Mit Blick auf die Energiewende besteht im Gebäudesektor noch immer ein großes Energieeinsparpotenzial. Neben einer zusätzlichen Dämmung der Gebäude wird dabei auch die Luftdichtheit berücksichtigt. Warum ist die Luftdichtheit überhaupt wichtig? Ganz einfach: Durch Undichtigkeiten in der Gebäudehülle entstehen unkontrollierte Wärmeverluste! So kann beispielsweise an Bauteilanschlüssen wie Fenstern mehr oder weniger warme Luft aus dem Gebäude ausströmen.
Eine luftdichte Bauweise beeinflusst allerdings auch die Raumluftqualität, also Lufteigenschaften wie Feuchte und CO2-Konzentration. Nur mit einer reinen Fensterlüftung ist die Einhaltung einer guten Raumluftqualität nicht immer möglich – aber genau diese Lüftungsmethode wird heute überwiegend in Schulen angewendet! Eine unzureichende Raumluftqualität wirkt sich negativ auf das Lernvermögen und die Leistungsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler aus. Darüber hinaus zeigen aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse zur Infektionsausbreitung, dass die Ansteckungswahrscheinlichkeit aufgrund von infektiösen Partikeln in Aerosolen im Raum wesentlich durch den Außenluftwechsel beeinflusst wird.
Ein Lösungsansatz ist hier die maschinelle Lüftung von Klassenräumen, welche die notwendige Luftqualität bereitstellen und mit Wärmerückgewinnungssystemen den energetischen Gesamtaufwand reduzieren kann. Eine Kennzahl solcher Lüftungssysteme ist die sogenannte Lüftungseffektivität. Diese sagt aus, inwieweit ein Lüftungssystem die gegebenen Lüftungsanforderungen im Raum erfüllt und lässt sich zur Bewertung der jeweiligen Luftführungskonzepte heranziehen. Bewertungskriterien sind insbesondere die Grenzwerte im Aufenthaltsbereich von Personen, wie beispielweise die maximale CO2-Konzentration von 1.000 ppm („parts per million“, also „Anteile pro Million“) in Schulen. In Gewerbegebäuden und Industriehallen werden entsprechend individuell geplante Lüftungsanlagen schon häufig eingesetzt.
Bei der Planung von Lüftungsanlagen wird jedoch nur selten die örtliche Effektivität des nötigen Luftwechsels betrachtet, weil die Dimensionierung dort auf der Annahme basiert, dass die Raumluft vollständig durchmischt ist. Dieses Vorgehen führt tendenziell zu erhöhten Luftvolumenströmen und damit zu einem höheren Energieverbrauch als eigentlich erforderlich. Hier kann also eine gezielte Luftführung genutzt werden, die Luftströmung im Raum derart anzupassen, dass die Lüftungseffektivität gesteigert und der Luftvolumenstrom bei ausreichend hoher Luftqualität reduziert werden. Und dadurch wiederum ergeben sich Einsparmöglichkeiten hinsichtlich des Gesamtenergieaufwands von Lüftungssystemen!
Allerdings gibt es trotz dieses Vorteils bislang kaum Angaben in der Fachwelt, wie verschiedene Luftführungskonzepte diesbezüglich bewertet werden können. Und genau hier setzt das Forschungsprojekt „Untersuchungen zur Optimierung maschineller Luftführungskonzepte in Schulen zwecks Verbesserung der Innenraumluftqualität, Behaglichkeit und Energieeffizienz (OLiS)“ des Instituts für Gebäudeenergetik, Thermotechnik und Energiespeicherung (IGTE) der Universität Stuttgart an. Kopperationspartner ist die LTG AG.
Ein Workshop mit zwölf Lehrkräften sowie Vertreterinnen und Vertretern von Schul- und Hochbauämtern zum Thema „Lüftung in Schulen“ ergab zunächst, dass die Lehrkräfte im Rahmen ihrer Möglichkeiten versuchen, die Vorgaben zur Lüftung einzuhalten – insbesondere während der Pandemie mit regelmäßigem Fensteröffnen alle 20 Minuten. Im Sommer können die Fenster häufig durchgehend geöffnet werden, während in den kühleren Jahreszeiten die Fenster wegen der teils zügigen Abkühlung des Raums und der dadurch entstehenden Unbehaglichkeit nur temporär und auf mehrfaches Bitten der Lehrkräfte geöffnet werden können. Nur mit Unterstützung der Schulklasse ist es also möglich, mit einer reinen Fensterlüftung eine über das gesamte Jahr adäquate Raumluftqualität zu erreichen.
Für ein typisches Klassenzimmer wurden im Projekt verschiedene Varianten der Luftführung wie beispielsweise Mischlüftung und Schichtlüftung mittels Simulationen untersucht sowie deren Lüftungseffektivität und weitere Kenngrößen wie Behaglichkeit und Zugluftrisiko ermittelt. So konnten Schwachstellen der jeweiligen Lüftungsvarianten identifiziert und Verbesserungsvorschläge erarbeitet werden.
Die anschließenden experimentellen Untersuchungen in einem Raumluftströmungslabor mit typischer Größe eines Klassenzimmers bestätigten bereits die Simulationsergebnisse für ein Luftführungskonzept mit Schichtführung, sowohl für einen vollbelegten als auch für einen nur teilbelegten Klassenraum. Darüber hinaus wurde auch eine Variante mit einer typischen Teilbelegung während der Covid19-Pandemie nachgebildet.
Die Untersuchungsergebnisse sollen nun genutzt werden, um einen Planungsleitfaden für eine optimierte Luftführung in Klassenräumen zu erstellen, um so Planerinnen und Planer bei der Auslegung energieeffizienter Schullüftungskonzepte zu unterstützen. Im Fokus stehen eine optimale Lüftungseffektivität und Behaglichkeit bei gleichzeitig niedrigem Energieaufwand.
Einen spannenden Artikel über eine weitere Studie des IGTE zum Thema Luftreinigungsgeräte in Klassenzimmern finden Sie auf der Seite des SWR.
Projektdurchführung
Universität Stuttgart
Institut für Gebäudeenergetik, Thermotechnik und Energiespeicherung (IGTE)
70569 Stuttgart
www.igte.uni-stuttgart.de
DBU-AZ: 34900/01
Förderzeitraum: Juli 2019 bis Dezember 2021
Stand: 23.07.2021