Cofaktor-unabhängige Decarboxylasen

Bei den Cofaktor-unabhängigen Arylmalonat-Decarboxylasen handelt es sich um äußerst seltene Enzyme.
Gleichwohl sind diese Decarboxylasen begehrte Biokatalysatoren, die bei einer Vielzahl spezifischer, regio- und enantioselektiver Umsetzungen in der chemischen Industrie eingesetzt werden könnten. Durch Einsatz dieser Enzymklasse können erhebliche Schwermetall- (circa 10 kg vanadiumhaltiger Abfall pro Tonne an Endprodukt) und blausäurehaltige Abfälle (circa 1-2 Tonnen pro Tonne an Endprodukt) vermieden werden. Im Rahmen eines Forschungsprojekts wurden neue Decarboxylasen isoliert, charakterisiert und für den industriellen Einsatz vorbereitet.

Vorteile von Decarboxylasen
Die Decarboxylierung eines prochiralen Malonsäurederivates führt theoretisch zu 100 % eines enantiomerenreinen Produkts. Die Chiralität wird dabei erst durch die enzymatische Reaktion in das Substrat eingeführt.
Der besondere Schwerpunkt lag auf der Identifikation solcher Decarboxylasen, die keine Cofaktoren benötigen und zudem in dem Produktionsorganismus Escherichia coli herstellbar sind. Die enantioselektive Decarboxylierung erleichtert den Zugang zu einer Vielzahl neuer Feinchemikalien sowie pharmazeutisch wichtiger Zwischen- und Endprodukte, wie beispielsweise Ibuprofen und Naproxen, die zu den wichtigsten Ent­zündungshemmern gehören.

Suche nach neuen Decarboxylasen
Zur Isolierung neuer Decarboxylasen wurden drei Vorgehensweisen parallel bearbeitet:

Die Anreicherungsstrategie brachte die besten Erfolge: Es wurden fünf Umweltisolate identifiziert, die entsprechende Enzymaktivität aufweisen. Bei der anschließenden Bestimmung über die 16S rRNA Methode wurden sie taxonomisch den Gattungen Varivorax, Pseudomonas, Comamonas, Delftia und Paracoccus zugeordnet. Ein Sequenzvergleich ihrer Decarboxylasen legt nahe, dass es sich um neue, bisher unbekannte Enzyme handelt. Insbesondere das Substratprofil der Paracoccus-Decarboxylase ist sehr vielversprechend. Durch Inhibitionstests mit α-Bromophenylacetat wurde gezeigt, dass das neu gefundene Enzym mit hoher Wahrscheinlichkeit zu den Cofaktor-unabhängigen Decarboxylasen gehört.

Umweltfreundliche Produktion von Essigsäurederivaten
Die neue Strategie zur Herstellung enantiomerenreiner Mandel- oder Essigsäurederivate bietet eine Vielzahl von Vorteilen gegenüber den bisher beschriebenen Synthesewegen. Bei der Reaktion entstehen keine Nebenprodukte; die Entstehung hochgiftiger Blausäureabfälle, die sonst beispielsweise bei der Herstellung optisch aktiver Mandelsäuren anfallen, wird vollständig vermieden. Unter dem Strich eine ökologisch sinnvolle Alternative.


Projektthema

Cofaktor-unabhängige Decarboxylasen zur Produktion doppeltsubstituierter Essigsäurederivate

Projektdurchführung
Universität Hamburg
Allgemeine Mikrobiologie
Prof. Dr. Wolfgang Streit
Hamburg
Telefon 040|42816-463
Telefax 040|42816-459
wolfgang.streit@uni-hamburg.de
www.mikrobiologie-hamburg.de

Projektpartner
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Institut für Molekulare Enzymtechnologie, Jülich
BioSpring GmbH, Frankfurt a. M.
Degussa AG, Hanau

 

Robotergestützte Konstruktion einer Metagenombank aus Industrieabwässern