Projekt 34548/01

Gebrauchstauglichkeit und Komfort von dynamisch beanspruchten Holztragwerken im urbanen mehrgeschossigen Hochbau

Projektdurchführung

ASSMANN BERATEN + PLANEN AG Holzbauteam Hamburg
Vorsetzen 50
20459 Hamburg

Zielsetzung

Sowohl beim Neu- als auch beim Ausbau und der Sanierung von Altbauten erfreut sich die moderne Holzbauweise wegen ihrer guten Ökobilanz und günstigen Verarbeitbarkeit zunehmender Beliebtheit, sodass - bei stetig steigender Nachfrage – 2022 im Wohnungsneubau 21,3 % der Gebäude in Holz genehmigt wurden.

Bekanntermaßen, aber auch belegt durch die Bench-Mark-Studie der DGNB, liefern Holzbauwerke in aller Regel deutlich besser Ergebnisse in der Ökobilanz im Vergleich zu konventionellen, insbesondere Stahlbeton-Bauweisen. Der vermehrte Einsatz von Holz stellt also einen aktiven Beitrag zum Klimaschutz dar.

Auf der technischen Seite haben neue, innovative Holzbauprodukte, allen voran das hoch belastbare Brettsperrholz, und moderne Verbindungstechniken den Weg für mehrgeschossige Gebäude, deren Tragwerke mit Ausnahme der Gründung und Untergeschosse komplett in Holz errichtet werden können, geebnet, wodurch ganz neue Möglichkeiten für das Bauen mit Holz im urbanen Umfeld entstanden sind.
Allerdings muss konstatiert werden, dass bereits dynamische Messungen an viergeschossigen Holzgebäuden in der näheren Umgebung von Bahntrassen erhebliches Problempotential im Schwingungsverhalten aufweisen können: Auch wenn die Einsatzfähigkeit von Holz für tragende Bauteile im klassischen Hochbau insbesondere im Hinblick auf die Belastbarkeit durchaus vergleichbar mit Stahlbeton ist, gibt es jedoch aufgrund der vergleichsweise geringen materiellen Steifigkeit deutliche Nachteile im Bereich der Gebrauchstauglichkeit, also im Verformungs- und Schwingungsverhalten, die bei der Planung zwingend zu beachten sind.

Während Schwingungen von Wohnungsdecken, die durch die übliche Nutzung hervorgerufen werden, bereits für den Holzbau untersucht wurden, sind die Auswirkungen von Anregungen durch den Straßen- und Schienenverkehr auf den Komfort im mehrgeschossigen Holzbau bisher weitestgehend unbeachtet.

Insgesamt kann festgehalten werden, dass der innovative, moderne Holzbau in seiner Entwicklung gehemmt ist, da derzeit das planerische Vorgehen zum Umgang mit von außen angeregten Schwingungen weitestgehend unbekannt ist und ein Mangelpotential oft aus Unwissenheit in Kauf genommen wird. Ohne maßgebende methodische Entwicklungen im Bereich der Erschütterungs- und Schwingungsprognose sind fatale Fehlplanungen mittelfristig unvermeidbar.

Ergebnisse

Die Messungen in Bestandsgebäuden des mehrgeschossigen Holzbaus haben gezeigt, dass insbesondere für Gebäude in der Nähe von Bahntrassen, die für Güterverkehr genutzt werden, ein hohes Risiko besteht, dass sich ein Schwingungsverhalten außerhalb der normativen Anhaltswerte einstellen könnte. Ein solches Schwingungsverhalten stellt in der aktuellen Rechtsprechung mitunter einen Planungsmangel dar.

Messungen an den Brettsperrholzdecken ohne Bodenaufbau sind nicht geeignet, um hinreichende Informationen zur Bewertung des finalen Schwingungsverhaltens im Ausbauzustand zu erhalten. Insbesondere haben Bodenaufbauten und Trockenbauwände einen sehr deutlichen Einfluss auf die Eigenfrequenz und die Dämpfung im System.

Für Baupraktiker überraschend erscheint die Erkenntnis, dass mehrgeschossige Holztragwerke aufgrund der vergleichsweise weichen Wandelemente ein komplexes 3-dimensionales Schwingungsverhalten aufweisen, das insbesondere in den höheren Geschossen zu deutlich höheren Amplituden führt. Komforteinbußen sind also im Besonderen hier zu erwarten.

Die Messungen am Versuchsstand haben gezeigt, dass viele Tragwerkdetails für das Schwingungsverhalten praktisch unrelevant sind. Dazu gehören der Einbau akustisch wirksamer Elastomerlager und die Art der Verbindungsmittel zwischen Deckenelementen und Wandelementen.

Bei einem klassischen schweren Deckenaufbau bestehend aus Zementestrich, Trittschalldämmung, elastisch-gebundener Schüttung auf BSP-Rohdecke kann ein unterschiedliches Schwingungsverhalten zwischen dem Estrich und der BSP-Rohdecke beobachtet werden.

Erfreulicherweise haben die Messungen keinen Fall außerhalb der einzuhaltenden Anhaltswerte nach DIN 4150 ausweisen können. Mehrfach kamen die Messwerte allerdings dicht an diese Grenzwerte heran, so dass die Holzbauplanenden bisher schlicht und einfach Glück gehabt haben.

Das Forschungsprojekt hat es ermöglicht, wichtige Detailaspekte im Schwingungsverhalten mehrgeschossiger Holztragwerke durch Anregung von außen zu verstehen, die besondere Notwendigkeit baudynamischer Begutachtungen insbesondere bei höheren Geschossigkeiten zu belegen und allgemein die Sensibilität für problematische, ganzheitliche Schwingungsphänomene im Holzbau zu schärfen. Im urbanen modernen Holzbau kann damit ein weiteres wichtiges technisches Thema diskutiert und verantwortungsbewusst beplant werden.

Öffentlichkeitsarbeit

Die erarbeiteten Ergebnisse sind wesentlich neu für die Planenden und Ausführenden im Holzbau. Daher ist die Verbreitung der Ergebnisse und die Sensibilisierung für das Thema Schwingungsanregungen von Holztragwerken durch äußere Erschütterungen von großer Bedeutung.

Es ist geplant, im laufenden Jahr wichtige Projektergebnisse in die Praxis zu überführen. Dazu soll das Forschungsdatenrepositorium der Leibniz Universität Hannover genutzt werden. Es bietet die Möglichkeit, Rohdaten gemäß den FAIR-Prinzipien zu veröffentlichen.

In den kommenden Monaten und Jahren sollen die Ergebnisse daher in die regelmäßige Vortragstätigkeiten der Mitarbeitenden des Antragsstellers integriert werden. Anvisiert werden dabei folgende Formate: Forum Holzbau (u. A. Innsbruck, Köln, Berlin), Hamburger Holzbauforum, Build in Wood, Architekten- und Ingenieurkammern, Seminartage der Hersteller im Holzbau. Darüber hinaus bestehen etliche Kontakte zu Hochschulen mit entsprechenden Unterstützungen in der Lehre.

Schon zur Laufzeit des Forschungsvorhaben wurde an einem Artikel für Fachzeitschriften geschrieben. Weitere Veröffentlichung in den einschlägigen Ingenieurszeitschriften sind beabsichtigt.

Fazit

Das Forschungsvorhaben liefert wichtige Erkenntnisse zum Schwingungsverhalten von mehrstöckigen Gebäuden in BSP-Bauweise. Im Versuchsstand konnten weitere Detailfragen zum Einfluss von Verbindungsmitteln und einem typischen Bodenaufbau aus Schüttung, Dämmung und Zementestrich auf Eigenfrequenzen und Dämpfungen geklärt werden.

Die in situ Messungen zeigten Schwingungszustände, die im Rahmen des Konzepts der Hochabstimmung als gut bewertet werden können. Der Komfort ist bei allen gemessenen Decken (noch) gewährleistet (KBFmax-Werte sind eingehalten). Allerdings ist davon auszugehen, dass bei höheren Gebäuden mit mehr Vollgeschossen zunehmend eine Schwingungsproblematik auftreten könnte. Die Messungen machen deutlich, dass z. B. in Bahngleisnähe eine baudynamische Bewertung erforderlich ist, um Resonanzeffekte hinreichend ausschließen zu können.

Offenbar führen insbesondere die vergleichsweise weichen Holzwände zu „räumlichen Schwingungszuständen“, was bedeutet, dass höherliegende Decken tendenziell größere resultierende Schwingamplituden und damit ungünstigere KB-Werte als weiter untenliegende haben.
Das Mess- und Versuchskonzept hat sich dabei als geeignet erwiesen und bietet die Möglichkeit, sehr unterschiedliche Auswertemethoden auf die Daten anzuwenden.

Das Aufbringen eines Bodenaufbaus aus elastisch gebundener Schüttung, Dämmung und Zementestrich auf die BSP-Decke ist ein sinnvolles Konzept, da es die Dämpfung signifikant erhöht und Resonanzeffekte mindert.

Übersicht

Fördersumme

593.660,00 €

Förderzeitraum

01.10.2018 - 31.12.2022

Bundesland

Niedersachsen

Schlagwörter

Klimaschutz
Ressourcenschonung
Umweltforschung
Umwelttechnik