Projekt 38338/01

Schutz national wertvoller Kulturgüter durch Einsatz gesättigter Salzlösungen in Vitrinen zur Absorption anthropogener Luftschadstoffe

Projektdurchführung

Universität des Saarlandes
Lehrstuhl für Messtechnik
Fachrichtung 7.4 Mechatronik
Campus A5 1
66123 Saarbrücken

Zielsetzung

Anthropogene Luftschadstoffe verursachen nach wie vor Korrosion an wertvollem Kulturgut in Vitrinen. Häufig zur Regulierung der Luftfeuchte (RH) eingesetztes Silikagel eignet sich nicht sehr gut zu deren Absorption. Als alternative passive Klimatisierung statt regenerationsbedürftigen Silikagels oder stromverbrauchender, betreuungsintensiver und ausfallgefährdeter Klimageräte lassen sich gesättigte Salzlösungen einsetzen. Deren Einsatz ist weitgehend in Vergessenheit geraten (letzter Fachartikel dazu 1991) und wird in Deutschland nur noch in der Veste Coburg und wenigen anderen Sammlungen ausgeübt. Argumentativ ins Feld geführte Probleme wie Verschüttungsgefahr und Kriechen von Salzen über Behälterwände sind in der Anwendung gut beherrschbar. Das Projekt soll im Lichte der heute allgemein anerkannten Notwendigkeit der Energieeinsparung und Nachhaltigkeit zu einer Wiederbelebung des praktischen Einsatzes führen.
Von Magnesiumnitrat und Kaliumcarbonat gehen keine besonderen Umweltgefahren aus. In Vorarbeiten wurde bereits gezeigt, dass sie die Luftfeuchtigkeit praktisch unabhängig von der Raumtemperatur konstant halten. Thermodynamische Modellrechnungen und Oddy-Tests ergaben, dass die Lösungen selbst keine relevanten korrosiven Emissionen verursachen. Das Potential, auch Luftschadstoffe zu absorbieren, wurde bisher nie diskutiert. Testmessungen am Fraunhofer WKI Braunschweig mit Formaldehyd als Anwendungsbeispiel ergaben eine exzellente und schnelle Absorptionsfähigkeit der Lösungen aus unbewegter Testkammerluft.

Pressemitteilung der Universität des Saarlandes

Arbeitsschritte

Die Absorptionsfähigkeit von Salzlösungen wurde im ersten Projektjahr auch für alle anderen Luftschadstoffe mit objektschädigendem Potential (saure Gase, Säuren, Aldehyde) experimentell geprüft. Diese reagieren in Kaliumcarbonat-Lösung zu unproblematischen Anionen, es entsteht kein Sondermüll. Zur Messung von Spurengasen in Glasflaschen nach einmaliger bzw. kontinuierlicher Injektion von Schadgasen in der Luft über Salzlösungen wurde die hoch entwickelte Gassensorik am Lehrstuhl für Messtechnik der Universität des Saarlandes eingesetzt.
Im zweiten Projektjahr wurde der praktische museale Einsatz in Vitrinen, insbesondere des innovativen Kaliumcarbonats, koordiniert von den Kunstsammlungen der Veste Coburg im eigenen Haus und in zahlreichen Sammlungen im In- und Ausland anwendungsreif erprobt.
Zum Verhalten insbesondere des in der Museumsanwendung neuen Kaliumcarbonats waren Langzeitbeobachtungen der Lösungen notwendig, um praktische Fragen beantworten zu können:
- Wie lange dauert es, bis Wartung notwendig ist? (Bei gut abgedichteten Vitrinen sollte nach Modellrechnungen das Klima über ein Jahr stabil sein).
- Welche Behälterkonstruktion kann unbeabsichtigtes Verschütten verhindern?
- Welches Behältermaterial verhindert ‚Kriechen‘ der Salze?
- Wie groß muss die Oberfläche der Lösung zur schnellen Einstellung der Feuchtigkeit sein?
- Wie schnell stellt sich nach Schließen der Vitrine das Klima ein?
- Bietet eine Tandemklimatisierung (Kombination mit Silikagel-Granulat /-Platten) Vorteile (z. B. Geschwindigkeit der Gleichgewichtseinstellung nach Vitrinenöffnung)?
- Reicht die Diffusion in der Lösung aus, um Ungleichgewichte zu verhindern (absperrende Krusten auf der Lösung bzw. Entstehen verdünnter Lösungen)?
- Wirken die Lösungen als Staubfänger (Verdunkelung?)?
Ziel war die Erarbeitung einer optimierten Do-it-yourself Anleitung zur Implementierung der Salzlösungen in Museen.

"Schädliche Vitrinenluft" - Beitrag in 3sat NANO (ab 18:55)

Ergebnisse

Die bisher in der Technik (Konditionierung von Kunststoff nach DIN 483), aber noch nie in Vitrinen verwendete gesättigte Kaliumcarbonat-Lösung zeigte als alkalische Lösung besonders gute Ergebnisse bei der Absorption in Glasflaschen, Messungen in Vitrinen waren wegen der hohen Undichtigkeit der zur Verfügung gestellten Modelle nicht zielführend. Die eingestellte Luftfeuchtigkeit (Deliqueszenzfeuchte, DRH von 43 %) liegt innerhalb des üblichen Museumsbereichs von 40 - 60 % RH und ist für viele Materialien ideal. Auch Magnesiumnitrat (DRH = 53 %) erwies sich für die meisten Luftschadstoffe (Ausnahme H2S) als geeignet. Ein beispielhaftes Ergebnis zeigt die folgende Abbildung am Beispiel von Ameisensäure deutlich, dass die gesättigten Salzlösungen die Schadstoffe zuverlässig absorbieren. So folgt die Modellausgabe der Sensoren (schwarze durchgezogene Linie) für das Referenzglas den eingestellten Werten durch die Gasmischanlage (GMA, schwarz gestrichelt). Für Kaliumcarbonat bleibt die Modellausgabe (rot durchgezogen) bei nahe Null, so dass davon auszugehen ist, dass die Salzlösung das Schadgas vollständig absorbiert. Für Squalan war im Beispiel keine Absorption zu erwarten, was die Messung auch widerspiegelt.Die Ergebnisse zeigen, dass insbesondere Kaliumcarbonat eine ausgeprägte Absorption für eine Vielzahl der getesteten Schadstoffe aufweist. Auch Magnesiumnitrat und Magnesiumchlorid zeigen eine erkennbare, wenn auch schwächere Absorptionswirkung. Im Gegensatz dazu konnte bei Squalan keine relevante Schadstoffaufnahme beobachtet werden, da die Löslichkeit der untersuchten Schadstoffe in Squalan sehr gering ist. In engem Austausch mit dem DBU-Projekt Az. 37734/01 “Dosis und Auswirkung anthropogener Schadstoffe in Vitrinen (DoAaSch)” wurde dort Kaliumcarbonat-Lösung in die zu testenden Absorptionsmittel aufgenommen. Deren GC/MS-Messungen mit Essigsäure bestätigten, dass Kaliumcarbonat-Lösung in ähnlichem Umfang absorbiert wie die getesteten Aktivkohlen. Bei dichten Vitrinen war im einjährigen Testzeitraum gar keine Wartung (Zugabe von Salz oder Wasser) nötig.
Im Ergebnis werden wertvolle Kulturgüter - wie erwartet - durch Salzlösungen passiv (= ohne zusätzlichen Energieaufwand) vor Feuchteschwankungen und korrosiven Schadstoffen geschützt.

Öffentlichkeitsarbeit

Eine Reihe von Presseartikeln, Sonderführungen auf der Veste Coburg an den Europäischen Tagen der Restaurierung 2023 und 2024 sowie die Studioausstellung ‚Prima Klima – Das Museum wird umweltfreundlicher‘ vom 25.10.24 -25.5.25 dienten der Information der Allgemeinheit. An die Fachwelt richteten sich Beiträge in Newslettern und auf Webseiten, insbesondere zur Gewinnung von Testteilnehmern, sowie die Abschlusstagung am 22./23.5.25. Zahlreiche Beiträge zu Fachtagungen vermittelten das Projekt und seine Ergebnisse. Daraus gingen bisher folgende wiss. Publikationen hervor:
• O. Brieger et al. MOS Sensors Characterizing Gas Absorption Dynamics for Art Conservation. 2023 IEEE SENSORS, Vienna, Austria, 2023, S. 1-4
• G. Eggert et al. 2024. Sustainable and Beneficial: Pollutant Absorption and Relative Humidity Control in Display Cases by Saturated Salt Solutions. Studies in Conservation 69(sup 1): 72-80.
• O. Brieger et al. Charakterisierung der Absorption von Luftschadstoffen durch gesättigte Salzlösungen zum Schutz wertvoller Kulturgüter. 17. Dresdner Sensor-Symposium 2024, 148-153.
• K.F. Siebel et al. Pollutants? Potassium carbonate! A new solution for a healthy atmosphere in metal display cases. Proceedings Metal 2025 (acc.)

Nachhaltig, praktisch, gut – Konstantes Klima und Schadstoffabsorption in Vitrinen durch gesättigte Salzlösungen

Fazit

Die zugrundeliegende Hypothese konnte vollinhaltlich bestätigt werden: Salzlösungen halten nicht nur die Luftfeuchtigkeit in Vitrinen konstant, sondern absorbieren auch Luftschadstoffe. Die Methode ist anwendungsreif erprobt und hat sich international bewährt. Der Einsatz wird auch zukünftig über einen aktualisierten Leitfaden, Vorträge und Fachartikel propagiert werden.
Zur Überwindung der in der Restaurierung weit verbreiteten Skepsis gegenüber Neuerungen wäre ein modellhafter Großversuch in einem ganzen Museum hilfreich, bei dem sich auch die erzielbare Energieeinsparung (keine maschinelle Luftbefeuchtung mehr) manifestieren würde. Schadgas-Messungen in geeignet konstruierten, dichten Vitrinen könnten als Referenz für die museale Praxis dienen, auch was die Nutzungsdauer der Lösungen angeht.
Ausführliche Informationen siehe Abschlussbericht.

Übersicht

Fördersumme

124.861,00 €

Förderzeitraum

01.01.2023 - 31.12.2024

Bundesland

Saarland

Schlagwörter

Klimaschutz
Umweltforschung
Umwelttechnik