecken. Wichtig sei es zudem, die Patient:innen zu motivieren anstatt zu bevormunden, ihnen das Gefühl von Ohnmacht zu nehmen, die Co-Benefits hervorzuheben und die Klimakrise als gemeinsam anzugehendes Problem anzusehen. Zusätzlich sahen die Hausärzt:innen bei der Umsetzung von klimasensibler Gesundheitsberatung Herausforderungen hinsichtlich des Zeitaufwands, eigener Unsicherheiten, der infrastrukturellen Grenzen sowie Faktoren seitens der Patient:innen, z.B. die Verdrängung des Problems oder fehlendes Verständnis.
Auf Basis der Ergebnisse der Literaturrecherche und der Fokusgruppen wurde zunächst eine Gliederung für den Leitfaden zur klimasensiblen Gesundheitsberatung entworfen, im weiteren Verlauf wurden die Kapitel geschrieben. Hierbei wurden verschiedene Expert:innen zu bestimmten Themenbereichen des Leitfadens einbezogen. Im nächsten Schritt wurde der Leitfaden von hausärztlichen Praxen evaluiert. Die Erfahrungen und daraus abzuleitende Verbesserungsvorschläge und Überarbeitungswünsche wurden anhand einer schriftlichen Evaluation der Hausärzt:innen erfasst. Zur gemeinsamen Auswertung der Ergebnisse und Erfahrungen sowie der Erarbeitung weiterer Verbesserungsmöglichkeiten für den finalen Leitfaden fanden zwei abschließende Fokusgruppen statt. Der Leitfaden wurde nach Auswertung der abschließenden Fokusgruppen finalisiert und gelayoutet. Über das bundesweite Netzwerk von KLUG (Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit) und der DEGAM (Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin) wird der finale Leitfaden einer breiten Ärzt:innenschaft zur Verfügung gestellt. Weitere Verbreitungswege werden genutzt, Publikationen werden angestrebt. Der Leitfaden wird online kostenfrei abrufbar sein.
Entstanden ist ein umfassender Leitfaden mit thematischer Einführung, einem Kapitel „Basiswissen für Hausärzt:innen“ zu bspw. gesundheitlichen Auswirkungen (z.B. durch Hitze, Zoonosen, psychischen Belastungen), einem Kapitel „Klimasensible Gesundheitsberatung“ (z.B. Klimakommunikation und Praxisbeispiele) sowie Tipps, Abbildungen, weiterführender Literatur und Links. Der Leitfaden wird in Kürze verfügbar sein unter: www.uke.de/elkge
Basierend auf dem Leitfaden wird zusätzlich eine DEGAM S1-Handlungsempfehlung erarbeitet. Die Erstellung wird von Dr. Alina Herrmann (Vorsitzende Sektion Klimawandel und Gesundheit der DEGAM) und Dr. Heike Hansen koordiniert (siehe https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/053-061). Die Fertigstellung ist für Ende 2024 geplant.
Durch die vermehrte Verbreitung und Anwendung der klimasensiblen Gesundheitsberatung in hausärztlichen Praxen ist eine potentielle Umweltentlastung gegeben. Neben den Handlungsoptionen im Bereich der Adaptation, der Klimafolgenanpassung, macht der entstandene Leitfaden die Handlungsspielräume im Bereich der Mitigation, des Klimaschutzes, bewusst. So kann die klimasensible Gesundheitsberatung beispielweise durch die Auswahl klimaschonender Medikamente oder die Betonung von Co-Benefits, den Synergien zwischen einem gesünderen und gleichzeitig klimafreundlicheren Verhalten und Lebensstil, auf Ärzt:innen- und Patient:innenseite zu mehr aktivem Klimaschutz beitragen und somit auch zu einer Verbesserung der planetaren Gesundheit führen.
(Publikationen: CME-Publikation: Herrmann, A; Mews, C; Hansen, H; Lenzer, B; Schwienhorst-Stich, EM; Quitmann, C (2023): Klimasensible Gesundheitsberatung. In: Zeitschrift für Allgemeinmedizin 99 (8), S. 426–436. DOI: 10.1007/s44266-023-00139-8.)
DBU-Förderthema 1: Nachhaltigkeitsbewertung, Nachhaltigkeitskompetenzen, Nachhaltigkeitshandeln
WBGU-Teilhandlungsfeld: Gesunde Gesundheitssysteme (die Teilhandlungsfelder beziehen sich auf die Publikation des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) „Planetare Gesundheit: Worüber wir jetzt reden müssen“)
Projekttitel: Entwicklung und Implementierung eines Leitfadens zur klimasensiblen Gesundheitsberatung für hausärztliche Praxen
Projektdurchführung: Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Zentrum für Psychosoziale Medizin, Institut und Poliklinik für Allgemeinmedizin
Ansprechpartner: Prof. Dr. Martin Scherer, Kooperationspartner: Universitätsklinikum Würzburg, Institut für Allgemeinmedizin
DBU-AZ: 38006/01, Förderzeitraum: April 2022 – September 2023
Stand: Juni 2024
Titelfoto: Canva