Durch starke Trockenheit und Hitzewellen sind zahlreiche Baumarten in Mitteleuropa von einer erhöhten Mortalität betroffen. Diese gestiegene Mortalität durch Störungsereignisse wird sich auch in Zukunft noch weiter fortsetzen. Unter dem Begriff „Waldsterben 2.0“ hat dieses Phänomen 2019 deutschlandweit eine hohe öffentliche Aufmerksamkeit bekommen.
Im Rahmen des Projekts „Förderung von multifunktionalen und klimastabilen Wäldern durch einen nachhaltigen Umgang mit Windwurfflächen“ wird eine naturverträglichere Form der Windwurfaufarbeitung entwickelt. Dazu wurden auf Sturmwurfflächen des Sturms „Fabienne“ unterschiedlich behandelte Untersuchungsflächen eingerichtet. Neben einer intensiven Räumungsvariante wird im Rahmen des Projektes erstmals auch eine extensive Räumungsvariante (nur Nutzung von Stammholz) getestet. Als Kontrollen wurden diese beiden Räumungsvarianten mit Sturmwurfflächen ohne Räumung, sowie mit unbeschädigten angrenzenden Waldflächen verglichen. Dadurch sollen Nutzungsmöglichkeiten von Stammholz, bei gleichzeitiger Retention von Schwachholz, evaluiert werden. Parallel dazu wurde erfasst, wie sich Eichen, als ökonomisch bedeutendsten Baumart der Region, auf den unterschiedlich behandelten Flächen, mit und ohne den Ausschluss von Wildverbiss, entwickeln. Nachfolgend werden die Ergebnisse aus den ersten vier Jahren nach dem Sturmschaden und der Aufarbeitung der Flächen beschrieben.
Das Untersuchungsgebiet befindet sich im nördlichen Steigerwald und wird von den Bayerischen Staatsforsten bewirtschaftet. Diese Wälder sind von Buchen dominiert (44 %), enthalten aber auch einen hohen Anteil an Eichen (21 %) und etwa ein Viertel Nadelhölzer, hauptsächlich Kiefern. Am 23. September 2018 wurden in diesem Gebiet rund 40.000 m³ Wald durch den Sturm „Fabienne“ zerstört. Durch orkanartige Fallwinde sind so zahlreiche kleinere Sturmwurfflächen entstanden. An vier Standorten mit mindesten 75 % Kronenmortalität wurden in Zusammenarbeit mit dem Forstbetrieb Ebrach fünf Gruppen von je 4 Versuchsflächen eingerichtet und die unterschiedlichen Räumungsvarianten im Winter 2018/2019 direkt nach dem Sturm implementiert. Dabei entstanden je fünf Flächen mit den Räumungsvarianten ungeräumt, extensiv geräumt und intensiv geräumt. Zusätzlich wurden fünf angrenzende unbeschädigte Waldflächen als Kontrollflächen eingerichtet, sodass insgesamt 20 Flächen untersucht wurden. Die mittlere Größe der Schadflächen betrug 1,25 ha.
Auf jeder der 20 Versuchsflächen wurden von 2019 bis 2022 während der Vegetationsperiode jeweils zwei Flugfensterfallen und zwei Bodenfallen installiert und einmal monatlich, insgesamt fünfmal pro Jahr, geleert. Von diesen Proben wurden xylobionte Käfer, Hymenoptera (Hautflügler) und Heteroptera (Wanzen) auf Artniveau bestimmt. Die mit Abstand am häufigsten vertretene Gruppe war die der xylobionten Käfer mit 17.985 Individuen aus 361 Arten. Werden sämtliche Artengruppen zusammen betrachtet, dann besteht kein signifikanter Unterschied in der Anzahl der Arten zwischen den vier Flächentypen.
Die Artenzahl der Holzpilze war sowohl im Wald als auch auf intensiv geräumten Flächen höher als auf ungeräumten Flächen. Die relative Bedeckung der untersuchten Objekte unterschied sich nicht signifikant zwischen den Flächentypen.
Während der Projektphase fanden zahlreiche Exkursionen mit Studierenden und der interessierten Öffentlichkeit statt. Darüber hinaus wurden Ergebnisse des Projektes wiederholt im Rahmen des "Steigerwaldsymposiums" Wissenschaftlern und Praktikern vorgestellt.
Unsere Untersuchungen in den ersten vier Jahren nach den Sturmschäden und den unterschiedlichen Managementvarianten zeigen einen insgesamt positiven Effekt auf Biodiversität und abiotische Bedingungen durch extensives Räumen. Die Diversität xylobionter Käfer war auf extensiv geräumten Flächen nicht signifikant unterschiedlich im Vergleich zu intensiv geräumten Flächen. Eine erhöhte Lichteinstrahlung und Temperatur begünstigt deren Vorkommen auf intensiv geräumten Flächen. Taxa, welche nicht obligat auf Totholz angewiesen sind, wie Wanzen und die meisten Wildbienen kamen auf intensiv geräumten Flächen zwar in größerer Zahl vor, was vor allem in den ersten Jahren vermutlich auf die erhöhte Anzahl an blühenden Pflanzen der Krautschicht zurückzuführen ist, waren aber auf Extensiv-Flächen im Vergleich mit Wald für alle erfassten Arthropoden-Taxa deutlich erhöht. Brutvögel waren von der geringen Strukturvielfalt auf intensiv geräumten Flächen deutlich negativ beeinflusst, wohingegen das Belassen der Baumkronen auf Extensiv-Flächen ausreichend war, um eine dem unbeschädigten Wald und ungeräumten Flächen gleiche Artenvielfalt und Individuenzahl zu sichern. Das Belassen von Totholz hat für einen verringerten Schalenwildverbiss gesorgt, da die Tiere durch die natürlichen Barrieren, die das Schadholz darstellt solche Flächen weniger frequentieren.