Der Tagebau geht und die Natur kommt

Die Förderung von Braunkohle als fossile Energiequelle verursachte während der vergangenen hundert Jahre erhebliche Umweltschäden. Der Abbau konzentrierte sich auf die drei großen Abbauregionen im Rheinland, der Lausitz und dem Gebiet zwischen Helmstedt und Leipzig/Halle. Viele der früheren Tagebaue haben jedoch mittlerweile ihren Betrieb eingestellt und bieten der Natur großflächig neuen Entwicklungsraum. Wie soll die Zukunft dieser Gebiete aussehen?
Prozessschutz oder Management?
Flächen bewusst ihrer natürlichen Entwicklung zu überlassen ist bislang nur in wenigen Kernzonen von Nationalparken und Naturschutzgebieten verwirklicht worden. Dieser Prozessschutz soll in den anthropogen entstandenen Bergbaufolgelandschaft großflächig realisiert werden. Hierzu erfolgte eine Auswahl und Sicherung geeigneter Gebiete im ehemaligen Tagebau Goitzsche. Im Fokus des Projekts stand die Erstellung von Konzeptionen, die Interessen des Naturschutzes mit konkurrierenden Nutzungsabsichten bereits frühzeitig in Einklang bringen. Dies sollte ohne Abstriche an den naturschutzfachlichen Zielstellungen geschehen.

Gottes Aue
Der größere Teil des ehemaligen Tagebaugebiets Goitzsche liegt im Landkreis Bitterfeld im Südosten Sachsen-Anhalts. Von Südwesten nach Nordosten verläuft die Landesgrenze. Etwa ein Drittel des Gebiets liegt im sächsischen Landkreis Delitzsch. Der Name stammt aus der Sprache flämisch-germanischer Völker und bedeutet soviel wie „Gottes Aue". Von der einstigen Aue und den Wäldern ließ der Braunkohletagebau allerdings nur Relikte übrig. Etwa 60 km² Landschaft sind in diesem Gebiet heute nahezu zerstört - eine Fläche, die der Größe von weit über 7000 Fußballfeldern entspricht.

Eine Seelandschaft für Mensch und Natur
Nach Ende der Kohleförderung stand die Idee dem Naturschutz und auch der Naherholung bei der zukünftigen Entwicklung des Abbaugebietes Vorrang zu geben. Die Flutung der Tagebaulöcher ließ eine Seenlandschaft mit rund 25 km² offener Wasserfläche entstehen. Das Wasser hierfür stammt aus dem benachbarten Fluss, der Mulde. In einem Projekt der BUND Landesverbände Sachsen-Anhalt und Sachsen wurden die verschiedenen Nutzungsansprüche ermittelt sowie Flora und Fauna des Gebiets untersucht. Die Ergebnisse bildeten die Basis für die weitere Entwicklung des Gebietes.

Naherholung und Wildnis - ein Widerspruch?
Die Bergbaufolgelandschaft der Goitzsche wird aus naturschutzfachlicher und touristischer Sicht in zwei Bereiche aufgeteilt: Der nördliche Bereich des Großen Goitzschesees - nahe der Stadt Bitterfeld - ist für intensive und der südliche zur hauptsächlich ruhigen Erholungsnutzung vorgesehen. Im Süden hat die Natur absoluten Vorrang.

Freie Entfaltung für die Natur
Wichtig ist, frühzeitig zu entscheiden, welche weitere Entwicklung die Flächen nehmen sollen. Ohne das Wirken des Menschen breiten sich durch natürliche Sukzession lückige Kieferntrockenwälder und Birken-Eichen-Wälder aus. Hier stehen jedoch konkurrierende Nutzungsinteressen gegenüber. Daher ist es die Hauptaufgabe der Projektbeteiligten praxisorientierte, aber auch nachhaltige Lösungen zu finden.

Der jahrzehntelange Tagebau hat das Gesicht von „Gottes Aue“ vollständig verändert. Nach Abbaggerung der Braunkohle stehen Wiedernutzbarmachung oder Naturentwicklung zur Wahl. In der Goitzsche entschied man sich für die Natur.

Kooperation statt Konfrontation und Information der Bevölkerung
Einer der Verhandlungserfolge war beispielsweise die Einigung mit der Jägerschaft: Alle Beteiligten akzeptieren Jagdruhe in den wertvollen Kernflächen. Zwischenzeitlich steigt auch das Interesse der Bevölkerung für Belange des Naturschutzes in der Goitzsche. Dies ist der Verdienst intensiver Öffentlichkeitsarbeit des BUND. Auf sieben Fachtagungen stellten Projektteilnehmer Inhalte, Aufgaben, Ziele und Ergebnisse des Projektes vor. Mit regelmäßigen Vorträgen und Exkursionen werden regionale Interessengruppen kontinuierlich über die Naturschönheiten des Gebiets sowie die Zukunft der Goitzsche informiert. Verschiedene Printmedien, wie Flyer, Broschüren und eine regelmäßig erscheinende Zeitung, sind fester Bestandteil der Öffentlichkeitsarbeit.
 

Kurzinfo:

ProjektzielBergbaufolgelandschaften - Chancen zur Integration von Wildnisgebieten in die Kulturlandschaft am Beispiel der Goitzsche
Stand des Projektsabgeschlossenes Vorhaben
Aktenzeichen19357
Projektträger

Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) e. V.
Landesverband Sachsen-Anhalt
Landesgeschäftsstelle
Olvenstedter Straße 10
39108 Magdeburg

AnsprechpartnerBUND Landesverband Sachsen-Anhalt e. V.
Telefon(0391) 54 33 361
Fax(0391) 54 15 270
Email

info@bund-sachsen-anhalt.de
BUND-Goitzsche@web.de

Kooperationspartner Professor Hellriegel
Institut e. V.an der Hochschule Anhalt (FH)
Strenzfelder Allee 28
06406 Bernburg
Internetwww.bund-sachsen-anhalt.de
www.goitzsche-wildnis.de
Ehemalige Tagebauflächen sind Extremstandorte, da trocken, nährstoffarm und sauer. Sie bieten großflächig Lebensraum für eine Reihe gefährdeter Spezialisten. Die Palette der Lebensräume ist vielfältig und reicht von Silbergras-Pionierfluren, ausdauernden Sandtrockenrasen bis hin zu Feuchtlebensräumen.