Projekt 36051/01

Corona-Krise: Auf der Suche nach einer neuen Balance zwischen Markt/Staat und Zivilgesellschaft für eine resiliente Gesellschaft

Projektdurchführung

Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) GmbH
Potsdamer Str. 105
10785 Berlin

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Der Ausbruch der Corona-Pandemie hat viele Gewissheiten in infrage gestellt und neue Debatten zu alternativen
Entwicklungsrichtungen angestoßen. Ein zentrales Anliegen des Vorhabens war es, die Pandemie in
einen größeren Rahmen einzuordnen. Sie ist eng mit zentralen umweltpolitischen Herausforderungen der
Biodiversitäts- und Klimakrise sowie generell dem Überschreiten der planetaren Grenzen verbunden und
erwies sich, zumindest in der gesellschaftlichen Wahrnehmung, als überraschendes Ereignis. Wie mit einem
Brennglas wurde die Verletzlichkeit der bestehenden gesellschaftlichen Strukturen aufgezeigt. Das Vorhaben
geht davon aus, dass unerwartete Ereignisse perspektivisch zunehmen werden. Somit müssen die sozioökonomischen
Systeme und Strukturen resilient gestaltet werden, damit sie entsprechend reagieren können.
Andererseits stellt sich die Frage, wie Impulse für die Transformationsprozesse zur Begrenzung der Biodiversitäts-
und Klimakrisen gesetzt werden können und welche Rolle dabei Institutionen wie Markt, Staat oder
Gemeinschaft sowie die unterschiedlichen Ebenen spielen.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenZu Beginn erfolgte die Einordnung und Charakterisierung der Corona-Pandemie sowie der bestehenden
Grundherausforderungen (u. a. planetare Grenzen, zunehmende Komplexität, Globalisierung). Dann wurde
der Fokus auf die Diskussion von Risiken, Unsicherheiten und Nichtwissen sowie des Resilienz-Konzepts mit
Blick auf Gestaltungsorientierung für sozio-technische Systeme gelegt. Hierfür erfolgten Fallstudien zur Resilienz
von Zulieferketten. In einem weiteren Schritt wurden zellularen Systeme mit Selbststeuerungsfähigkeit
sowie der Ansatz der Polyzentralität betrachtet. Diese wurden mit der Debatte zu Alternativen Ökonomien
und der Foundational Economy verbunden. Die Frage, wie eine resilientere, dezentrale Produktion aussehen
kann, wurde anhand der drei Fallbeispiele 3D-Druck, Handwerk und solidarische Landwirtschaft beleuchtet.
Es erfolgte eine Analyse der wissenschaftlichen Literatur in den unterschiedlichen Bereichen, von Medienberichten
sowie von Publikationen zu einzelnen Branchen und Handlungsfeldern. Zudem wurden vertiefende
Interviews mit Wissenschaftler*innen sowie Praxisakteuren aus den Handlungsfeldern durchgeführt.


Ergebnisse und Diskussion

Die Corona-Pandemie ist ein Ausdruck der globalen Biodiversitäts- und Klimakrise, die eine Folge des Überschreitens
der planetaren Grenzen ist. Dieses ist wiederum auf das bestehende, auf fossilen Energien basierende
Gesellschafts- und Wirtschaftsmodell, das Umweltschäden externalisiert hat, zurückzuführen. Durch
technologische Entwicklungen, die Reduktion von Transaktionskosten, Marktöffnungen und Deregulierung
wurden Globalisierungsprozesse angestoßen, ohne dass zugleich ökologische Leitplanken Lenkungswirkungen
entfalten konnten.
Die Corona-Krise hat Wirtschaft und Gesellschaft unvorbereitet getroffen. „Überraschungen“ werden zunehmen
sowohl vor dem Hintergrund des Klimawandels aber auch der wachsenden Komplexität der vielfach
miteinander verkoppelten sozio-technischen Systeme in Verbindung mit geopolitischen Spannungen. Wir
haben es zunehmend mit Situationen der Unsicherheit bzw. gar des Nichtwissens zu tun. In jüngerer Zeit ist
die Vorstellung von „grünen Schwänen“ entwickelt worden, die sich insbesondere auf bekannte oder eben
auch unbekannte Auswirkungen der Überschreitung der planetaren Grenzen beziehen und zugleich nach
den Risiken oder Ungewissheiten des Transformationsprozesses fragen.
Die Resilienz-Debatte hat in unterschiedlichsten wissenschaftlichen Teilgebieten an Relevanz gewonnen.
Damit findet eine Blickwende statt: von dem Fokus auf Störereignisse hin zu den Systemen, die Störungen
ausgesetzt werden, und deren resilienzorientierte Gestaltung. Es existieren eine Reihe von Gestaltungsprinzipien
für resiliente Systeme. In dieser Studie wurde das Leitbild eines zellularen Ansatzes mit eigener Steuerungsfähigkeit
zu Grunde gelegt. Dieser kann mit den Ansätzen von Ostrom zu polyzentrischen Systemen,
verbunden werden, die der Leitvorstellung der Subsidiarität folgen.
Der Ansatz der Alternativen Ökonomien fordert eine neue Balance zwischen Markt, Staat und Gemeinschaft
ein und ist wesentlich von den Herausforderungen der Nachhaltigkeit getrieben. Die Foundational Economy
nimmt auf der räumlichen Ebene unterschiedliche Steuerungsformen in den Blick. Sie thematisiert Spannungsverhältnisse
zu Ökonomien mit Rendite-Primat und anderen Formen der Ökonomie, deren Stärkung,
wie im Falle der Care-Ökonomie zum einen in der Corona-Krise als systemrelevant anerkannt wurde und
zum anderen die Basis für das gesellschaftliche Wohlbefinden darstellt. Beide Ansätze fokussieren auf Bottom-
up-Prozesse und suchen die Rolle der Zivilgesellschaft zu stärken. Sie loten neue Steuerungsformen für
eine nachhaltige und demokratische Entwicklung aus. In der Studie wurden zudem Bezüge zur nötigen Neuausrichtung
in der Innovations- und Regionalförderung hergestellt: es geht um die Unterstützung gerichteter
Prozesse zur Lösung großer gesellschaftlicher Herausforderungen. Beispielhaft wurde der Ansatz der 30-
Minuten-Stadt sowie das (Stadt-) Quartier als Hoffnungsträger der Energiewende analysiert.
Schließlich wurden drei Fallbeispiele mit Blick auf ihre Resilienzpotenziale im Kontext der Corona-Krise analysiert:
dezentrale Produktion (3-D-Druck), Handwerk und die solidarische Landwirtschaft.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Die Ergebnisse des Projektes wurden für eine breitere Öffentlichkeit aufbereitet. Im Ergebnis ist eine 25-
seitige, barrierefreie Broschüre im PDF-Format entstanden. Diese ist mit grafischen Gestaltungselementen
versehen. Die Erstellung der Broschüre erfolgte in Zusammenarbeit mit der Agentur Hakotowi, Berlin. Die
Verbreitung der Endergebnisse wird eng mit dem Pressereferat der DBU abgestimmt.


Fazit

Die Corona-Krise hat die vielfältigen Fehlentwicklungen offenbar werden lassen, die zur Überschreitung der
planetaren Grenzen geführt haben. Es geht darum sowohl resiliente als auch nachhaltige Strukturen zu entwickeln.
Alternative Konzepte des Wirtschaftens können den gesellschaftlichen Wandel anstoßen, der neue
normative Leitorientierungen und Institutionen benötigt sowie neue Spielregeln, die in der Praxis erprobt werden
müssen. Nötig sind groß angelegte Experimentierräume und ein neues Innovations- und Fortschrittsverständnis,
welches nicht vorrangig auf Wachstum, sondern auf gesellschaftliches Wohlbefinden fokussiert.
Zellulare Systeme mit eigener Steuerungsfähigkeit im Kontext von polyzentrischen Systemen können eine
elementare Rolle in diesen Suchprozessen spielen. Dazu ist erforderlich, die Handlungspotenziale „vor Ort“
gerade auch mit zivilgesellschaftlichen Organisationen zu erschließen. Im Sinne der polyzentrischen Governance
müssen Strukturen geschaffen werden, die Lernprozesse des Wandels systematisch erschließen.

Übersicht

Fördersumme

122.311,00 €

Förderzeitraum

18.05.2020 - 31.10.2021

Bundesland

Berlin

Schlagwörter