Projekt 21113/01

Modellhafte Konzeption zur Revitalisierung eines nordwestdeutschen Tieflandbachs am Beispiel der Kimmer-Brookbäke, Hasbruch

Projektträger

Trägerverein Waldweide Hasbruch (i.Gr.) Landkreis Oldenburg Untere Naturschutzbehörde
Delmenhorster Str. 6
27793 Wildeshausen
Telefon: 04435/6224

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Das Projektziel beinhaltet die modellhafte Revitalisierung eines naturfern ausgebauten Geestbachs, der Kimmer-Brookbäke, im Vorwaldbereich sowie innerhalb des europaweit wertvollen und geschützten Waldgebietes Hasbruch. Der Wasserhaushalt ist kennzeichnender ökologischer Standortfaktor für Waldgebiet und Waldvorland. Technisch ausgebaute Gewässerabschnitte sollen wieder landschaftstypische Naturschutzqualitäten erhalten, d. h. in die umgebenden Flächen ausufern können und auetypische Strukturen entstehen lassen.
Ziel ist die Verbesserung der natürlichen Lebensraumqualitäten im Sinne einer nachhaltigen Umweltvorsorge, auch im Hinblick auf das Waldnaturschutzgebiet. Als Modellbeispiel können die gewonnenen Erkenntnisse im nordwestdeutschen Landschaftsraum der Geest - durch wissenschaftliches Monitoring über die Projektlaufzeit gestützt - im Zuge von Hochwasserschutzmaßnahmen Verwendung finden.
In einer 2002 von der DBU bereits geförderten Vorphase wurden Realisierungsalternativen geprüft.
Mit der Umsetzung des Revitalisierungskonzeptes für die Brookbäke sollten folgende Ziele erreicht werden:
- Wiederherstellung einer naturnahen Gewässermorphologie (Linienführung, Querprofilgestalt, Struktur und Strömungsvarianz),
- Verbesserung der Gewässerqualität und
- Normalisierung der hydrologischen Situation (Verringerung der Fließgeschwindigkeiten, Reaktivie-rung von Retentionsräumen).
Die Rückführung der abiotischen Faktoren auf eine naturnahe Ausprägung ist grundsätzlich eine Vo-raussetzung für die Entwicklung der naturraumtypischen Fauna und Flora im und am Gewässer.
Ein weiterer wichtiger Projektbaustein ist die Verbesserung der Gewässergüte durch die Rückhaltung und Reinigung der eingeleiteten Abwässer der BAB A 28 in die Brookbäke. Durch die Schutzmaßnahmen sollte die stoffliche Belastung des Gewässers reduziert, eine Vorsorge gegen Kontaminationen bei Unfällen mit wassergefährdenden Stoffen getroffen und eine Dämpfung der von den versiegelten Flä-chen eingeleiteten Abflussspitzen erreicht werden.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten Methoden¢ Genehmigungsplanung und Grundstückserwerb: Planfeststellungsbeschluss 03.11.2005, Grunderwerb von ca. 13 ha; Pachtverträge zur extensiven Bewirtschaftung des Grünlands wurden 2005 geschlossen, Flächen im Besitz der Niedersächsischen Landesforsten werden ebenfalls extensiv bewirtschaftet.
¢ Revitalisierungsmaßnahmen am Gewässer (Zeitraum 2006-2008):
Projektierung der neuen Gewässerabschnitte (Länge 100 bis 150 m) bei jeder Laufverlängerung neben dem vorhandenen, ausgebauten Gewässerabschnitt; Orientierung der Linienführung an dem natürlichen Windungsgrad der Brookbäke sowie den örtlichen kleinräumigen Boden- und Höhenverhältnissen;
Vorprofilierung von sieben Laufverlängerungen: zeitgleiche Entwicklung von je zwei Teilstrecken in Jagdhüttenwiese bzw. Habbrügger Wiese, Umsetzung darauf folgender Remäandrierungen bachabwärts nach jeweils einem Jahr Entwicklungszeit (ausreichendes Gefälle zur optimalen Nutzung der Erosionskräfte); Vorprofilierung durch Abtrag des Oberbodens (bis 0,5 bis 0,7 m unter Gelände, Breite ca. 2-3 m) mit dem Bagger; einseitige Absperrung des alten Verlaufs und Umleitung der Brookbäke in die vorprofilierte Rinne; Gestaltung der Querprofilgeometrie mit unterschiedlichen Sohlsubstraten und Strömungszonen durch Nutzung der eigendynamischen Kräfte des Gewässers,
Errichtung von zwei Sandfängen unterhalb jeder Teilstrecke, um ein Verdriften des aus den Laufverlängerungen erodierten Sandmaterials in die Waldstrecke zu verhindern.
Anlage einer einseitigen, flachen Sekundäraue auf einer Länge von 260 m, Überdeckung der Betonhalbschalen durch Kiessubstrate (nördlich der Autobahn A 28),
Schaffung von Sekundärauenbiotopen durch seitliche Aufweitungen (südlich der Autobahn A 28).
Einbau von Totholz-Strömungslenkern in der Waldstrecke der Brookbäke.
¢ Umweltbildung: Bachpatenschaft durch das Regionale Umweltbildungszentrum Hollen, u. a. Koordination und Unterstützung der Aktivitäten von ausgewählten Schulen aus der Region.
¢ Öffentlichkeitsarbeit: Exkursionen, Informationsveranstaltungen, Einrichten der Internetseite, Pressemitteilungen, Berichte in regionalen und überregionalen Veröffentlichungen.
¢ Verbesserung der Gewässergüte: Rückhaltung und Reinigung belasteten Niederschlagswasser von der Autobahn A 28 vor Einleitung in die Brookbäke, Anlage von zwei Rückhaltebecken sowie von Drosselbauwerken zum Schwimmstoffrückhalt
¢ Wissenschaftliches Monitoring Ermittlung der ökologischen Auswirkungen v. a. auf Boden-Wasserhaushalt und Hochwasserretention in der Gewässeraue (Zeitraum 2004-2010), v. a. über:
Strukturentwicklung und Gewässermorphologie: u.a. Strukturaufzeichnungen bei mehrfach pro Jahr durchgeführten Begehungen, Vermessung ausgewählter Bereiche,
Fische und Makrozoobenthos: Elektrobefischung sowie halbquantitative Probenahme des Makrozoobenthos entsprechend DIN 38410,
Vegetation: flächendeckende Biotoptypenkartierung, Erfassung von Indikatorarten, Vegetationsaufnahmen auf Dauerbeobachtungsflächen; Dokumentation der Vegetationsentwicklung im Wasser und auf Rohbodenstandorten,
Oberflächen- und Grundwasser: Einrichtung von sechs Messpegeln, davon vier mit Datenlogger und zwei mit manuellen Ablesungen, Auswertung von Niederschlagsdaten des DWD,
Chemische Gewässeruntersuchungen: Probenahme im Fließgewässer ober- und unterhalb der Revitalisierungsstrecken sowie einmalige Probenahmen der Autobahnabflüsse sowie der Ausmündung einer Drainageleitung.


Ergebnisse und Diskussion

Insgesamt hat sich im Laufe des Projektzeitraums gezeigt, dass das gewählte Konzept, die Ausgestaltung der Gerinnegeometrie durch die eigendynamischen Kräfte des Gewässers durchführen zu lassen, der richtige Weg zur Renaturierung kleinerer Fließgewässer ist. Werden die neu gebauten Querprofile so klein wie möglich gewählt, kann sich das Gewässer an die hydraulischen Randbedingungen optimal anpassen.
Die Entwicklung der neu gebauten Schleifen ist nach dem Monitoringzeitraum noch längst nicht abgeschlossen. So entwickeln sich derzeit die in der letzten Bauphase errichteten Laufverlängerungen erkennbar weiter. Nach der Anpassung der Gerinnegeometrie in den unteren Schleifen wird auch der Rückstau in die zuerst gebauten Gewässerabschnitte sinken, so dass die dort im ersten Jahr nach dem Anschluss der Schleife freigespülten Kiessubstrate wieder ihre strukturverbessernde Wirkung entfalten können und der Erosionsprozess auch dort weiter fortschreiten kann.
Schon im Jahr 2007 wurden erste Erlenkeimlinge an den neuen Gewässerstrecken festgestellt. Im Jahr 2009 erreichten die ältesten Bestände schon Höhen von bis zu 3 m. Bei weiterem Wachstum stellen bachbegleitende Erlen wichtige, natürliche Strukturelemente dar. Erlen befestigen durch ihr Wurzelwerk die Uferböschungen und dienen zugleich als Unterstände für Fließgewässerarten. Ausschlaggebend für die überraschend zügige Besiedlung sind die vorhandenen Erlenbestände im Nahbereich sowie im Oberlauf der Revitalisierungsstrecke.
Durch die zwischenzeitlich stattgefundene Stabilisierung der Böschungen durch die Vegetation, v. a. Erlen, wird auch die Breitenerosion verringert und die im Untergrund vorhandenen Kiese werden nach und nach freigespült werden. Der Rückstau in die oberste Schleife der Habbrügger Wiesen wird sich mittelfristig verringern, jedoch sind hier kaum weitere strukturverbessernde Erosionsprozesse zu erwarten, da aufgrund der beschriebenen Ausführungsungenauigkeit eine Breitenerosion eingetreten ist, die das Profil ungünstig erweitert. Die Verringerung des Rückstaus wird jedoch zu einer Erhöhung der Fließgeschwindigkeiten gegenüber den heute fast stehenden Verhältnissen bei geringen Abflüssen führen.
Aus dem Abschnitt der Sekundäraue unterhalb der Autobahn erfolgt bislang kein Eintrag sandiger Sedimente, so dass eine Einengung der großen Sohlbreiten durch Geschiebeeintrag aus dem Oberlauf mittelfristig kaum zu erwarten ist. Die auf Forderung des Unterhaltungsverbands errichteten Sandfänge beeinflussen den Geschiebetransport nachteilig. Die begradigte Brookbäke zwischen den Habbrügger Wiesen und der Jagdhüttenwiese wirkt aufgrund der Gewässerbreite und -tiefe ebenfalls wie ein Sandfang, so dass voraussichtlich auch mittelfristig kaum Sedimenttransport zwischen den beiden Projektabschnitten stattfinden wird.
Entscheidenden Einfluss auf die naturnahe Entwicklung der neu gestalteten Brookbäke haben neben den geschilderten dynamischen morphologischen Prozessen auch die gelegentlich hohen Phosphat- und Nitratwerte, die die im Sommer 2009 zu beobachtende, teilweise erhebliche Algenentwicklung begünstigten. Sie führte zu starken Krautstaueffekten, wodurch die Gerinnenentwicklung nur sehr langsam ablief. Die Ursache für das Algenwachstum ist in einer periodisch erheblichen Nährstoffbelastung der Brookbäke zu vermuten. Die Nährstoffe stammen vermutlich aus den zahlreichen Drainageausläufen der intensiv landwirtschaftlich genutzten Flächen des Oberlaufs. Bei einer einmaligen Beprobung eines Auslaufs wurden sehr hohe Nährstoffkonzentrationen ermittelt. Neu etablierte bzw. beeinflusste Gewässersysteme, wie die Brookbäke nach der Umgestaltung, sind zunächst recht artenarm. Eine Art, bzw. eine Artengruppe wie die Fadenalgen, die auf günstige Bedingungen trifft, kann hier schnell ohne großen Konkurrenzdruck eine freie ökologische Nische besetzen und sich verbreiten. Es ist zu erwarten, dass die weitere dynamische Entwicklung des Ökosystems hier zu einer Regulation führt, die die weitere dynamische Entwicklung der Gewässermorphologie begünstigt.
Die starke Verockerung der Brookbäke im Oberlauf stellt ein Problem dar, das die Lebensraumqualität der sich entwickelnden naturnahen Gewässerstrukturen deutlich reduzieren kann. Die Verockerung ist im Wesentlichen auf veränderte Grundwasserregime und Dränagen im Oberlauf zurückzuführen.
Die aus Kreisen der Landwirtschaft geäußerten Befürchtungen, das Projekt könnte zu Rückstau- und Vernässungseffekten in oberhalb der A 28 gelegenen landwirtschaftlich genutzten Bereichen führen, konnten ausgeräumt werden. Die Auswertung von projektbezogenen Messpegeldaten zeigt keinen Anstieg der Wasserstände an. Durch die Verbreiterungen des Bachgerinnes nördlich und südlich der Autobahn sowie durch das breite Profil der obersten Schleife sind auch zukünftig keine Vernässungseffekte zu erwarten.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Auf der Internetseite der Naturschutzstiftung des Landkreises Oldenburg wird das Projekt Brookbäke seit 2005 präsentiert.
Die regionale Presse wurde regelmäßig seit 2003 über das Projekt informiert. Der Fortschritt der Baumaßnahmen, der Anschluss der neuen Gewässerstrecken, die Beteiligung von Schulen und zahlreichen unterstützenden Organisationen wurden so der Öffentlichkeit mitgeteilt.
Vor Ort im Hasbruch wurden vor Baubeginn und nach Fertigstellung der Baumaßnahmen wetterfeste Informationstafeln aufgestellt.
Das Projekt wurde des Weiteren in dem Jahrbuch für den Landkreis Oldenburg (2009) und in dem DBU Jahresbericht 2007 vorgestellt. Im Rahmen des F+E Vorhabens Verbesserungsmöglichkeiten für die biologisches Vielfalt in ausgebauten Gewässerabschnitten wurde auch die Renaturierungsmaßnahme an der Brookbäke ausgewertet.
Im Jahr 2009 wurde vom NDR ein Bericht über den Hasbruch gedreht und gesendet, in dem der Revierförster (Jens Meier) den Hasbruch vorstellte und u. a. auch die Revitalisierung der Brookbäke von einem Mitarbeiter des NLWKN (Volker Knuth) vorgestellt wurde.
Zum Abschluss des Projektes wurde 2010 zudem ein Aussichtsturm am nördlichen Ende der Jagdhüttenwiese errichtet. Von hier aus können die drei neuen Gewässerstrecken betrachtet werden.


Fazit

Der gewählte Ansatz der Gewässerrenaturierung über die gestaltende Wirkung der Eigendynamik kann bei kleineren Gewässern vielerorts angewendet werden. Voraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung sind vor allem eine ausreichende Flächenverfügbarkeit und ein nutzbares Gefälle. So können z. B. nicht mehr benötigte Stauanlagen wie ehemalige Kulturstaue durch Laufverlängerungen aufgehoben werden. Das lokal am Stau abgebaute Gefälle muss dann auf eine entsprechende Gewässerlänge verteilt werden, wobei das gebaute bzw. sich letztlich entwickelnde Längsgefälle naturnahen Verhältnissen entsprechen sollte. Bei der Umsetzung sind folgende Aspekte zu berücksichtigen:
- In der Planungsphase sollte eine Überprüfung der stofflichen Güte (Nährstoffe, Eisenocker) des Ge-wässers stattfinden.
- Sowohl Tiefe als auch Breite der neuen Gewässerstrecken sollen so gering wie möglich geplant werden. Gerade die oftmals gegenüber dem natürlichen Zustand veränderten Abflussverhältnisse zwischen MNQ und HQ machen eine plausible Vordimensionierung sehr schwierig, so dass genügend Puffer für die Eigendynamik eingeplant werden sollte.
- Um übermäßige Breitenerosionen bei sandigen Böden am Anfang der Entwicklung zu vermeiden, empfiehlt sich der hydraulische Anschluss der Neubaustrecke erst nach einer Konsolidierungsphase, in der die Böschungen durch die Vegetationsentwicklung stabilisiert werden (voraussichtlich 1 Jahr, bei rein sandigen Böden mit geringen organischen Anteilen eventuell sogar länger).
- Bis zum Aufkommen uferstabilisierenden Erlenbewuchses ausreichender Größe kann ein Teil des Hochwasserabflusses über den verkürzten Verlauf abgeleitet werden, indem der Absperrdamm niedriger als das Geländeniveau gebaut wird. Dies kann auch zur Beibehaltung der Hochwasserneutralität oberhalb der Baumaßnahme notwendig sein. Durch die Abflussaufteilung werden die Fließgeschwindigkeiten im neuen Verlauf im Hochwasserfall begrenzt, so dass auch übermäßige Breitenerosionen vermindert werden können. Nach der Stabilisierung der Ufer durch den Erlenbewuchs kann ggf. der Absperrdamm erhöht werden und der Abfluss ausschließlich über die Laufverlängerung geleitet werden.
- Zusätzlich strukturverbessernde Einbauten wie Totholz oder Störsteine sollten erst nach der Stabilisierung der Ufer vorgenommen werden, um lokale Uferabbrüche mit daraus folgenden Überbreiten der Gewässersohle durch die an den Störelementen auftretenden Strömungsveränderungen zu vermeiden.
Letztlich bedarf es einer gewissen Geduld, bis sich durch die eigendynamischen Kräfte die gewünschte Strukturentwicklung eingestellt hat. Morphologische Prozesse laufen gerade bei kleineren Gewässern mit geringer Wasserführung und erosionsstabileren Untergründen nur vergleichsweise langsam ab. Da aber auch die für eine naturnahe Entwicklung erforderliche Ufergehölzentwicklung einige Jahre braucht, sollten diese Zeiträume in die Planung einkalkuliert werden.

Übersicht

Fördersumme

340.000,00 €

Förderzeitraum

01.10.2003 - 31.12.2010

Bundesland

Niedersachsen

Schlagwörter

Landnutzung
Naturschutz
Ressourcenschonung
Umwelttechnik