In den Jahren 2017, 2018 und 2019 waren vor allem in Ostdeutschland vermehrt Hitzeperioden mit hohen Temperaturen über 39 °C bei gleichzeitigen längeren Trockenzeiten zu verzeichnen. Dieses Phänomen ist mit der globalen Klimaerwärmung zu begründen und wird sich in den kommenden Jahren noch weiter verstärken. Die Folge davon ist, dass sich auch die Innenräume von Denkmälern mit wertvoller historischer Ausstattung aufheizen, und die relative Feuchte auf kritische Werte unter 40 % r.F. absinkt. Dieses Phänomen ist bisher in dieser Weise noch nicht aufgetreten – im Gegenteil, in historischen Denkmälern waren bislang eher zu hohe Luftfeuchten das Problem.
Geringe Luftfeuchten führen zu einem hohen Schadensrisiko (Rissbildung, Lockerung und Substanzverlust der Farbfassung, etc.) für zahlreiche Kunstgattungen, speziell für polychrome Oberflächen, wie Leinwandgemälde, Papier- und Ledertapeten, gefasste Holzoberflächen sowie Wandmalerei.
Diese Schadensphänomen ist bisher im Raum Sachsen und Sachsen-Anhalt vermehrt aufgetreten. Um es im nationalen Kontext besser einschätzen zu können, wurde ein Fragebogen hinsichtlich der Auswirkung des anthropogenen Klimawandels auf historische Denkmäler entwickelt. Dieser wurde von Mitarbeitenden an Denkmalämtern und Schlösserverwaltungen der jeweiligen Bundesländer beantwortet.
Weiter erfolgte an Beispielen national wertvoller Ausstattung eine eingehende Analyse des Raumklimas inklusive des Mikroklimas an. Dazu wurden der Cranach-Altar der Schlosskirche der Augustusburg, die barocken Ledertapeten im Schloss Moritzburg, die Wandmalereien in der Albrechtsburg in Meißen sowie das Flügelretabel von St. Nicolai in Döbeln ausgewählt. Neben der Analyse des Raumklimas stand die Untersuchung der historischen Oberflächen in Hinblick auf dessen Veränderung aufgrund des vorherrschenden Klimas im Fokus. Hier wurden optische Verfahren, wie Streifenlichtscanning und hochauflösende Digitalaufnahmen eingesetzt.
Außerdem wurde basierend auf den in Schloss Moritzburg gemessenen Klimadaten, ein Klimafile erstellt. Dieses wurde in der Klimakammer zur Untersuchung der Reaktion von Dummykunstwerken und Ledertapetenstücken aus Schloss Moritzburg eingesetzt. Die Reaktion darauf untersuchten die Wissenschaftler wiederrum mit optischen Verfahren. Die daraus abzuleitende Reaktionsgeschwindigkeit der wertvollen Oberflächen gibt Hinweise auf das künftige Schadensrisiko.
Um den langfristigen Verlauf von Temperatur und relativer Feuchte im Innenraum zu erhalten, wurden an ausgewählten Standorten in den historisch wertvollen Baudenkmalen der Albrechtsburg in Meißen, der Moritzburg und der Augustusburg Datenlogger aufgestellt, welche regelmäßig von Fachkräften vor Ort oder durch Projektmitarbeitende ausgelesen werden. Ein Vergleich der Messungen über einen kompletten Jahreszyklus soll aufzeigen, welchen kurz- und langfristigen Schwankungen die historischen Oberflächen ausgesetzt sind. Um festzustellen, inwieweit sich das direkte Umgebungsklima bereits verändert hat, sind langfristige Messungen (über mindestens 3 Jahre) erforderlich. An den ausgewählten Standorten sind diese Daten durch die langjährige Begleitung des Unterauftragnehmers IDK vorhanden und wurden für die Auswertung zur Verfügung gestellt.
Parallel zu den Klimamessungen wurden ausgewählte Referenzflächen unterschiedlicher Materialverbünde mittels hochauflösenden 3D-Scannern zu unterschiedlichen Zeitpunkten erfasst. Etwaige Bewegungen oder Veränderungen an den Oberflächen, die zwischen zwei Messungen stattgefunden haben, lassen sich so erfassen und mit den Klimadaten korrelieren.
Das Vorhaben setzt sich aus zwei inhaltlichen Arbeitsschritten zusammen:
1. Abfrage des Standes zu den Auswirkungen des globalen Klimawandels in Kulturdenkmälern.
Um ein besseres Verständnis für den Einfluss des Klimawandels auf Kunst- und Kulturgüter zu erhalten, wurde eine bundesweite Umfrage bei Denkmaleigentümern und -verantwortlichen initiiert. Darin wurden u. a. die bereits heute sichtbaren Auswirkungen des Klimawandels aufs Baudenkmal abgefragt.
2. Untersuchungen an Kulturgut zur Risikoeinschätzung hinsichtlich der Schädigung durch den anthropogenen Klimawandel
An den Fallstudien
• Tafelgemälde von Lucas Cranach d. Jüngeren in der Schlosskirche Augustusburg (Chemnitz)
• Barocke Ledertapeten aus Schloss Moritzburg (Dresden)
• Wandmalereien in Schloss Albrechtsburg (Meißen)
• Flügelretabel in St. Nicolai in Döbeln
wurde jeweils ein Klimamonitoring installiert und eine Untersuchung der klimaabhängigen Zustandsänderung mittels hochauflösenden 3D-Scannern durchgeführt.
Anhand der vorhandenen langfristigen raumklimatischen Erfassungen an Objekten in Sachsen und Sachsen-Anhalt war es möglich, die Veränderungen durch sich ändernde Außenklimasituationen auf den Innenraum zu erkennen. Speziell in den Jahren 2017, 2018 und 2019 hatten sich über die Sommermonate auch in den Innenräumen Temperaturen über 25 °C eingestellt. Daraus resultierten geringe relative Feuchten unter 40 % r.F., die schädlich für die langfristige Erhaltung vieler organischer Materialien sind. Mit dieser Datengrundlage konnte auf die Notwendigkeit weiterer Untersuchungen und Raumklimamessungen zum Thema "Trockenheit in historischen Gebäuden" hingewiesen werden und Fragestellungen entwickelt werden, die im Rahmen des Projektes bearbeitet wurden. Um die künftigen Auswirkungen von sich ändernden Klimasituationen in historischen Räumen beurteilen zu können, müssen diese kontinuierlicher erfasst und bewertet werden. Dazu müssen mehr Klimamesspunkte installiert und in Hinblick auf langfristige Änderungen ausgewertet werden. Hier gilt zu beachten, dass heute installierte Klimamessungen wahrscheinlich erst in ca. 10 Jahren ein sich änderndes Raumklima anzeigen! Historische Raumklimaaufzeichnungen (Datenblätter von Thermohygrographen) müssen dokumentiert, digitalisiert und ausgewertet werden. Die gewonnenen Messdaten müssen durch begleitende restauratorische Untersuchungen aufgearbeitet werden, um einzelne Schäden oder Schadursachen einer bestimmten Trockenheitsstufe zuzuordnen.
Anhand der Fallbeispiele konnte gezeigt werden, wie unterschiedlich der jeweilige Materialverbund auf klimatische Schwankungen reagiert. So waren beispielsweise bei den Ledertapeten Reaktionen auf Tagesschwankungen messbar, während die Wandmalereien in Schloss Albrechtsburg geringere Bewegungen verzeichneten.
Das Monitoring mit dem Streifenlichtscanner ist eine zerstörungsfreie und sensible Methode zur Untersuchung von historischen Oberflächen, die empfindlich auf klimatische Schwankungen reagieren.
Für die Untersuchung der Fallstudien wurden in Absprache mit dem Fachpersonal und dem Unterauftragnehmer vor Ort exemplarische Oberflächen mit einem 3D Scanner aufgenommen. Um die Zustandsänderung analysieren zu können, wurden die Scanaufnahmen im zeitlichen Verlauf des Projektes mehrmals wiederholt. Der Grad der Verformung kann über den Vergleich zweier Scans untersucht werden. Mit den gewonnenen Daten aus zwei Messkampagnen kann durch weitere Nachbearbeitung mit spezieller Software ein so genannter Soll-Ist-Vergleich erstellt werden. Hier werden die Oberflächendaten der 3D-Messung aus der zweiten Messkampagne (Ist) passgenau auf die Daten der ersten Messung (Soll) gelegt und anschließend die Abweichungen berechnet. Die Veränderungen werden numerisch und optisch in einem Falschfarbenbild dargestellt, in dem angezeigt wird, um wie viel sich das Objekt an bestimmten Stellen verändert hat.
Die brisante Thematik der Auswirkungen des Klimawandels auch auf das kulturelle Erbe wurde bereits vor Projektbeginn von Seiten der Medien bemerkt. Nachdem sowohl vom Landesamt für Denkmalpflege in Sachsen (9.7.2020, https://www.denkmalpflege.sachsen.de/), als auch von der Universität Bamberg (28.07.2020, https://www.uni-bamberg.de/presse/pm/artikel/klimawandel-schadet-kulturguetern/ Stand 31.8.2020) Pressemitteilungen zum Projekt herausgegeben wurden, kamen an die Projektleitung vermehrte Pressefragen. Das ZDF drehte bereits für das Heute Journal einen feuilletonistischen Beitrag am KDWT zu den Auswirkungen des Klimawandels auf Kulturgut.
Weiterhin fand am 28.8.2021 in Schloss Augustusburg ein Presstermin mit Minister für Regionalentwicklung Thomas Schmidt statt, der vom Landesamt für Denkmalpflege Sachsen und dem IDK organisiert wurde und in dem das Forschungsprojekt vorgestellt wurde (https://www.mdr.de/sachsen/chemnitz/floeha-hainichen/untersuchung-trockenheit-denkmale-100.html, Stand 31.8.2020).
Anbei eine Liste der Veröffentlichungen zum Projekt
• https://oiger.de/2020/07/30/forscher-untersuchen-klimawandel-schaeden-an-kulturgut-in-moritzburg/175670
• https://www.energieagentur.nrw/klimaschutz/projekt_kleiner_40_umfrage_zur_auswirkungen_des_klimawandels_auf_kulturgueter?preview=1&utm_content=buffer6550a&utm_medium=social&utm_source=twitter.com&utm_campaign=buffer
• https://www.uni-bamberg.de/presse/pm/artikel/klimawandel-schadet-kulturguetern/
• https://www.vdl-denkmalpflege.de/index.php?id=42&no_cache=1&tx_news_pi1%5Bnews%5D=119
• https://www.medienservice.sachsen.de/medien/news/238509
• https://www.bayerische-staatszeitung.de/staatszeitung/kultur/detailansicht-kultur/artikel/klimawandel-schadet-kulturguetern.html#topPosition
• https://www.sueddeutsche.de/kultur/forschungsarbeit-kunstschaeden-durch-klimawandel-1.4962223
Folgende Artikel wurden im Rahmen des Forschungsprojektes erarbeitet und veröffentlicht:
• Holl, Kristina, Karl, Anne, Bellendorf, Paul: Structured Light Scanning as a Method to Investigate the Effect of Climate Change on Cultural Heritage Items in: ICDH 2021: 15. International Conference on Digital Heritage November 18-19, 2021 in London, United Kingdom, https://waset.org/profile/submissions/papers/detail/136715
• Holl, Kristina, Pallas, Leander, Bellendorf, Paul: Structured light scanning as a monitoring method to investigate dimensional changes due to climatic changes on cultural heritage, in: CHNT Editorial board. Proceedings of the 26th International Conference on Cultural Heritage and New Technologies, held in Vienna and online, November 2021 (im Druck)
• Holl, Kristina, Bellendorf, Paul, Karl, Anne, Löther, Thomas: Auswirkungen des Klimawandels auf Kulturgut in Deutschland. Auswertung einer Umfrage im Rahmen eines DBU-Forschungsprojektes, in: Denkmalpflege in Sachsen – Jahrbuch 2021 (im Druck)
• Bellendorf, Paul, Holl, Kristina, Löther, Thomas: Optotechnisches Monitoring am Hochaltar in Döbeln – klimainduzierte Bewegungen sichtbar machen, in: Die Denkmalpflege Heft 2/2021 (https://doi.org/10.1515/DKP-2022–1009)
Das Forschungsprojekt leistete einen wichtigen Baustein bei der Identifizierung des Schadensrisikos von Kulturgut in Hinblick auf das sich ändernde Innenraumklima. Das engmaschige Monitoring in monatlicher Taktung konnte erstmals die Reaktion von unterschiedlichen Materialverbünden auf klimatische Schwankungen aufzeigen.
Anhand der Ergebnisse können geeignete Strategien zum Schutz von Kulturgut im Innenraum abgeleitet werden. Hier werden insbesondere nachhaltige Lösungen, wie die aktive Belüftung oder Schutz vor Wärmeeintrag durch Verschattung in Betracht gezogen.
Durch die Corona-bedingten Schließungen der Häuser zeigte sich klimatisch gesehen ein anderes Bild als herkömmlich. Insbesondere die kurzfristigen Schwankungen, die großteils von der Nutzung durch Besichtigungen entstehen, blieben aus. Die historischen Oberflächen, wie die Ledertapeten in Schloss Moritzburg, zeigten in diesem Zeitraum geringere Bewegungen.