Projekt 37875/01

Entwicklung und modellhafte Anwendung eines modularen Konzeptes zur restauratorischen Abreinigung von Verwitterungsschichten an Metall-Holz-Verbünden historischer mechanischer Baugruppen am Beispiel stark geschädigter Turmuhrwerke

Projektdurchführung

Staatliche Kunstsammlungen Dresden Forschung und wissenschaftliche Kooperation
Residenzschloss, Taschenberg 2
01067 Dresden

Zielsetzung

Turmuhren waren seit dem ausgehenden Mittelalter weit verbreitet. Ihre technische Entwicklung bildet nicht nur die Geschichte der Uhrentechnologie ab, sondern ist auch ein wichtiges Element für die Beschreibung des gesellschaftlichen Lebens in den Dörfern und Städten. Turmuhren sind damit ein wichtiger und erhaltenswerter Bestandteil unseres kulturellen Erbes. Korrosion und Verwitterung führen oft zum Verlust der Beweglichkeit und damit der Funktion der Konstruktion, können aber auch die Stabilität des gesamten Objektes und damit seinen Erhalt gefährden. Die massiven Verkrustungen und Materialschwächungen der Metallbauteile in Verbindung mit den zum Teil fragil gewordenen Basiskonstruktionen aus Holz gestalten eine Restaurierung sehr schwierig und aufwändig. Viele schwer zugängliche Verbindungs- und Lagerstellen sowie Holz-Metall-Fügestellen lassen die Anwendung herkömmlicher Korrosionsreduktionsverfahren und Reinigungsmethoden nicht zu.

Ziel des Projektes ist es, ausgehend von Wirkprinzipien industrieller Reinigungstechnologien ein innovatives, modulares und handgeführtes Werkzeug für die Restaurierung zu entwickeln, das harte Verkrustungen und Korrosionsprodukte materialschonend entfernen kann und dem Restaurator gleichzeitig die permanente Kontrolle der zu reinigenden Stelle ermöglicht.
Aus den aktuell bekannten Anforderungen bietet sich dafür das Saugstrahlverfahren an. Es handelt sich hierbei um ein Strahlverfahren, dass das Strahlmedium nicht mit Druckluft beschleunigt, sondern die Werkstückumgebung unter Unterdruck setzt und damit das Strahlmedium in Richtung Werkstückoberfläche beschleunigt. Der große Vorteil ist dabei, dass sowohl Strahlmedium als auch entfernte Verunreinigung sofort abgesaugt werden. Umfangreiche Untersuchungen zu Einsatzmöglichkeiten und Grenzen der Reinigungsmethode sowie des Einsatzes von optischen Detektionsmöglichkeiten zur in-situ Überwachung des Reinigungsfortschritts bilden die Grundlage für eine spätere Entwicklung eines Restaurierungswerkzeugs.

Arbeitsschritte

Das Gesamtvorhaben wurde in 5 Arbeitspakete (AP) unterteilt und bearbeitet.
Die wesentliche Grundlage der Forschung bildete der intensive Dialog der Technologieentwickler mit den Restauratoren und deren Anforderungen an die Gerätetechnik sowie Handhabung. In der Konzeptionsphase (AP1) wurde daraus ein Anforderungskatalog an die Arbeit, Gerätetechnik und Geräteführung für die weitere praktische Arbeit entwickelt, der dann mit zunehmenden praktischen Erfahrungen während der Projektbearbeitung weiter verbessert wurde.
In AP2 "Aufbau der Experimentieranordnung" wurde eine anwendungsbereite Experimentieranordnung, bestehend aus kommerziellen Komponenten und angepasst konstruierten Bauteilen aufgebaut, welche den in AP 1 erarbeiteten Anforderungen entspricht und als Basis für die weitere Technologieentwicklung diente. In ersten Tests wurde die Funktionsfähigkeit nachgewiesen und die wesentlichen einstellbaren Bearbeitungsparameter und –eigenschaften mit verschiedenen Düsengeometrien und Strahlmittel ermittelt.
Im Anschluss wurden im AP3 umfangreiche, systematische Untersuchungen zu den Reinigungseigenschaften an realitätsnahen Dummy-Proben durchgeführt. In einem ersten Schritt wurde eine Bearbeitungsmatrix erstellt, die den erreichten Oberflächenzustand der Probebleche nach der Reinigung visualisiert in Abhängigkeit vom Strahlmittel und den Strahlparametern (bei nahezu senkrechtem Strahleinfall und einem konstanten Arbeitsabstand von 3cm). Diese Matrix soll später als Arbeitsmittel für die Wahl der geeigneten/notwendigen Bearbeitungsparameter dienen. Durch Auswahl des gewünschten Reinigungszustandes der Oberfläche aus den Bildreihen definieren sich dann geeignete Strahlmittel und die Strahlparameter. In einem zweiten Schritt wurden mit Hilfe von verwitterten oder polierten Probeplatten der Einfluss verschiedener Oberflächengeometrien sowie von Bestrahlungsabstand und –winkel evaluiert. Für die Untersuchung der Bearbeitung/Reinigung von korrodierten Metalloberflächen in unmittelbarer Nachbarschaft von Holzoberflächen wurden exemplarisch eine Probeanordnung „Metall-in-Holz“ gewählt.
Im AP4 wurde die Machbarkeit gezeigt, Objekte während der Bearbeitung sowohl als Ganzes als auch lokal an der Bearbeitungsstelle optisch live zu überwachen und unterstützend für den Bearbeiter darzustellen.
Zum Projektabschluss wurde im AP5 an einem realen Objekt mit typischer dreidimensionalen Oberflächengeometrie aus dem Bestand der SKD die Reinigungsmöglichkeit demonstriert.

Ergebnisse

In einer Machbarkeitsstudie wurden erste wichtige Grundlagenuntersuchungen vorgenommen, um die prinzipielle Eignung des Vakuumsaugstrahl-Verfahrens für eine Reinigung von Metalloberflächen für Anwendungen in der Restaurierung wertvoller Einzelobjekte zu evaluieren. In zahlreichen Versuchen an ausgewählten, realitätsnahen Probeflächen konnte gezeigt werden, dass mit dem hier vorgestellten Verfahren Metalloberflächen nicht nur von Korrosionserscheinungen und anhaftenden Verwitterungsschichten befreit werden können. Auch Verunreinigungen auf sehr fragilen Korrosionsschichten können damit schonend abgenommen werden. Durch Auswahl des Strahlmittels und der Strahlparameter, kann der Reinigungsfortschritt und das Reinigungsergebnis gezielt ausgewählt und beeinflusst werden. Der vorausgesagte Vorteil einer guten Beobachtung der Reinigungsfläche während des Prozesse konnte bestätigt werden. Erste Tests weisen darauf hin, dass durch Einsatz optischer Hilfsmittel der Restaurator weiter in der Prozesssteuerung unterstützt werden kann. Mit der Hyperspektralen Bildgebung bietet sich ein Messverfahren zur objektiven Prozessüberwachung an. Hier sind weitere systematische Untersuchungen erforderlich, um so eine Möglichkeit des Monitorings und der Steuerung für den Praxiseinsatz zu entwickeln.
Während der Bearbeitung des Projektes und im praktischen Umgang mit der Apparatur wurden von den beteiligten Restauratoren umfangreiche Beobachtungen gemacht, die die Verbesserungsmöglichkeiten des Versuchsaufbaus betreffen. Hier sind vor allem „Unzulänglichkeiten“ des experimentellen Versuchsaufbaus der Anlage, die für diese Anwendung ursprünglich gar nicht konzipiert ist, aufgefallen. Entstanden ist eine Liste konkreter Vorschläge für die Technologie- und Anlagenentwicklung einer verbesserten Reinigungsapparatur auf der Grundlage des Vakuumsaugstrahl-Verfahrens, die dann insbesondere auf die Anforderungen im restauratorischen Bereich aber auch im Spezial- und Musterbau ausgerichtet sind.
Die Evaluierung und Weiterentwicklung dieser Vorschläge erfordert ein neues Projekt mit einem erweiterten interdisziplinären Ansatz mit neuen Partner aus Konstruktion, Geräte- und Prozessentwicklung, Geräteherstellung, Oberflächentechnik und Restaurierung. Bestandteil einer Fortsetzung dieses Projektes muss unbedingt die Validierung des Innovationspotentials der Forschungsergebnisse für eine Überführung in eine kommerzielle Anwendung bei der Erhaltung des kulturellen Erbes sein.

Öffentlichkeitsarbeit

Im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit im Projekt wurde ein Workshop durchgeführt, um in das Projekt einzuführen, die Reinigungsmethode vorzustellen und die restauratorisch-konservatorischen Anforderungen und Wünsche zu diskutieren. Teilgenommen haben Restauratoren aus den verschiedenen Sammlungen der SKD und aus anderen Museen der Stadt Dresden. Erste Ergebnisse aus dem Projekt wurden in einer Fachzeitschrift veröffentlicht (mo Magazin für Oberflächentechnik, 30.11.2023, Ottobrunn, S. 10-13). Weiterhin werden Projektergebnisse in Lehrveranstaltungen in der Ausbildung von Restauratoren an der HTW Berlin und in Weiterbildungsveranstaltungen zur „Industriellen Oberflächenreinigung“ verwendet und vorgestellt. Geplant sind die Durchführung eines weiteren Workshops für Restauratoren, in dem die Ergebnisse zusammengefasst vorgestellt und die Reinigungsanlage demonstriert werden sollen und die Veröffentlichung der Projektergebnisse in einem längeren Artikel in einer Fachzeitschrift für Restauratoren und Denkmalpfleger.

Fazit

In dem Förderprojekt wurde ein Verfahren der Oberflächenreinigung, das Vakuumsaugstrahlverfahren, auf seine Eignung zur restauratorischen Abreinigung von Verwitterungsschichten auf Metalloberflächen und an Metall-Holz-Verbünden hin untersucht. Es konnte gezeigt werden, dass mit dem Verfahren Metalloberflächen von Korrosionserscheinungen und anhaftenden Verwitterungsschichten befreit werden können. Durch gezielte Auswahl des Strahlmittels und der Strahlparameter, kann der Reinigungsfortschritt und das Reinigungsergebnis gezielt ausgewählt und beeinflusst werden. Das Verfahren ist besonders gut geeignet, flache Oberflächenbereiche zu reinigen. Aber kann ebenso an strukturierten, echt dreidimensionalen Strukturen und Oberflächen-Topographien angewendet werden. In diesem Fall werden konstruktive Verbesserungen des apparativen Aufbaus und ein Training der Anwender deutliche Verbesserungen in der Handhabbarkeit sowie auch in der Einheitlichkeit des final erzielbaren Erscheinungsbildes ermöglichen. Gleiches gilt für die Bearbeitung von Metall-Holz-Verbünden, die in historischen Objekten an vielen Stellen vorkommen können. Gegenstand weiterer Untersuchungen muss hier vor allem die Entwicklung und der Test geeigneter Maskierungsmaterialien sein, um die Holzoberflächen vor der Einwirkung des Strahlmittels sicher zu schützen.
Alle definierten Arbeitspakete wurden erfolgreich bearbeitet. Das gestellte Projektziel einer Machbarkeitsstudie wurde vollständig erreicht.

Übersicht

Fördersumme

125.000,00 €

Förderzeitraum

01.01.2022 - 30.09.2023

Bundesland

Sachsen

Schlagwörter

Umwelttechnik