Projekt 34900/01

Untersuchungen zur Optimierung maschineller Luftführungskonzepte in Schulen zwecks Verbesserung der Innenraumluftqualität, Behaglichkeit und Energieeffizienz

Projektdurchführung

Universität Stuttgart Institut für Gebäudeenergetik, Thermotechnik & Energiespeicherung (IGTE)
Pfaffenwaldring 6
70569 Stuttgart

Zielsetzung

Aufgrund der hohen Personendichte in Klassenräumen ist es durch eine reine Fensterlüftung, welche an den meisten Schulen in Deutschland derzeit eingesetzt wird, nur sehr eingeschränkt möglich, einen ausreichend großen Außenluftstrom für eine adäquate Raumluftqualität unter Berücksichtigung thermischer Behaglichkeitsbedingungen bereitzustellen.

Daneben führen die zunehmenden energetischen Anforderungen hinsichtlich der Gebäudedichtheit zu einem minimierten, natürlichen Außenluftwechsel aufgrund von Infiltration, wodurch die Raumluftqualität bei freier Lüftung zusätzlich verringert wird. Wie diverse Studien belegen, wirkt sich eine unzureichende Raumluftqualität negativ auf das Lernvermögen und die Leistungsfähigkeit der SchülerInnen aus. Auch zu geringe oder zu hohe Temperaturen in den Klassenräumen führen zu einer Reduktion der Leistungsfähigkeit der SchülerInnen.

Mehrere wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass insbesondere in den Wintermonaten alleiniges Stoßlüften in den Pausenzeiten für eine angemessene Luftqualität nicht ausreichend ist. Mit einer maschinellen Lüftung kombiniert mit Wärmerückgewinnung (WRG) ist es möglich, die Anforderungen an die Luftqualität im Klassenraum ganzjährig einzuhalten und gleichzeitig den energetischen Aufwand zu verringern.

Da eine Übersicht und Bewertung verschiedener Luftführungssysteme im Bereich der Schullüftung bezogen auf die Lüftungseffektivität und die entsprechenden Energieeinsparpotentiale fehlt, soll ein Planungsleitfaden für Fachplanende bezüglich der Luftführung im Raum für die Auswahl und Auslegung geeigneter Systeme erarbeitet werden.

In diesem Forschungsvorhaben werden daher die Lüftungseffektivitäten von häufig eingesetzten Schullüftungskonzepten für einen Referenzklassenraum anhand von Strömungssimulationen ermittelt. Das dabei verwendete Strömungssimulationsmodell wird in zwei Messphasen in einem Raumluftströmungslabor validiert. Bei den Strömungssimulationen wird nicht nur die Raumluftqualität, sondern auch die thermische Behaglichkeit für die einzelnen Personen im Klassenraum berücksichtigt. Anhand gekoppelter Gebäude- und Anlagensimulationen wird das Energieeinsparpotential durch eine verbesserte Lüftungseffektivität, Wärmerückgewinnung und Bedarfslüftung ermittelt.

Arbeitsschritte

Im Rahmen des Projekts werden die energetischen und raumlufttechnischen Anforderungen an Schulen zusammengestellt und der Stand der Technik der Schullüftung analysiert. Dabei werden die Auslegungskriterien für die Luftführung im Raum berücksichtigt. Ein Simulationsmodell eines typischen Klassenraums wird erstellt und die sich einstellende Raumluftströmung mit numerischen Strömungssimulationen analysiert und mittels experimenteller Versuche in einem Raumluftströmungslabor verifiziert. Dabei werden in einem Klassenraum verschiedene Varianten der Luftführung untersucht. Weiterhin werden der Einfluss der Positionierung der Luftdurchlässe betrachtet und unterschiedliche Varianten miteinander verglichen.

Mit Strömungssimulationen werden für typische Systemkonfigurationen die Lüftungseffektivität und Kenngrößen der thermischen Behaglichkeit, wie z.B. die Zugluftrate, bestimmt. Zur Bewertung der Raumluftzustände nach thermischen und lufthygienischen Gesichtspunkten werden die Anforderungen nach DIN EN 16798-3:2021-04 herangezogen. Der hierbei vorgegebene Grenzwert für die CO2-Konzentration im Raum wird als Maßstab für die erforderliche Luftqualität angesetzt.

Ausgehend von bisher üblichen Lösungen für die Luftführung im Raum werden Verbesserungsmaßnahmen hinsichtlich der Luftführung und der Möglichkeit, bedarfsabhängig zu lüften entwickelt, bei einer gleichzeitig optimalen Lüftungseffektivität und thermischen Behaglichkeit sowie einem niedrigen apparativen und energetischen Aufwand. Der Einfluss dieser Maßnahmen auf die Raumluftströmung und Innenraumluftqualität wird aufgezeigt und die Potentiale einer energetischen Optimierung ermittelt. Dafür wird der Heizwärme- und Hilfsenergiebedarf verschiedener Luftführungskonzepte mit thermisch-energetischen Jahressimulationen ermittelt und der daraus resultierende CO2-Ausstoß verglichen.

Die aus den numerischen und messtechnischen Untersuchungen abgeleiteten Erkenntnisse werden in einem Planungsleitfaden für Fachplanende zusammengeführt, sodass diesen praxisnahe Hinweise zur Luftführung im Raum für die Auswahl und Auslegung geeigneter Systeme zur Verfügung stehen.

Das Forschungsvorhaben besteht aus acht Arbeitspaketen, deren zeitlicher Verlauf der beigefügten Abbildung entnommen werden kann. Die Bearbeitung des Forschungsvorhabens erfolgt durch das Institut für Gebäudeenergetik, Thermotechnik und Energiespeicherung (IGTE) der Universität Stuttgart und der LTG AG. Die Arbeitsgruppe Raumklimawirkung des Fachverbands Gebäude-Klima e.V. (FGK) unterstützte das Vorhaben beratend.
Die numerischen Untersuchungen erfolgen durch das IGTE; die messtechnischen Untersuchungen werden von der LTG AG vorgenommen. Die Zusammenführung der Erkenntnisse in einen Planungsleitfaden erfolgt gemeinsam.

• AP 1 – Zusammenstellung der Anforderungen an die Schullüftung (IGTE; LTG)
• AP 2 – Auslegung eines Referenzklassenraums und Festlegung der Simulationsrandbedingungen (IGTE; LTG)
• AP 3 – Untersuchung des Referenzklassenraums im Labor und Festlegung der Simulationsreferenz (LTG)
• AP 4 – Untersuchungen der Raumluftströmung mittels numerischer Strömungssimulationen (IGTE, LTG)
• AP 5 – Entwicklung und Bewertung von Optimierungsmaßnahmen der Luftführung im Raum (IGTE, LTG)
• AP 6 – Validierung durch experimentelle Untersuchungen im Raumluftströmungslabor (LTG)
• AP 7 – Ermittlung und Vergleich von Energiebedarfswerten (IGTE, LTG)
• AP 8 – Erstellung eines Planungsleitfadens für die Luftführung im Raum (IGTE, LTG)

Ergebnisse

Zentrale Erkenntnisse des Forschungsvorhabens OLiS sind:
• Eine maschinelle Lüftung ist – im Gegensatz zu einer Fensterlüftung – in der Lage, die erforderliche Raumluftqualität in Klassenräumen (CO2-Konzentration von maximal 1.000 ppm) über das gesamte Jahr einzuhalten.
• Durch maschinelle Lüftungen können gegenüber der Fensterlüftung für die Raumbeheizung deutliche energetische Einsparungen sowie verringerte CO2-Emissionen durch den Einsatz einer Wärmerückgewinnung erzielt werden.
• Mit einer maschinellen Mischlüftung bzw. Misch-/Quelllüftung kann sowohl die Raumluftqualität als auch die thermische Behaglichkeit unabhängig von der Belegung sichergestellt werden.
• Mit einer maschinellen Quelllüftung kann eine hohe Raumluftqualität erreicht werden; bezüglich der thermischen Behaglichkeit ist insbesondere darauf zu achten, dass im Nahbereich der Zuluftdurchlässe keine zu hohen Temperaturgradienten zwischen Kopf- und Knöchelbereich für die Personen auftreten.
• Eine Nacherwärmung der Zuluft kann bei der Quelllüftung zu einer Verbesserung der thermischen Behaglichkeit nahe der Zuluftdurchlässe führen – allerdings gleichzeitig zu einer Überwärmung in anderen Raumbereichen. Die mit diesen Konzepten prinzipiell erreichbaren energetischen Vorteile durch Lüftungseffektivitäten von ε >1, sind somit im betrachteten Winterfall nur bedingt nutzbar.
• Für den Sommerfall liegen bei sämtlichen Simulationen aufgrund der zu hohen Raumlufttemperatur thermische Behaglichkeiten der Kategorie III oder IV (nach DIN EN 16798-1) vor, die unter anderem mit der hohen Wärmeabgabe durch die Personen zu begründen sind. Aus diesem Grund sollte eine Zuluftkühlung zur Vermeidung einer Überwärmung im Raum zukünftig in Betracht gezogen werden.
Die Validierungen im Raumluftströmungslabor zeigen, dass das entwickelte Strömungsmodell bzw. die entwickelte Methodik in der Lage ist, die Raumluftströmung sowie die thermische Behaglichkeit und Raumluftqualität in einem Klassenraum mit Misch- und Quelllüftung adäquat abzubilden.
Der Referenzklassenraum, mit dem die ausgewählten Luftführungskonzepte bewertet wurden, kann als repräsentativ für Klassenräume in Deutschland angesehen werden.
Im Rahmen eines Workshops mit der Arbeitsgruppe Raumklimawirkung des Fachverbands Gebäude-Klima e.V. (FGK) wurden die 12 untersuchten Luftführungskonzepte für die Strömungssimulationen als repräsentativ für typische in Deutschland eingesetzte Lüftungskonzepte ausgearbeitet. In weiteren Workshops wurden Teil- und Schlussergebnisse des Projekts den Teilnehmenden vorgestellt und mit diesen diskutiert, sodass hierdurch der geplante Austausch mit Fachplanenden und Herstellern erreicht werden konnte. Im Anschluss wurde der Planungsleitfaden in mehreren Workshops ausgearbeitet und die Hinweise der o.g. Teilnehmenden berücksichtigt, sodass dieser für den Planungsprozess relevante Informationen zur Anwendung für Fachplanende enthält.
Die Ergebnisse zeigen, dass eine Umweltentlastung durch den Einsatz einer maschinellen Lüftung in Kombination mit einer Wärmerückgewinnung gegeben ist, da sich deutliche Energieeinsparungen gegenüber der bisher in Klassenräumen zumeist eingesetzten Fensterlüftung erreichen lassen. Trotz des zusätzlichen Strombedarfs für den Ventilatorbetrieb können die CO2-Emissionen eines Klassenraums für Heizen und Lüften je nach eingesetztem Energieträger um bis zu 75% reduziert werden. Durch den Einsatz von maschinellen Lüftungssystemen kombiniert mit Wärmerückgewinnung könnte ein wesentlicher Beitrag zur Erreichung eines klimaneutralen Schulgebäudes geleistet werden.

Der Zeitrahmen des Projekts wurde um ca. 6 Monate verlängert - aufgrund von neuen Erkenntnissen zur Lüftung von Klassenräumen aus der Corona-Pandemie, die im Projekt mitberücksichtigt wurden, sowie von weiteren organisatorischen Gründen. Die geplanten Arbeitsinhalte wurden antragsgemäß durchgeführt und die herbei erarbeiteten Erkenntnisse in einem Planungsleitfaden zusammengeführt. Die Projektkosten konnten unterhalb der beantragten Gesamtsumme gehalten werden.

Öffentlichkeitsarbeit

Die Ergebnisse des Forschungsvorhabens wurden im November 2021 im Rahmen der Deutschen Kälte- und Klimatagung einem wissenschaftlichen Publikum vorgestellt. Eine Publikation der zentralen Ergebnisse erfolgte in der Zeitschrift Kälte Klima Aktuell 2/2022. Im Juni 2022 ist ein Vortrag bei einem Online-Workshop des Fachverbands Gebäude-Klima e.V. (FGK) mit Beteiligung von Schulbauämtern, Lehrkräften und Vertretern aus der Industrie vorgesehen.

Während des Projekts wurden mehrere Treffen mit Vertretern von Schulverwaltungsämtern, Fachplanenden und Komponentenherstellern durchgeführt, um die Praxisnähe der Erkenntnisse zu gewährleisten. Die Erkenntnisse dieses Forschungsvorhabens sind in einem Planungsleitfaden zusammengefasst und werden vom FGK in dessen aktualisierter Version des Statusreports 22 berücksichtigt. Hierdurch werden Fachplanende auf wichtige Aspekte bei der Auswahl geeigneter Konzepte für die Luftführung in Klassenräumen hingewiesen. Darüber hinaus soll der Planungsleitfaden als TGA-Report durch den FGK veröffentlicht werden, sodass kleinen und mittelständischen Unternehmen die Ergebnisse zugänglich gemacht werden.

Zudem werden Fachplanende über den Verein der Förderer der Forschung im Bereich Heizung-Lüftung-Klimatechnik Stuttgart e.V. auf die Ergebnisse aufmerksam gemacht.

Durch die Einbindung mehrerer Doktoranden sowie Studierender im Rahmen von studentischen Abschlussarbeiten oder studentischen/wissenschaftlichen Hilfskrafttätigkeiten wurde der wissenschaftliche Nachwuchs im Projekt beteiligt und gefördert. Zudem konnten die Erkenntnisse in die Lehre an der Universität Stuttgart eingebracht werden.

Fazit

Die Untersuchungen anhand von Strömungssimulationen und Laborversuchen zur Luftführung in Klassenräumen zeigen, dass eine maschinelle Lüftung – im Gegensatz zu einer Fensterlüftung – in der Lage ist, die erforderliche Raumluftqualität in Klassenräumen über das gesamte Jahr einzuhalten. Grundsätzlich lassen sich unter Voraussetzung der Einhaltung einer adäquaten Raumluftqualität (CO2-Konzentration von maximal 1.000 ppm) auch energetische Einsparungen sowie geringere CO2-Emissionen durch den Einsatz einer Wärmerückgewinnung gegenüber der Fensterlüftung erreichen.

Mit einer maschinellen Mischlüftung bzw. Misch-/Quelllüftung kann sowohl die Raumluftqualität als auch die thermische Behaglichkeit unabhängig von der Belegung sichergestellt werden. Mit einer maschinellen Quelllüftung kann eine hohe Raumluftqualität erreicht werden; bezüglich der thermischen Behaglichkeit ist insbesondere darauf zu achten, dass im Nahbereich der Zuluftdurchlässe keine zu hohen Temperaturgradienten zwischen Kopf- und Knöchelbereich für die Personen auftreten. Eine Nacherwärmung der Zuluft kann bei der Quelllüftung zu einer Verbesserung der thermischen Behaglichkeit nahe der Zuluftdurchlässe führen – allerdings gleichzeitig zu einer Überwärmung in anderen Raumbereichen.

Die mit diesen Konzepten prinzipiell erreichbaren energetischen Vorteile durch Lüftungseffektivitäten von ε >1, die eine Verringerung der Außenluftströme entsprechend der Lüftungseffektivität nach DIN EN 16798-3:2017-11 ermöglichen, sind somit im betrachteten Winterfall nur bedingt nutzbar.
Für den Sommerfall liegen bei sämtlichen Simulationen aufgrund der zu hohen Raumtemperatur (und dem damit einhergehenden PMV-Index) thermische Behaglichkeiten der Kategorie III oder IV nach DIN EN 16798-1:2021-04 vor, die unter anderem mit der hohen Wärmeabgabe durch die Personen zu begründen sind. Aus diesem Grund sollte eine Zuluftkühlung zur Vermeidung einer Überwärmung im Raum zukünftig in Betracht gezogen werden.

Die Erkenntnisse dieses Forschungsvorhabens sind in einem Planungsleitfaden zusammengefasst, wodurch Fachplanende auf wichtige Aspekte bei der Auswahl geeigneter Konzepte für die Luftführung in Klassenräumen hingewiesen werden.

Weitergehende Fragestellungen, um die maschinelle Lüftung in Schulen weiter zu entwickeln betreffen geeignete Regelungskonzepte für die maschinelle Lüftung (z.B. nach CO2-Konzentration und Raumtemperatur), um insbesondere die thermische Behaglichkeit im Sommer zu verbessern. Daneben müssen geeignete Sensorpositionen im Raum (CO2, Temperatur, Feuchte) für eine adäquate Regelung der Lüftungsanlage definiert werden.
Zukünftig sollten Lüftungsanlagen bedarfsgeführt im Teillastbetrieb gefahren werden, um die Luftströme an die jeweilige Situation im Raum anzupassen und dadurch Energie (z.B. für Strom und Heizen) einzusparen. Im Teillastbetrieb verändert sich gegenüber dem Nennbetrieb die Strömung an den Zuluftdurchlässen. Hierfür sollten Maßnahmen entwickelt werden, um die gewünschten Strömungseigenschaften und damit die Raumwirkung auch beim Teillastbetrieb sicherzustellen.

In den nächsten Jahren muss eine Vielzahl an Schulgebäuden energetisch saniert werden; hierfür sollten Standardkonzepte entwickelt werden, die u.a. Heizen, Lüften und Kühlen sowie die Energieversorgung (niedrige CO2-Emissionen und Eigenerzeugung) berücksichtigen und als modulare Konzepte auf die individuellen Objekte angepasst werden können. Ziel eines ganzheitlichen energetischen Konzepts muss es sein, die Wärme-, Kälte- und Lüftungsversorgung mit erneuerbaren Energien (bspw. Unterstützung durch Eigenerzeugung über PV-Anlage) für eine weitgehend CO2-neutrale Energieversorgung der Schulgebäude zu betreiben. Die Raumbelüftung sollte bedarfsgeführt über eine maschinelle Lüftung mit Wärmerückgewinnung erfolgen.

Übersicht

Fördersumme

219.837,00 €

Förderzeitraum

11.07.2019 - 31.12.2021

Bundesland

Baden-Württemberg

Schlagwörter

Klimaschutz
Ressourcenschonung
Umweltforschung
Umwelttechnik