Projekt 35522/01

Entwicklung eines marktgerechten Modells für erschwinglichen (Miet)Wohnraum und eines nachhaltigen energieeffizienten Mehrfamilienhauses in modularer Holzhybridbauweise in Lettland durch die Europäische Wohnungsgenossenschaft ‚Living in Metropolises'[…]

Projektdurchführung

Initiative Wohnungswirtschaft Osteuropa (IWO) e. V.
Friedrichstr. 95
10117 Berlin

Zielsetzung

Der Wohnungsmarkt ist in Lettland wie in den meisten Ländern des post-sowjetischen Raums deformiert: Er weist eine hohe Wohneigentumsquote von über 90 Prozent auf, die aus kurzfristigen und umfänglichen Privatisierungsmaßnahmen des vormals staatlichen Wohnraums Anfang der 1990er Jahre resultiert. Neben der Überzahl an privatisierten Wohnungen fehlt es an alternativen Wohnungsangeboten wie erschwinglichen Mietwohnungen oder gar Sozialwohnungen. Neubauvorhaben sind zumeist dem hohen Preissegment zuzuordnen und können angesichts der mehrheitlich weniger finanzstarken Bevölkerung den Bedarf an Wohnraum nicht decken. Die viertgrößte Stadt Lettlands mit ca. 60.000 Einwohnern, Jelgava, verzeichnet seit Jahren eine erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung mit stetig steigender Nachfrage junger Familien und Fachkräfte verschiedener Bereiche nach bezahlbarem Wohnraum. Die Stadt will neue, alternative Wohnraumangebote im Mietsegment schaffen und hat JNIP, Kooperationspartner im Projekt, mit der Entwicklung von Lösungsansätzen beauftragt. Die Schaffung von qualitätsvollen Mietwohnungen im innerstädtischen Raum, die auch Familien mit Kindern und junge Menschen am Beginn ihrer Arbeitskarriere bezahlen können, reduziert zum einen das Verkehrsaufkommen und die resultierende Umweltbelastung und steigert zugleich die Lebensqualität der Stadtbewohner. In sozialökonomischer Hinsicht kann das Angebot von neuem, bezahlbarem Wohnraum in Innenstädten der Abwanderung junger Arbeitskräfte und den dadurch bedingten demographischen Entwicklungen entgegenwirken, die Lettland seit vielen Jahren herausfordern. Eine großflächige Einführung des Genossenschaftsprinzips im Wohnungswesen – verbunden mit der Anwendung innovativer, nachhaltiger Bauweisen, aber auch zur Vorbereitung von Sanierungen – kann in Lettland und der weiteren Region einen wesentlichen Hebel für die energetische Ertüchtigung, Dekarbonisierung, zunehmende Klimaverträglichkeit und bauliche Qualität neuer und bestehender Wohngebäude darstellen.

Arbeitsschritte

Mit der modellhaften Konzeptentwicklung für ein nachhaltiges und auf der Basis des Rohstoffs Holz errichteten Holzhybridgebäudes mit einer sehr hohen Energieeffizienz soll ein Typenhaus für den lettischen Wohnungsmarkt entwickelt werden, das beispielhaft zu einer Umweltentlastung bei der Errichtung von künftigen Neubauten im Mehrfamilienhaussegment führt und gleichzeitig bezahlbaren Wohnraum für untere und mittlere Einkommensschichten zur Verfügung stellen hilft.
In Jelgava wird die Erbauung eines Miethauses vorbereitet, das modellhaft die technische und finanzielle Machbarkeit, die energetischen und wertschöpferischen Vorteile des Holzhybridbaus in Lettland, die hohe Qualität des entstehenden Wohnraums und seine Bezahlbarkeit durch das Genossenschaftsprinzip demonstriert. Den Aspekten der Energieeffizienz des Gebäudes und der Gebäudetechnik sowie der Nachhaltigkeit von Bauweise und Instandhaltung wird dabei größte Bedeutung beigemessen.
In und über Lettland hinaus ist dieses Vorgehen und die Verbindung von Machbarkeit, Wirtschaftlichkeit, Nachhaltigkeit und Klima- sowie sozialer Verträglichkeit bei der Schaffung neuen Wohnraums neuartig und innovativ. Das ganzheitliche Vorgehen, das bauliche und technische, soziale und gesellschaftliche, wirtschaftliche und klimarelevante Maßnahmen verknüpft und in Einklang bringt, dient der nachhaltigen, qualitativen und anwendungsorientierten Vorbereitung und Wegbereitung der praktischen Umsetzung. Dialogformate und Informationsmaterialien dienten im Projektverlauf dazu, die Verbindung des im Projekt demonstrierten Modells und Vorgehens mit der Zukunftsfähigkeit von Städten, Quartieren und Wohnumfeld sichtbar und verständlich zu machen – nicht nur gegenüber Fachakteuren, sondern auch gegenüber der interessierten Öffentlichkeit und den Bewohnern in der Nachbarschaft. Die Erkenntnisse und Ergebnisse im Projektverlauf wurden zudem gesondert für die fachlichen Akteure aufbereitet und dokumentiert, um diese zur praktischen Nachahmung analoger Vorhaben in weiteren lettischen Städten und anderen Ländern zu motivieren und sie bei der Planung und Umsetzung praxisnah zu unterstützen.

Ergebnisse

In der ersten von vier Projektphasen wurde vor allem die Analyse der sozialen, wirtschaftlichen, rechtlichen, steuerlichen und technischen Rahmenbedingungen des lettischen Wohnungsmarkts und für Mietwohnungsbau, u.a. für die Anwendung des Genossenschaftsmodells in der lettischen Wohnungswirtschaft, vorgenommen. Unter dem Fokus ‚Neues Wohnen‘ wurde in der zweiten Phase das wohnungs- und städtebauliche Konzept für das konkrete Demonstrationsvorhaben entwickelt, die dritte Phase ‚Innovatives Bauen‘ diente der Entwicklung der technischen Lösung für das Demonstrationsvorhaben. Die zweite und dritte Phase wurden durch Maßnahmen der Verbreitung von Erkenntnissen, der Beteiligung und Partizipation der lokalen Bevölkerung und Fachakteuren sowie des gezielten Dialogs mit verschiedenen Stakeholdern begleitet. Auf diese Weise wurde die gesellschaftliche und politische Akzeptanz für das Vorhaben eingeworben und langfristig gesichert.

Öffentlichkeitsarbeit

Als Grundlage für die Verbreitung der Projektidee und -ergebnisse dienten die im Projekt angefertigte "Machbarkeitsanalyse zum Geschosswohnungsneubau in Jelgava/Lettland" und die "Informationsbroschüre zum Genossenschaftsmodell und zum Projekt in Jelgava" (en, lv). Sie wurden genutzt, um das Vorhaben den verschiedenen Stakeholdern in verschiedenen Veranstaltungen und Meetings vorzustellen. In der Stadtverwaltung Jelgava und bei der allgemeinen Bevölkerung wurde auf dieser Grundlage um Akzeptanz für dieses neuartige Vorhaben geworben. Der Baustein, möglichst viele durch die Projektumsetzung beeinflusste Bürgerinnen und Bürger zu informieren und teilhaben zu lassen, war wesentlicher Bestandteil des Projekterfolgs.
Das Projektvorhaben wurde vor allem auf nationaler sowie kommunaler Ebene im Zuge verschiedener Veranstaltungen und Publikationen, aber auch auf internationaler Ebene vorgestellt. Informiert wurden u. a. Vertreter verschiedener Ministerien, Vertreter des lettischen Parlaments Saeima, Vertreter des Verbandes der großen Städte Lettlands sowie Vertreter von 12 weiteren lettischen Städten. Das Vorhaben wurde positiv aufgenommen und die genannten Städte prüfen die Anwendung des Genossenschaftsmodells in ihrer Kommune.

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Fazit

Die Projektziele konnten im Wesentlichen erreicht werden. Gleichwohl waren durch die erschwerten Rahmenbedingungen während der regulären Projektlaufzeit (Coronapandemie) der geplanten Verbreitung des Projektes in der Öffentlichkeit Grenzen gesetzt. Dank der budgetneutralen Verlängerung des Projektes um zwölf Monate konnten weitere Grundlagen gelegt werden, die eine künftige Umsetzung des Projektes ermöglichen könnten.
Für die künftige tatsächliche Umsetzung des gemeinsamen Mietwohnungsprojektes in Holzbauweise bietet insbesondere das von der lettischen Regierung Ende 2022 aufgelegte Förderprogramm für den Bau von Mietwohnungen in den Regionen (außerhalb der Hauptstadt Riga) eine realistische Perspektive. Das Förderprogramm hat das Ziel, die Verfügbarkeit von Wohnraum für Haushalte zu verbessern, die sich Wohnraum zu Marktbedingungen nicht leisten können. Genossenschaften sind antragsberechtigt und können hier realistische Lösungsanbieter sein.
Die europäische Wohnungsgenossenschaft LiM SCE, die in der Corona-Zeit auch mit den sich in Deutschland verändernden Rahmenbedingungen bei der Errichtung des ersten genossenschaftlichen Wohnungsbauprojektes in Berlin konfrontiert sah, hat in ihren Gremien beschlossen, das Projekt in Jelgava als erste Priorität zu betrachten und sich intensiv für dessen Umsetzung einzusetzen.

Übersicht

Fördersumme

124.998,00 €

Förderzeitraum

16.12.2019 - 15.12.2022

Bundesland

Grenzüberschreitend

Schlagwörter

Grenzüberschreitend
Ressourcenschonung