Nachhaltige Handlungsmöglichkeiten in einer hausärztlichen Praxis (NaPra)

Der Gesundheitssektor gehört zu einem der größten Treibhausgas (THG)-Emittenten weltweit. Das Gesundheitswesen in Deutschland (stationär und ambulant) verursacht dabei 5,2 Prozent der nationalen Treibhausgasemission bzw. des CO2-Fußabdrucks. Auf dem 125. Deutschen Ärztetag (2021) wurde das Ziel formuliert: Bis 2030 soll das Gesundheitssystem klimaneutral werden. Dennoch gibt es bisher noch wenig evidenzbasierte und praxiserprobte nachhaltige Handlungsmöglichkeiten für den Bereich der hausärztlichen Praxis. Das Ziel von NaPra ist es daher, die Entwicklung und Veröffentlichung von strukturierten, praxisnahen, einfach umsetzbaren und möglichst evidenzbasierten Handlungsempfehlungen für eine nachhaltige Hausarztpraxis voran zu bringen und über solche Unterstützungsinstrumente den CO2-Fußabdruck in hausärztlichen Praxen zu senken. Zusätzlich soll NaPra das
Nachhaltigkeitsbewusstsein und Kompetenzen des Praxisteams stärken und durch die Vorbildfunktion/einen Multiplikatoreffekt auch auf das nachhaltige Verhalten von Patient:innen positiv wirken.

ELKGE-Team (von links): Heike Hansen, Claudia Mews, Eva-Maria Schwienhorst-Stich, Janina Zirkel (Foto: Eva-Maria Schwienhorst-Stich)
ELKGE-Team (v.l.): Heike Hansen, Claudia Mews, Eva-Maria Schwienhorst-Stich, Janina Zirkel (Foto: Eva-Maria Schwienhorst-Stich)
© Eva-Maria-Schwienhorst

Erzielte Ergebnisse / erreichte Meilensteine:

Zu Beginn des Projektes erfolgte eine Literaturrecherche. Im Anschluss wurde in zwei Online-Fokusgruppen mit 14 Hausärzt:innen (acht mit und sechs ohne Vorerfahrungen in klimasensibler Gesundheitsberatung) diskutiert, welche Erwartungen und Wünsche von hausärztlicher Seite an einen entsprechenden Leitfaden bestehen. Die Online-Fokusgruppen wurden per Audioaufnahme aufgezeichnet und transkribiert. Die Auswertung erfolgte mittels Qualitativer Inhaltsanalyse nach Kuckartz. Zu den präferierten Inhalten gehörten z.B. Hitze, Alltagsgestaltung, Tropenkrankheiten oder psychische Belastungen. Hausärzt:innen wünschten sich Beratungsbeispiele, Formulierungsvorschläge, Checklisten und eine Übersicht zu Informationsmaterialien. Als Erwartung wurde geäußert, dass die Messlatte nicht zu hoch gesetzt werden sollte, um andere Hausärzt:innen nicht abzuschrecken. Wichtig sei es zudem, die Patient:innen zu motivieren anstatt zu bevormunden, ihnen das Gefühl von Ohnmacht zu nehmen, die Co-Benefits hervorzuheben und die Klimakrise als gemeinsam anzugehendes Problem anzusehen. Zusätzlich sahen die Hausärzt:innen bei der Umsetzung von klimasensibler Gesundheitsberatung Herausforderungen hinsichtlich des Zeitaufwands, eigener Unsicherheiten, der infrastrukturellen Grenzen sowie Faktoren seitens der Patient:innen, z.B. die Verdrängung des Problems oder fehlendes Verständnis.

Auf Basis der Ergebnisse der Literaturrecherche und der Fokusgruppen wurde zunächst eine Gliederung für den Leitfaden zur klimasensiblen Gesundheitsberatung entworfen, im weiteren Verlauf wurden die Kapitel geschrieben. Hierbei wurden verschiedene Expert:innen zu bestimmten Themenbereichen des Leitfadens einbezogen. Im nächsten Schritt wurde der Leitfaden von hausärztlichen Praxen evaluiert. Die Erfahrungen und daraus abzuleitende Verbesserungsvorschläge und Überarbeitungswünsche wurden anhand einer schriftlichen Evaluation der Hausärzt:innen erfasst. Zur gemeinsamen Auswertung der Ergebnisse und Erfahrungen sowie der Erarbeitung weiterer Verbesserungsmöglichkeiten für den finalen Leitfaden fanden zwei abschließende Fokusgruppen statt. Der Leitfaden wurde nach Auswertung der abschließenden Fokusgruppen finalisiert und gelayoutet. Über das bundesweite Netzwerk von KLUG (Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit) und der DEGAM (Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin) wird der finale Leitfaden einer breiten Ärzt:innenschaft zur Verfügung gestellt. Weitere Verbreitungswege werden genutzt, Publikationen werden angestrebt. Der Leitfaden wird online kostenfrei abrufbar sein.

Entstanden ist ein umfassender Leitfaden mit thematischer Einführung, einem Kapitel „Basiswissen für Hausärzt:innen“ zu bspw. gesundheitlichen Auswirkungen (z.B. durch Hitze, Zoonosen, psychischen Belastungen), einem Kapitel „Klimasensible Gesundheitsberatung“ (z.B. Klimakommunikation und Praxisbeispiele) sowie Tipps, Abbildungen, weiterführender Literatur und Links. Der Leitfaden wird in Kürze verfügbar sein unter: www.uke.de/elkge

Basierend auf dem Leitfaden wird zusätzlich eine DEGAM S1-Handlungsempfehlung erarbeitet. Die Erstellung wird von Dr. Alina Herrmann (Vorsitzende Sektion Klimawandel und Gesundheit der DEGAM) und Dr. Heike Hansen koordiniert (siehe https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/053-061). Die Fertigstellung ist für Ende 2024 geplant.

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Durch die vermehrte Verbreitung und Anwendung der klimasensiblen Gesundheitsberatung in hausärztlichen Praxen ist eine potentielle Umweltentlastung gegeben. Neben den Handlungsoptionen im Bereich der Adaptation, der Klimafolgenanpassung, macht der entstandene Leitfaden die Handlungsspielräume im Bereich der Mitigation, des Klimaschutzes, bewusst. So kann die klimasensible Gesundheitsberatung beispielsweise durch die Auswahl klimaschonender Medikamente oder die Betonung von Co-Benefits, den Synergien zwischen einem gesünderen und gleichzeitig klimafreundlicheren Verhalten und Lebensstil, auf Ärzt:innen- und Patient:innenseite zu mehr aktivem Klimaschutz beitragen und somit auch zu einer Verbesserung der planetaren Gesundheit führen.

DBU-Förderthema 1: Nachhaltigkeitsbewertung, Nachhaltigkeitskompetenzen, Nachhaltigkeitshandeln

WBGU-Teilhandlungsfeld: Gesunde Gesundheitssysteme (die Teilhandlungsfelder beziehen sich auf die Publikation des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) „Planetare Gesundheit: Worüber wir jetzt reden müssen“)

Projekttitel: Entwicklung von praxistauglichen Instrumenten und Kompetenzen (Toolkit) für nachhaltige Handlungsmöglichkeiten in einer hausärztlichen Praxis (NaPra)
Projektdurchführung: Institut für Allgemeinmedizin, Goethe-Universität Frankfurt am Main

Ansprechpartner: Dr. med. Catriona Friedmacher, Kooperationspartner: Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen (aQua) Göttingen

DBU-AZ: 38786, Förderzeitraum: Januar 2024 – Dezember 2024

Stand: Mai 2024

Titelbild: pch.vector/Freepik