Interview mit Dr. Eick von Ruschkowski zu Bildungsangeboten in deutschen Geoparks

Im Interview erklärt Dr. Eick von Ruschkowski, Direktor der Alfred Toepfer Akademie für Naturschutz, was Geoparks sind und wie eine Bildung für eine nachhaltige Entwicklung (BNE) in Bildungsangebote deutscher Geoparks umgesetzt werden kann.

DBUaktuell: Lieber Herr von Ruschkowski, können Sie kurz erklären, was UNESCO Global Geoparks sind?
von Ruschkowski: Bei den UNESCO Global Geoparks handelt es sich neben den Welterbestätten und den Biosphärenreservaten um eine von drei UNESCO-Qualitätsauszeichnungen. Bei den UNESCO-Geoparks handelt es sich um Gebiete mit geologischen Stätten und Landschaften von internationaler geowissenschaftlicher Bedeutung, d.h. es gibt hier besondere Fels- oder Gesteinsformationen, Höhlen, Fossilienfunden, aber auch Bergwerke. Derzeit gibt es in Deutschland acht dieser international anerkannten Geoparks.

Veranstaltung Transformative Bildung, Eick von Ruschkowski
Dr. Eick von Ruschkowski im Austausch bei einer Veranstaltung der DBU.
© Kathrin Pohlmann/ DBU

Sie arbeiten im DBU-Projekt an einem BNE-Ansatz zu Nachhaltigkeitsdilemmata und damit einhergehenden Unsicherheiten. Haben Sie Beispiele dafür?
Die einfachste Verbindung ist der Abbau von Rohstoffen, weil viele Geopark-Regionen vom Bergbau geprägt sind. Auch, wenn dies eher historische Stätten sind, bleibt die Kernfrage davon unberührt: Auf welchem Wege beziehen wir unsere Rohstoffe, egal ob es sich dabei um Stein, Kies, Sand oder früher Kohle oder Erze handelt. Gewinnen wir sie regional oder importieren wir sie auf globaler Ebene, ohne dass wir hinreichend wissen, unter welchen Bedingungen diese Rohstoffe dort abgebaut werden. Hier vor unserer eigenen Tür können wir gleichzeitig betrachten, inwieweit sich der Rohstoffabbau auf die Umgebung, aber vor allem auf Natur, Umwelt und Landschaft auswirkt. Wenn wir dann die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen daneben legen, sehe ich sofort, dass jede Entscheidung im Minimum fünf dieser Nachhaltigkeitsziele tangiert: keine Arbeit, sauberes Wasser, menschenwürdige Arbeit, nachhaltige Produktion und Leben an Land (die SDGs 1, 6, 8, 12 und 15). Je nach genauer Thematik wäre dies noch erweiterbar.

Bezüglich der Unsicherheiten gibt es aus meiner Sicht zwei Dimensionen: einerseits externe Faktoren, die wir zumindest auf den ersten Blick überhaupt nicht beeinflussen können – in gewisser Weise war die Covid-19-Pandemie ein gutes Beispiel hierfür. Andererseits sind bewusst getroffene Entscheidungen auch immer mit einem Unsicherheitsfaktor belegt. Um beim Beispiel der Geoparke zu bleiben: Diese stehen historisch für die Energiegewinnung auf fossiler Basis. Über die Energiewende stellen wir nun unser gesamtes System der Energiegewinnung und -versorgung um. Hier gilt es dann abzuschätzen, welche ökonomischen, ökologischen und sozialen Folgen dies haben kann. Die Gesellschaft an sich und jedes Individuum möchten Sicherheit haben. Derzeit befinden wir uns in einer eher unruhigen gesellschaftlichen Situation, und daraus können sich Tendenzen entwickeln bis hin zur Gefährdung der Demokratie. Der Umgang mit Unsicherheiten ist daher hochbrisant und mehr als aktuell.

Wie gehen Sie mit der Situation um?
Zunächst einmal müssen wir verhindern, dass wir mit dem gerade von mir aufgezeichneten Szenario nicht ein unmittelbares Ohnmachtsgefühl bei anderen Personen hervorrufen. Mit Katastrophenpädagogik ist niemandem geholfen. Die Komplexität der Themen greifbar und verständlich zu machen, das ist unsere wichtigste Aufgabe. Dabei ist es am Ende egal, ob eine Schulklasse oder eine Seniorengruppe vor mir steht. Die Herausforderung, eine Verbindung zwischen den globalen Themen und der persönlichen Betroffenheit herzustellen, bleibt immer bestehen. Ich persönlich habe auch lange mit dem Begriff der „Bildung für eine nachhaltige Entwicklung“ (BNE) gefremdelt, weil ich das Konstrukt dahinter als sehr akademisch empfinde. Allerdings zeigt das Konstrukt auch die möglichen Lösungsansätze auf: die Stärkung der individuellen Kompetenzen, des Reflektionsvermögens vor dem Hintergrund einer formellen oder informellen Lernumgebung, die zum Beispiel das Denken in Zusammenhängen fördert. Wenn ich das in der Theorie weiß, ist es am Ende aber immer noch ein ziemlich langer Weg zur Umsetzung in der Praxis – der im schlechtesten Falle auch in der Überforderung enden kann. Hier anzusetzen, Themen zielgruppengerecht aufzubereiten und gleichzeitig den Multiplikatoren das notwendige Werkzeug an die Hand zu geben, um praxis- und realitätsbezogen arbeiten zu können, war der wichtigste Ausgangspunkt des Projektes. Um es ein bisschen provokativ zu formulieren, es ist so etwas wie die Ent-Akademisierung der BNE hin zu lebensnahen, empathielastigen Bildungsangeboten.

Können Sie Beispiele nennen, welche konkreten Angebote Sie bisher entwickelt und in der Praxis getestet haben?
Jeder der acht UNESCO Global Geoparks hat ein eigenständiges Angebot entwickelt, das eine spezifische Zielgruppe hatte und auch ein konkretes Nachhaltigkeitsdilemma adressiert. Zwei Beispiele: Der Natur- und Geopark Vulkaneifel hat das Thema „Rohstoffabbau als Konflikt zwischen menschlichem Wirtschaften und dem Erhalt der Landschaft“ gewählt. Dabei ging es insbesondere um den Gesteinsabbau, der ja im Zuge von Gebäude- oder Straßenbau erforderlich ist, andererseits erhebliche Auswirkungen auf Natur und Landschaft hat. Hierzu hat der Geopark ein Angebot für Grundschulen in der Jahrgangsstufe 4 entwickelt. Das zweiteilige Format sieht dabei je zwei (Zeit-)Stunden in der Schule und in einem Steinbruch vor, in dem die Kinder die Thematik unter freiem Himmel erleben können. Der Geopark Harz-Braunschweiger Land-Ostfalen hat dagegen auf Nutzungskonflikte im Bereich der Böden – die ja geologischen Ursprungs sind – thematisiert. Daraus entstand das Angebot „Ich packe meine Brotdose“, das den Weg vom Anbau der Lebensmittel bis in die besagte Brotdose beschreibt und dabei u.a. die Herkunft von Lebensmitteln sowie deren CO2-Fußabdruck thematisiert. Ziel dabei ist, die Brotdose „von gestern“ mit der nachhalten Brotdose von morgen abzulösen. Bestandteil dieses Moduls ist zum Beispiel auch ein Memoryspiel – d.h. zielgruppengerechte Methoden und Werkzeuge kommen in beiden Bildungsangeboten zum Einsatz.

Was erhoffen Sie sich davon?
Die mit der nationalen Auszeichnung BNE gewürdigten Geoparke bekommen hierdurch eine stärkere Aufmerksamkeit als Bildungsträger. Dadurch wie die Gesamtrolle der UNESCO Global Geoparks in Deutschland noch einmal gestärkt. Wir hoffen, dass die entwickelten Bildungsangebote dadurch auch eine weitere Verbreitung bekommen und andere Bildungsträger sich verstärkt den Fragen der Nachhaltigkeitsdilemmata widmen.

Vielen Dank für das Interview!

Mehr Informationen zum Projekt unter https://www.dbu.de/projektbeispiele/staerkung-von-geoparks-als-ausserschulische-lernorte-und-bildungstraeger/

AZ 35600/62