Viele Kräfte arbeiten daran, eine Mobilitäts- und Verkehrswende zu erreichen. Dennoch sind die Kohlendioxid-Gesamtemissionen im Pkw-Verkehr bis zuletzt gestiegen. Darüber hinaus belasten schädliche Mikro- und Nanopartikel vom Reifen- und Straßenabrieb, Lärm sowie die zunehmende Bodenversiegelung durch zusätzliche Straßeninfrastruktur Umwelt, Klima und Gesundheit und fordern weitere Anstrengungen für eine nachhaltige Mobilität.
Als Ansätze zur Reduzierung der Umweltbelastungen durch den Kraftfahrzeugverkehr geht es in der Fachdiskussion sowie der öffentlichen Debatte bislang vornehmlich darum, Fahrten vom Pkw auf den Umweltverbund zu verlagern, Fahrzeuge und Fahrten zu teilen (Sharing), klimaschonende Antriebe zu verbreiten (E-Mobilität) sowie Autos mit digitalen Assistenz- und Kommunikationseinrichtungen bis hin zu Systemen für einen autonomen Betrieb auszustatten.
Mindestens genauso bedeutsam für Umwelt- und Klimaschutz sowie Stadt- und Lebensqualität ist jedoch die Frage, wie groß, wie schwer und wie schnell die „Gefäße“ sind, die geteilt, elektrifiziert und digitalisiert werden. Deshalb bilden die Reduzierung der Größe, des Gewichts und der Geschwindigkeit der Individualverkehrsmittel (Dimensionswende) einen wichtigen Baustein der Verkehrswende.
Unter Feinmobilität verstehen wir eine Mobilität mit menschlichem Maß und damit eine Komponente der Mobilitäts- und Verkehrswende, die stärker in den Vordergrund rücken sollte – insbesondere als Stellschraube für eine signifikante Umweltentlastung. Im Rahmen des Projektes wird Feinmobilität als ein Fahrzeugsegment definiert, welches sich anhand von quantitativen Kriterien in Bezug auf verschiedene Merkmale eindeutig von Grobmobilität abgrenzt. Hierzu wird eine neue Fahrzeugklassifizierung entwickelt.
Feinmobile sind Verkehrsmittel des Personen- und leichten Güterverkehrs, u. a. sogenannte Mikromobile, Fahrräder einschl. Lastenräder aller Art und Velocars/Velomobile, elektrische Kleinst- und Leichtfahrzeuge wie Seniorenmobile, Kabinenroller, Minicars und Kleinstwagen-Pkw.
Das Projekt verfolgt mehrere strategische Ansätze zur Förderung der Feinmobilität. Feinmobilität wird:
- im Bewusstsein der Bevölkerung als nachhaltiges Verkehrsmittelsegment verankert;
- in der Wirtschaft sukzessive als eine zusammenhängende Branche verstanden;
- in der Fachwelt als ein Mobilitätssegment verstanden und bearbeitet;
- in Politik und Rechtssetzung gesamtheitlich behandelt und konsistent geregelt.
Das Projekt umfasste im Wesentlichen vier Arbeitsschwerpunkte: Die Planung, Durchführung und Auswertung eines Fachsymposiums, die Erarbeitung einer Klassifikation unterschiedlichster Bewegungsmittel zur Handhabbarmachung des Faktors Fahrzeuggröße für die Stadt- und Verkehrsplanung, Straßenverkehrsbehörden, Wissenschaft, Industrie und Verbände, sowie das Erstellen eines Standardwerkes zum Thema Feinmobilität aus den Erkenntnissen des Symposiums, detaillierter Recherchen zum Thema und der Erarbeitung eigener Auswertungen aus externen Daten und eben jener Klassifikation.
Von Beginn des Vorhabens an war das Projektteam als Fachberater in die Arbeit der Ad-hoc-AG „Feinmobilität“ des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) e.V. sowie des AK "Fahrzeugdimensionen/ Feinmobilität“ der Vereinigung für Stadt-, Regional- und Landesplanung (SRL) e.V. eingebunden. In diesen Gremien wurden die konzeptionellen Grundlagen für eine Kategorisierung von Fahrzeugen nach Größe, Gewicht und Geschwindigkeit (GGG) und die Schaffung von sieben Kategorien von XXS bis XXL gelegt.
Das „Kasseler Symposium Feinmobilität“ wurde als dreitägige Veranstaltung an der Universität Kassel mit 60 Fachleuten abgehalten.
Aufbauend auf den Berichten des VCD und der SRL sowie den Erkenntnissen aus dem Symposium wurde die Kategorisierung von Fahrzeugen nach Größe, Gewicht und Geschwindigkeit in einem iterativen Prozess weiterentwickelt und mit Fachleuten diskutiert. Dabei wurden einige Berechnungsmethoden und betrachteten Merkmale als nicht zielführend erachtet. Nach der gründlichen Auseinandersetzung mit allen Optionen wurde eine sachlich fundierte Basis für eine Kategorisierung geschaffen, die zu einem Fachlichen Standard zur Klassifikation von Bewegungsmitteln nach Größe (G-Klassifikation) führte.
Mithilfe der G-Klassifikation konnten im Anschluss mögliche Anwendungsfelder definiert, Untersuchungen zu Umweltwirkungen der Feinmobilität durchgeführt sowie mögliche Infrastrukturentwürfe für den fließenden und ruhenden Verkehr entwickelt werden.
Diese Ergebnisse sind in das Standardwerk Feinmobilität mit dem Titel „Feinmobilität: Mehr Nachhaltigkeit durch kleine Fahrzeuge“ eingeflossen. Das Werk wurde in Zusammenarbeit der Projektpartner erstellt und umfasst sieben Kapitel, gespeist aus den aus dem Symposium und dem Fachgespräch gewonnenen Inhalten, intensiven Recherchen und eigener Ausarbeitungen zu Umweltwirkungen und Infrastrukturentwürfen.
Die entwickelte G-Klassifikation von Bewegungsmitteln beruht auf dem Konzept der Körnung, wie es von Baustoffen her bekannt ist (z. B. Gesteinskörnung von fein- bis grobkörnig). Betrachtet man die existierenden Bewegungsmittel unter dem Aspekt der Körnung, so stellt man fest, dass die Räderwelt eine nahezu stufenlose Größenpalette von Optionen für den Personenverkehr und den Transport leichter Güter bereithält.
Die Klassifikation stuft Fahrzeuge und Mobilitätshilfen in sieben Größenklassen (G-Klassen) ein. Die Klassen sind nach dem weithin verwandten Schema für Produktgrößen von XXS - XXL benannt.
Das Merkmal zur Zuordnung von Bewegungsmitteln zu den G-Klassen ist die Raumnahme. Raumnahme steht für die Inanspruchnahme von Verkehrs- bzw. Stadtraum und damit auch die (Stadt-)Raumverträglichkeit von Bewegungsmitteln.
Mithilfe der G-Klassifikation und dem zentralen Fahrzeugregister des Kraftfahrtbundesamtes wurden die Umweltwirkungen der Feinmobilität und der G-Klassen abgeschätzt. Ziel war es, Aussagen über die Umweltwirkungen der einzelnen G-Klassen treffen zu können und somit auch Erkenntnisse zum Nutzen der Feinmobilität in Bezug auf Ressourcenschonung und Umweltentlastung zu erlangen.
Es zeigt sich insgesamt, dass die Feinmobilität gegenüber der vorherrschenden Pkw-Mobilität deutliche Vorteile bei Flächeninanspruchnahme, Energieverbrauch im Betrieb und im gesamtem Lebenszyklus, beim Straßenlärm und bei der Verkehrssicherheit bietet. Außerdem emittieren Feinmobile, wenn elektrisch betrieben, deutlich weniger Schadstoffe als Elektro-Pkw. Darauf aufbauend wurden Infrastrukturvorschläge zur Förderung der Feinmobilität erarbeitet.
Die Planung und Durchführung mehrerer Arbeitspakete, die nicht im Förderantrag vorgesehenen waren, aber maßgeblich zur Qualität und Verbreitung der Projektarbeiten und -ergebnisse beitrugen, konnten auf dem Wege einer kostenneutralen Laufzeitverlängerung des Projekts um fünf Monate bis zum 31.03.2024 realisiert werden.
Die Zusammenarbeit mit dem Auftragnehmer The Urban Idea GmbH hat sich als äußert produktiv, zielorientiert und dynamisch herausgestellt. In enger Zusammenarbeit wurden durch das vertrauensvolle und kooperative Verhältnis fast alle Zwischenschritte des Projektes von beiden Seiten begleitet.
Die Arbeitsgremien ermöglichten zusätzlich eine Sensibilisierung für aktuelle Probleme von Feinmobilen im Straßenverkehr und betroffene Gruppen in der möglichen Anwendung der Klassifikation in der Praxis (z.B. Fußverkehr).
Die Öffentlichkeitsarbeit ist im Laufe des Projektes nicht zuletzt wegen des großen Interesses externer Fachleute ein wesentlicher Arbeitsschwerpunkt geworden. Es konnten vielfältige Publikationen in unterschiedlichsten Medien von Radio über TV, Konferenzen und Pressegesprächen bis zu klassischen Artikeln untergebracht werden. Es existiert eine Projektwebsite zur Vermittlung des Konzepts der Feinmobilität sowie von (Teil-)Projektergebnissen. Dort ist als Service-Angebot für die Allgemeinheit ein Online-G-Klassenrechner eingebettet, der bei Eingabe von Länge, Breite und Höhe die G-Klasse eines beliebigen Bewegungsmittels dessen Raumnahme anhand der unterlegten Grenzwerte ermittelt. Die Öffentlichkeitsarbeit mündet im Standardwerk Feinmobilität, das im dritten Quartal 2024 veröffentlicht wird.
Feinmobilität.deEs ist gelungen, die Feinmobilität in einem ersten Schritt in der Fachwelt bekannt zu machen und die Idee einer Planung für die gesamte feine Bewegungsmittelwelt nicht nur sprachlich, sondern auch gedanklich zu verankern. Außerdem ist eine Vernetzung der Branchen und Institutionen der „Feinmobilitäts-Community“ initiiert worden.
Die iterative Herangehensweise an die Erstellung der Klassifikation und der von vielen Partnern begleitete Weg war zeitlich aufwendig, hat insgesamt aber eine qualitativ deutlich schärfer herausgearbeitete Klassifikation und daraus folgende Wirkungsanalysen und Infrastrukturvorschläge ermöglicht. Durch das Projekt wurde erstmalig eine systematische Analyse und Klassifikation der Feinmobilität erstellt und in einem Standardwerk dokumentiert.