„Zwei außergewöhnliche Frauen“, die beide auf jeweils unterschiedliche Weise „mit Engagement und Überzeugung“ die Folgen des Klimawandels bekämpfen. So würdigte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die beiden Preisträgerinnen des Deutschen Umweltpreises 2023, Klimaforscherin Prof. Dr. Friederike Otto und Holzbau-Pionierin Dipl.-Ing. Dagmar Fritz-Kramer. Er überreichte ihnen die mit 500.000 Euro dotierte Auszeichnung am 29. Oktober in der Musik- und Kongresshalle in Lübeck und gratulierte ihnen „aus ganzem Herzen“.
Fritz-Kramer zeichne, so Steinmeier, „jener gute Eigensinn“ aus, „der im besten Sinn der Wissenschaft durch Ausprobieren und Erfahrung immer noch klüger macht“. Klimawissenschaftlerin Otto wiederum wirke wie eine „Klima-Profilerin“ auf der Suche nach dem Einfluss des Klimawandels bei Extremwetterereignissen. Der Bundespräsident ging in seiner Rede auch auf die Schwierigkeiten ein, vor denen Gesellschaften stehen: „Wir müssen uns, unsere Gewohnheiten und unsere Lebensweise noch in vielem ändern, um der großen Herausforderung des Klimawandels gerecht zu werden“, sagte er. Der Kampf gegen den Klimawandel dürfe nicht von seinem Platz ganz oben auf der politischen Prioritätenliste verdrängt werden, so Steinmeier weiter – auch wenn „neue Bedrängnisse im Osten Europas oder im Nahen Osten“ hinzugekommen seien. In den kommenden Jahren werde zwar „eine enorme Kraftanstrengung“ erforderlich sein. „Aber die gute Nachricht ist: Wir haben es selber in der Hand – wir alle, jede und jeder Einzelne in unserem Alltag.“
Verfahren der Attribution maßgeblich mitentwickelt
Preisträgerin Prof. Dr. Friederike Otto vom Imperial College London hat sich als Klimawissenschaftlerin um die sogenannte Attributionsforschung verdient gemacht. Die Disziplin geht der Frage nach, ob es Zusammenhänge zwischen Klimaveränderungen und Extremwetter wie Hitzewellen, Dürren, Überflutungen und Starkregen gibt. 2015 hat die 41-Jährige zusammen mit ihrem mittlerweile verstorbenen niederländischen Kollegen Prof. Dr. Geert Jan van Oldenborgh die Initiative World Weather Attribution (WWA) gegründet und das Verfahren der Attribution von extremen Wetterereignissen zum menschengemachten Klimawandel maßgeblich mitentwickelt.
Diese Faktoren zeichnen Ottos Arbeit aus: die schnelle Veröffentlichung wissenschaftlich fundierter Erkenntnisse über mögliche Zusammenhänge zwischen globalem Klimawandel und regionalem Extremwetter, neben Ursachenforschung auch die Darstellung lokaler Folgen der globalen Klimakrise sowie schließlich drittens Vorschläge für wirksame Anpassungsmaßnahmen.
„Wir schließen mit der Attributionsforschung die letzte Lücke in der Kausalkette“, sagte Otto auf der Bühne im Gespräch mit Moderatorin Tatjana Geßler. „Das ist wichtig im Kontext der internationalen Klimapolitik, denn wir können sagen, was Schäden und Verluste des Klimawandels heute, hier und jetzt konkret sind, und das kann man auch vor Gericht verwenden“, sagt sie. Otto berichtete von einem Fall in Australien, bei dem es um die Buschfeuer 2019 und 2020 ging. Bewohner*innen haben die dortige Umweltbehörde verklagt, weil diese zu wenig gegen den Klimawandel getan habe. Die WWA-Studie von Otto und ihrem Team war im Prozess ein wichtiges Beweismittel.
Jedes Gebäude von Baufritz spart CO2
Preisträgerin Dagmar Fritz-Kramer ist seit 2004 Geschäftsführerin des Allgäuer Familienbetriebs Bau-Fritz GmbH & Co. KG, kurz Baufritz, der bereits in vierter Generation existiert. Seit Jahrzehnten zeigt Baufritz, wie Klima- und Umweltschutz durch Fertigholzbau bei Häusern, Wohnungen und Sanierungen gelingt. „Bereits mein Opa und mein Papa haben Pionierarbeit geleistet. Sie haben immer konsequent auf nachwachsende Rohstoffe gesetzt“, sagte Fritz-Kramer beim Festakt. Diesen Spirit führt sie mit Leidenschaft weiter.
Baufritz verarbeitet nach eigenen Angaben in Kooperation mit Säge- und Hobelwerken im 120-Kilometer-Radius vor allem „heimisches Fichtenholz vor der Haustür“. Jedes Baufritz-Gebäude bedeute eine CO2-Ersparnis von rund 50 Tonnen. Aktuell im Fokus: alter Gebäudebestand, der saniert werden muss. Denn rund zwei Drittel der Gebäude wurden vor 1977 errichtet – also bevor eine Wärmeschutzverordnung die Dämmung von Dächern, Decken und Wänden vorschrieb. „Wir sind an einigen neuen Innovationen dran, die vor allem die Frage betreffen, wie wir mit dem Gebäude-Altbestand umgehen. Dafür haben wir für ältere Häuser eine Hülle und eine Art Mütze mit entsprechender Energieeinheit entwickelt“, erklärte Fritz-Kramer. So gelingt ein Bestandsneubau, ohne dass das Gebäude abgerissen werden muss.
Eine weitere Herausforderung sieht sie beim Umbau des Waldes. „Der Allgäuer Wald besteht zu 90 Prozent aus Fichten-Monokulturen. Sie packen den Klimawandel einfach nicht. Wir müssen den Wald umbauen, wir brauchen Mischwälder, die dem Klimawandel standhalten. Das wird eine Riesenaufgabe für unsere ganze Branche werden“, sagte Fritz-Kramer.
Bundesumweltministerin Steffi Lemke zeigte sich beeindruckt von den Leistungen der Preisträgerinnen und gab im Gespräch mit ihnen auf der Bühne zu: „Wir haben unterschätzt, wie viele Verhinderer es gegen Umwelt- und Klimaschutz gibt. Daher ist es gut, an einem Tag wie diesem den Mut, die Leidenschaft und die Zuversicht von zwei Powerfrauen mit nach Berlin zu nehmen.“
Mehr Zuversicht und Mut beim Thema Klimaschutz
Der DBU-Kuratoriumsvorsitzende Prof. Dr. Kai Niebert machte in seiner Ansprache beim Festakt klar: „Die Klimakrise ist bittere Realität. Die weltweiten Krisen verunsichern Menschen. Diese Verunsicherung ist für uns ein Auftrag, jetzt Ernst zu machen mit der Transformation.“
In seiner Abschlussrede ging DBU-Generalsekretär Alexander Bonde auf die Wirkung von Otto und Fritz-Kramer ein und plädierte für mehr Zuversicht und Mut beim Thema Klimaschutz. „Wir brauchen mehr solcher positiven ‚Leuchttürme‘, wie die der heute ausgezeichneten außergewöhnlichen Preisträgerinnen. Es ist an uns, mit unserem Handeln zu zeigen, dass wir diese Krisen lösen und bekämpfen können. Dafür brauchen wir Menschen, die zeigen, wie es vorwärtsgehen kann.“
Weitere Informationen:
Impressionen von der Umweltpreisverleihung in Lübeck.
Fotos: Peter Himsel/DBU
Titelbild: Verleihung des Deutschen Umweltpreises 2023 (von links): Schleswig-Holsteins Umweltminister Tobias Goldschmidt, Klimaforscherin Prof. Dr. Friederike Otto, DBU-Kuratoriumsvorsitzender Prof. Dr. Kai Niebert, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, DBU-Generalsekretär Alexander Bonde, Holzbau-Unternehmerin Dagmar Fritz-Kramer und Bundesumweltministerin Steffi Lemke. Foto: Peter Himsel/DBU