Bundespräsident Joachim Gauck würdigte Ende Oktober die diesjährigen Träger des Deutschen Umweltpreises der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU): »Alle drei Preisträger zeigen uns: Wir können viele Dinge anders machen, wo vermeintlich eherne Sachzwänge walten. Wir haben Handlungsoptionen: politisch, wirtschaftlich, gesellschaftlich, technologisch. Wir können Entwicklungen beeinflussen.« Aus den Händen Gaucks und der DBU-Kuratoriumsvorsitzenden Rita Schwarzelühr-Sutter nahmen in Kassel der Ökonom und Energieeffizienzexperte Prof. em. Dr. Peter Hennicke (Wuppertal) und der Wissenschaftler und Gründer der Firma UNISENSOR Sensorsysteme, Prof. Dr.-Ing. Gunther Krieg (Karlsruhe), den mit 500 000 Euro höchstdotierten unabhängigen Umweltpreis Europas in Empfang. Den bisher nur dreimal von der DBU zusätzlich vergebenen Ehrenpreis erhielt Hubert Weinzierl (Wiesenfelden) für sein lebenslanges Naturschutz-Engagement. Die Preisträger wurden von Prof. em. Dr. Hartmut Graßl, Max-Planck-Institut für Meteorologie (Hamburg), Yvonne Karmann-Proppert, Präsidentin der Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungseinrichtungen »Otto von Guericke« e. V. (Köln) und Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Hartmut Vogtmann, Präsident des Deutschen Naturschutzrings (DNR) e. V, Berlin, vorgeschlagen.
Hendricks und Hinz zu Gast
Vor rund 1 200 Festgästen – darunter Bundesumweltministerin Dr. Barbara Hendricks und Hessens Umweltministerin Priska Hinz – betonte Gauck mit Blick auf die Preisträger, Hennicke habe mit seinen Konzepten für eine ressourcen- und energiesparende Art des Wirtschaftens gezeigt, dass man aus viel weniger viel mehr machen könne. Kriegs Sensoren machten Schadstoffe sichtbar und gäben das nötige Wissen, um Umweltschäden zu vermeiden und wertvolle Ressourcen wiederzuverwenden. Weinzierl habe mit seinem jahrzehntelangen Kampf für das Bewahren von Natur, Artenvielfalt und menschlichen Lebensgrundlagen großen Anteil daran, dass Umweltschutz in Deutschland eine politische Kraft geworden sei. Er habe sich damit großen Respekt erworben. Gauck: »Und eben diesen Respekt möchte ich Ihnen heute ganz persönlich übermitteln und ganz deutlich und im Namen unseres Landes zum Ausdruck bringen.« Das Staatsoberhaupt an die Adresse des geehrten Trios: »Ich freue mich, unter Menschen zu sein, deren Beharrlichkeit, deren Ideenreichtum und deren Weitblick andere Menschen ermutigt.«
Alternativen im Umgang mit Ressourcen und Ökosystemen müssten entwickelt werden, betonte Gauck, wenn langfristig nicht die Grundlagen unseres Wohlergehens zerstört werden sollten. Eine solche Transformation sei ein Kraftakt, der in der Einen Welt der Entschlossenheit und Geschlossenheit aller bedürfe. Tatsächlich bestehe die Weltgemeinschaft aber aus Staaten mit höchst unterschiedlichen Gesellschafts- und Wirtschaftssystemen, mit höchst unterschiedlichen Interessen und Entwicklungsformen. Auch wenn es Menschen gebe, die darüber spekulierten, ob sich offene, freiheitliche Gesellschaften mit langfristigen Herausforderungen wie dem Klimawandel vielleicht schwerer täten als autoritäre Regimes, seien demokratische und offene Gesellschaften seiner Meinung nach erfolgreicher. Sie seien lernfähig, hielten Alternativen offen und Fortschritt für eine Aufgabe aller, setzten sich selbst verbindliche Regeln und ließen den Wettstreit um die besten Lösungen zu und förderten ihn.
Bundespräsident mahnt: EU muss besseren Emissionshandel aufbauen
Es sei und bleibe auch Aufgabe der Politik, betonte Gauck, ökologische Leitplanken zu setzen und Märkte so zu gestalten, dass Verursacher für Schäden aufkämen und Preise die tatsächlichen Kosten spiegelten. Dann könne sich die Innovationskraft von Forschern, Unternehmen und Bürgern auf das Ziel der Nachhaltigkeit ausrichten. Am Anfang stünden wir damit ja nicht, denn schon heute wüssten viele
Unternehmer, dass langfristig ökonomisch nur machbar sei, was auch ökologisch vertretbar sei. Eine entscheidende Frage werde dabei sein, ob klimaschädliche Emissionen endlich überall einen Preis bekämen, damit sich umweltschonende Produktionsweisen, innovative Technologien und sparsame Produkte auch lohnten.
Weltweit werde an solchen Preissystemen für Kohlendioxid gearbeitet, und einige Länder hätten sie schon. Aber auch Europa müsse weiter daran arbeiten, einen funktionierenden Emissionshandel aufzubauen.
Gauck unterstreicht Mitverantwortung Deutschlands für globale Klimapolitik
Deutschland trage im Rahmen der Präsidentschaft beim Weltwirtschaftsgipfel im nächsten Jahr Mitverantwortung, die globale Klimaschutzpolitik voranzubringen. Und Ende des nächsten Jahres solle beim Weltklimagipfel der Vereinten Nationen in Paris ein wirksames globales Abkommen stehen. Das könne, so Gauck, eine »Wegscheide« sein. Gauck: »Und ich wäre froh, nicht im Konjunktiv sprechen zu müssen.« Das sei auch umso mehr zu hoffen, weil nach dem jüngsten Gipfel der Europäischen Union in Brüssel der dort gefundene Kompromiss sicher nicht alle habe befriedigen können. Deutschland habe jedenfalls bei der Transformation zu einer langfristig vernünftigen Entwicklung vieles einzubringen: politisch, technologisch, aber auch ökonomisch – und seine Bürger, »wohl die wichtigste Ressource«. Hubert Weinzierl habe einmal gesagt, dass eigentlich jeder Mensch eine doppelte Staatsbürgerschaft brauche: die seines Staates und die der Weltgemeinschaft. Gauck: »Handeln sollten wir jedenfalls in diesem doppelten Bewusstsein. Und mit dem Bewusstsein, dass wir – mehr als alle Generationen vor uns – auch die Mittel dazu besitzen.«
Der Festakt wurde bereits zum fünften Mal von Katrin Bauerfeind moderiert. Als Showacts fungierten das Saxophon-Quartett »Sister Gold« und der »Zirkus Buntmaus«.
Als Mitglieder der Jury des Deutschen Umweltpreises, auf deren Vorschlag hin das Kuratorium der Stiftung die jeweiligen Preisträger eines Jahres auswählt, gingen Prof. Dr. Rainer Grießhammer, Mitglied der Geschäftsführung des Freiburger Öko-Instituts und Träger des Deutschen Umweltpreises der DBU, und Hermann Josef Schulte, Gründer der Firma HJS aus Menden und ebenfalls Träger des Deutschen Umweltpreises der DBU, auf die Leistungen der Preisträger 2014 ein.
Hennicke als Effizienpapst der Energiewende gewürdigt
Grießhammer würdigte Hennicke als Effizienzpapst der Energiewende, der sich seit 35 Jahren für dieses Thema einsetze und dessen Studien aus den 1980er-Jahren die heutige Energiewende überhaupt erst möglich gemacht hätten. Schon früh habe Hennicke das Vernachlässigen des Themas Energieeffizienz hervorgehoben. Als Ökonom habe er es auf den Nenner gebracht, dass es billiger, einfacher und schneller sei, eine Kilowattstunde Strom einzusparen als sie neu zu produzieren.
Preisträger Krieg einen wesentlichen Beitrag zur Ressourcenschonung attestiert
Die Leistung Kriegs würdigte Schulte als »wunderbares Beispiel« dafür, dass die für den Mittelstand so wichtige Zusammenarbeit mit den Hochschulen funktionieren könne. Zehn Jahre nach seiner Berufung zum Professor habe Krieg sein Unternehmen gegründet. Die Technologie des Recyclings von Mehrweg-Kunststoffflaschen beherrsche er »aus dem Effeff« und sei heute auf dem Sektor ein wichtiger Zulieferer der Flaschen- und Getränkeindustrie. Die komplexe Analyse- und Sortiertechnologie sei auch auf viele andere Stoffgemische wie Elektronikschrott anwendbar. Damit leiste er einen wesentlichen Beitrag zur Ressourcenschonung und stehe für eine nachhaltige Industrie, zu der der Weg noch viel konsequenter begangen werden müsse.
Einem Mann den »Respekt erwiesen, den er schon ganz lange verdient«
Auf Ehrenpreisträger Weinzierl ging Jury-Mitglied und »Zeit«-Redakteurin Christiane Grefe ein. Weinzierl sei die Personifizierung des Naturschutzes in Deutschland, seit sechs Jahrzehnten eine Schlüsselfigur mit einer »riesigen Prägekraft«. Er sei Vordenker, Vorreiter in ganz vielen Punkten, der das Thema in viele Bereiche gebracht habe, vor allem in die Politik, und die Natur so »vor Planierraupen und Pestiziden geschützt hat, indem er sich zwischen Hühnerstall und Reichstag bewegt hat«. Auf der Basis philosophischer und ethischer Begründungen habe er die Politisierung des Naturschutzes auch international vorangetrieben. Gleichzeitig habe er aber auch selbst aus einer lokalen Verwurzelung heraus mit seiner Frau ein Umweltbildungszentrum gegründet, in dem zahlreiche junge Menschen mit seinen Ideen »angesteckt« worden seien. Viele davon arbeiteten heute in Ministerien, Nichtregierungsorganisationen und Schulen und steckten nun ihrerseits dort wieder mit diesen Ideen andere junge Leute an. Mit dem Ehrenpreis werde einem Mann den »Respekt erwiesen, den er schon ganz lange verdient«.
Im Rahmen der Umweltpreisverleihung in Kassel fand auch eine von Katrin Bauerfeind moderierte Talkrunde statt. Teilnehmer waren:
Schleußner berichtete von den Ergebnissen dieses Berichts und nannte folgende Punkte:
In diesem Zusammenhang beurteilte Bundesumweltministerin Hendricks die jüngst vom EU-Rat in Brüssel getroffenen Klimaschutzbeschlüsse als insgesamt positiv. Das Zwischenziel, bis 2030 mindestens 40 % der Emissionen zu vermindern, sei ein tragfähiger Kompromiss. Deutschland habe zwar ehrgeizigere Ziele (-40 % bis 2020) und hätte sich auch für die EU mehr gewünscht, halte die getroffenen Beschlüsse aber für insgesamt begrüßenswert. Was sie allerdings nicht verstehen könne, sagte Hendricks, sei, dass sich einige Länder gegen Energieeffizienzmaßnahmen wehren. Diese nämlich seien gut fürs Klima und fürs Portemonnaie.
Ernst Ulrich von Weizäcker ergänzte, dass man in Deutschland inzwischen begriffen habe, dass Energieeffizienzmaßnahmen kürzere Amortisationszeiten hätten als neue Kraftwerke. Bis nach Polen sei diese Erkenntnis aber noch nicht vorgedrungen. China hingegen setze verstärkt auf Energieeffizienz sowie auf Passivbauweise, was für die Klimakonferenz Ende nächstes Jahr in Paris hoffen lasse.
Priska Hinz verwies darauf, dass die Ziele der EU jetzt immerhin als verbindlich anzusehen seien. Hessen bemühe sich derzeit darum, 2 % der Landesfläche für Windkraftnutzung auszuweisen. In diesem Sinne wäre es wichtig, auch für andere Bereiche wie Mobilität, Bestandssanierung etc. zu wissen, wie die EU-Ziele konkret umzusetzen seien. Hinz mahnte hier die Schaffung eines Aktionsplans durch den Bund an. Hendricks zitierte in diesem Kontext das Aktionsprogramm Klima 2020, das vom BMUB unter anderem aufgelegt wurde, um das Klimaschutzziel (40 % Emissionsminderung) erreichen zu können. Der Wirtschaftsminister arbeite derzeit an einem Grünbuch zum Strommarktdesign, das den Strommix (erneuerbare versus fossile Energieträger) bis 2050 festlegen solle, ergänzte sie.
Schleußner betonte abschließend, dass seiner Ansicht nach der Glaube an die Machbarkeit des 2°-Ziels insgesamt viel zu wenig verbreitet sei. Man könne zwar mit dem Status quo der Klimaschutzpolitik derzeit nicht zufrieden sein; innerhalb der nächsten 10 bis 15 Jahre aber lasse sich die Trendwende schaffen.
Zum 5. Mal organisierten engagierte Umweltpreisträger, die sich im sogenannten »Rat der Preisträger« zusammenfinden, am Vortrag der Preisverleihung ein wissenschaftliches Symposium. Das Symposium in Kassel stand in diesem Jahr unter der Überschrift: »Energiewende – viele ungelöste politische und technische Fragen«. Begrüßt wurden die Teilnehmer von Prof. Dr. Garabed Antranikian, Umweltpreisträger des Jahres 2004. Das Eröffnungsstatement übernahm DBU-Generalsekretär Dr. Heinrich Bottermann. Die Gesamtveranstaltung inklusive der Podiumsdiskussion wurde von Prof. Dr. Franz Daschner, Umweltpreisträger des Jahres 2000, moderiert. Im Anschluss an das Symposium hatten die Teilnehmer in der »Speakers Corner« Gelegenheit, mit den Referenten ins Gespräch zu kommen.
Erster Hauptredner im diesjährigen Symposium des Rates der Umweltpreisträger war Professor Martin Faulstich, Vorsitzender des Sachverständigenrates für Umweltfragen der Bundesregierung und Direktor des CUTEC Instituts an der TU Clausthal.
Seine Generalthese lautete: »Die Energiewende braucht den gestalteten Kohleausstieg«. Zunächst ging der Vortragende auf die Herausforderungen der Energiewende – und auch hier – auf die derzeit dominierende Rolle der Kohle ein. Faulstich wies zunächst darauf hin, dass die CO2-Emissionen weltweit weiterhin steigen. Erst vor kurzem sei die symbolträchtige 400-ppm-Marke auf der nördlichen Halbkugel »gerissen« worden und dies, obwohl seit mehr als 20 Jahren Klimaschutzpolitik betrieben werde. 98 % aller noch vorhandenen Kohlenstoffträger der Erde müssten – unabhängig von ihrer Verfügbarkeit – im Boden bleiben, um das 2°-Ziel noch erreichen zu können, denn die eigentliche Begrenztheit sei die Aufnahmefähigkeit der Atmosphäre für CO2.
Dies erfordere einen kompletten Umbau der kohlenstoffbasierten Wirtschaft, die in dieser Form bereits über 150 Jahre existiere. In Deutschland liege der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromproduktion zwar schon bei über 25 %, – nicht so aber beispielsweise in Ländern wie Polen, Irland, Niederlande und Griechenland, wo der Anteil von Kohle oder Atom an der Stromerzeugung noch zwischen 70 und 90 % liege. Faulstich wörtlich: »Diesen Umbau als Apolloprogramm zu bezeichnen, ist sicher nicht übertrieben«. Und: »Der Weg zur Dekarbonisierung ist noch weit«.
Faulstich verwies in diesem Zusammenhang auf ein Paradoxon der Energiewende: Im letzten Jahr wurde in Deutschland die höchste Strommenge aus Braunkohle seit dem Jahr 1990 produziert. Daran knüpfte er die Frage: »Warum kommen wir nicht von der Kohle weg?« Der Redner identifizierte dafür vor allem zwei Ursachen: erstens den niedrigen Preis von Braun- und Steinkohlestrom, zweitens den wenig steuernden Handel mit CO2-Zertifikaten, der daran scheitere, dass die Tonne CO2 mit 5–7 Euro viel zu billig sei. Hier müsse eine Vervielfachung des Preises eintreten, um eine Wirkung auf dem Strommarkt zu entfalten.
Für den Ausstieg aus der Kohle empfiehlt der Sachverständigenrat für Umweltfragen laut Faulstich einen schrittweisen und geordneten Maßnahmenplan bis spätestens 2040, der von der Bundesregierung mit allen relevanten gesellschaftlichen Gruppen auszuhandeln sei. Grundlage dafür sollte ein rechtlich flankierter Ausstiegskonsens sein, der für die handelnden Akteure Planbarkeit bedeute. Sei der Ausstieg auf diesem Weg nicht möglich, müsste über zusätzliche Gesetzesinitiativen nachgedacht werden.
Mit Blick auf die vorherrschende Zusammensetzung des Endenergieverbrauchs in Deutschland mit rund 20 % für Strom, 30 % für Kraftstoffe und 50 % für Wärme wies Faulstich darauf hin, dass langfristig alle diese Sektoren aus regenerativen Stromquellen versorgt werden könnten. Technisch sei dies durchaus über die Prozesse »Power to Gas« und »Power to Liquid« möglich. Zwar müsse dafür massiv in den Bau von Speichern und Konversionsanlagen investiert werden; eine strombasierte Versorgung aller Energieverbrauchssektoren sei jedoch prinzipiell machbar, wenngleich auch technisch sehr ambitioniert. Die hier skizzierte Stromgesellschaft werde dann allerdings bis zu einer 6-fachen Menge des heutigen Strombedarfs benötigen und auf Importe an regenerativen Energieträgern angewiesen sein. Die Kosten würden allerdings durch Technologiefortschritt und Serienfertigung weiter sinken.
Abschließend betonte Faulstich, dass wir uns von unserer derzeit noch »fossil« geprägten Industriegesellschaft hin zu einer nachhaltigen Industriegesellschaft entwickeln müssten, bei der Energie- und Ressourcenverbrauch von der Bevölkerungsentwicklung und dem Wirtschaftswachstum entkoppelt seien. Dazu müsse beispielsweise die Energieversorgung zu 100 % aus erneuerbaren Quellen und der Ressourcenverbrauch bei Metallen möglichst zu 100 %, zumindest aber überwiegend, durch Recycling gedeckt werden. Eine derartige Energie- und Rohstoffwende eröffne jedoch zugleich vielfältige industriepolitische Chancen für den Standort Deutschland mit seiner exportorientierten Wirtschaft.
»Bioenergie auf dem Holzweg?« lautete der Titel des Vortrags von Prof. Dr. Detlef Schulze, Umweltpreisträger 2006, gehalten anlässlich des Symposiums der Umweltpreisträger Ende Oktober in Kassel.
Schulze begann seinen Redebeitrag mit einigen globalen Betrachtungen zur Bedeutung der Bioökonomie: Rund 37 % der Landfläche unseres Planeten würden derzeit durch Landnutzung beansprucht. Hinsichtlich der Klimarelevanz der dabei emittierten Gase müssten neben CO2 unbedingt auch Methan (CH4) und Lachgas (N2O) berücksichtigt werden. Die Landwirtschaft in Europa sei für 50 % der Methan-, 70 % der Lachgas- und 90 % der Ammoniakemissionen verantwortlich. Als Fehlentwicklung bezeichnete Schulze in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass in Deutschland noch immer rund ein Fünftel der Flächen für den Anbau von Biomasse verbraucht würden. Dies sei nicht im Einklang mit den EU-Sustainability-Vorgaben.
Schon heute werde in Deutschland der Wald intensiv genutzt. Dennoch werde man bei dem zu erwartenden steigenden Bedarf an Biomasse im Jahr 2050 weltweit auch die heute noch als weiter entfernt oder unerreichbar bezeichneten Quellen nutzen müssen. Um dies zu umgehen, wird eine weitere Intensivierung landwirtschaftlicher und forstlicher Produktion auf bereits jetzt genutzten Flächen nicht zu verhindern sein, sagte Schulze. Schätzungen zufolge könne die Bioenergie zum globalen Gesamtenergiebedarf 2050 dennoch lediglich einen Anteil von 3–6 % beisteuern. Seine Empfehlung laute daher: Biomasse für Bioenergie nur begrenzt nutzen.
Die Probleme entstünden durch eine »schizophrene Gesellschaft«, die Holz heize und Mehrkosten für »grünen« Strom aufbringe, gleichzeitig aber 10 % der Waldfläche Deutschlands in Wildnis verwandeln möchte. Der Bedarf an Brennholz übersteige die nachhaltige Nutzung der Wälder, und daher würden Pellets aus Nordamerika, Methanol aus Südamerika und Pflanzenöle aus Indonesien importiert. Schulze wörtlich: »Wir leben auf Kosten anderer Nationen«.
Der Referent skizzierte in seinem Vortrag auch die Vision einer wasserstoffbasierten (H2) Energiezukunft. Wasserstoff könne nahezu unbegrenzt via Elektrolyse bzw. katalytischer Spaltung aus Wasser erzeugt werden. Die dazu erforderliche Energie stamme aus erneuerbaren Quellen wie Photovoltaik und Windenergie. Wasserstoff stehe in diesem Szenario als zentraler Speicherbaustein für alle möglichen industriellen Anwendungen, für die das Molekül dann je nach Bedarf zu größeren Kohlenwasserstoffverbindungen synthetisiert werden könne.
In der Diskussion äußerten einige Redner Zweifel an der Machbarkeit einer Wasserstoffwirtschaft. Schulze konterte diese Einwände mit dem Hinweis: »Das Rennen ist noch nicht entschieden.«
Das Thema «Zu wenig Bürgerbeteiligung« stand im Fokus des Vortrags von Ursula Sladek, Umweltpreisträgerin des Jahres 2013. Die Referentin erinnerte eingangs an eine gemeinsame Plakatkampagne der Bundesregierung und der großen Energieversorger (EVU) aus den 1990er-Jahren, wo es hieß: »Mehr als 4 % erneuerbare Energien kann es in Deutschland nicht geben!«.
Bekanntlich liege der Anteil Erneuerbarer an der Stromproduktion derzeit bei 28,5 %, fuhr die Rednerin fort und verknüpfte damit die Feststellung, dass dieser Erfolg vor allem dem Bürgerengagement zuzuschreiben sei. Die Bürger seien von Anfang an der Motor der Energiewende gewesen.
Selbstverständlich habe auch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) dabei eine Rolle gespielt, sagte Sladek. Aber auch dieses Gesetz wäre ohne die Bürger, die investiert haben und die das Bewusstsein für Veränderung geschaffen haben, wirkungslos gewesen. Ein Beispiel, das diese Behauptung unterstreicht: Während die EVU nur zu 5,5 % an der EEG-Stromerzeugung beteiligt seien und somit einen wichtigen Trend verschlafen hätten, würden die Bürger jede zweite Kilowattstunde erneuerbaren Strom finanzieren.
Umso bedenklicher sei es, dass das auf Druck der EVU novellierte Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) nunmehr die Bürger ausbremse. Sladek nannte dafür drei Beispiele:
Abschließend wies Sladek darauf hin, dass ihrer Ansicht nach die Energiewende nicht hinzubekommen sei, ohne dass sich auch der Lebensstil der Menschen in weiten Teilen verändere. Dies bedeute keine Verschlechterung der Lebensqualität, sondern eine andere Ausrichtung der Lebensführung. Letzteres lasse sich nur gemeinsam mit dem Bürger verwirklichen, weil nur jeder Einzelne solche Veränderungen im Lebensstil umsetzen könne. Als Fazit setzte sie hinzu: Die derzeitige Gesetzeslage sei zwar schlecht, die Bürger sollten sich dadurch aber nicht entmutigen lassen, sondern weiter im Rahmen ihrer Möglichkeiten handeln, um die Energiewende voranzubringen.
»Artgerecht, umweltschonend, akzeptiert – Denkanstöße für eine Nachhaltige Tierhaltung« – so lautete der Titel einer Veranstaltung, die Ende September im DBU Zentrum für Umweltkommunikation stattfand (siehe DBU aktuell 10/14, Seite 4). DBU-Generalsekretär Dr. Heinrich Bottermann wies eingangs auf die zahlreichen Bemühungen hin, die Problematik der heutigen Nutztierhaltung durch Gesetze und Vorgaben einzudämmen. Fakt sei aber, dass diese Haltungsform bei Kühen, Schweinen und Geflügel im Laufe der Jahre mit gewissen regionalen Schwerpunkten eher noch zugenommen habe. Gleichzeitig entscheide sich der Verbraucher nach wie vor im Regelfall an der Ladentheke für das billigere Stück Fleisch, was diesen Trend noch verschärfe.
»Was also ist schief gelaufen?«, fragte der DBU-Chef an die Adresse des ehemaligen Staatssekretärs im Bundeslandwirtschaftsministerium und Vorsitzenden der Agrarsozialen Gesellschaft, Dr. Martin Wille, gerichtet. Wille, der seinen Vortrag aus der Sicht eines »Zeitzeugen« hielt, skizzierte eingangs den von Spezialisierung und Rationalisierung geprägten Strukturwandel, den die Landwirtschaft in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten vollzogen habe: hin zu immer weniger landwirtschaftlichen Betrieben (von 1,5 Mio. im Jahr 1960 auf heute rund 300 000 Betriebe) bei gleichzeitiger Vergrößerung der durchschnittlichen Betriebsgröße (im selben Zeitraum von 11 auf 42 ha bzw. einschließlich Neuer Länder auf 56 ha). Vor diesem Hintergrund entspräche das Bild vieler Menschen von einer (klein-)bäuerlichen Landwirtschaft mehr Wunsch als Wirklichkeit. Ein Zurück zu vormaligen landwirtschaftlichen Strukturen und Wirtschaftsweisen werde und könne es nicht geben. Entsprechenden Kampagnen fehle der Realitätsbezug, so Wille. Er räumte ein, dass seine Haltung im Laufe der Zeit »grüner« geworden sei. Wille sagte, man müsse die negative Einstellung der Bürger gegen Massentierhaltung ernst nehmen, genauso wie Trends zum Vegetarismus bzw. zu veganer Lebensweise. Weitere Futtermittelimporte und Fleischexporte in andere Länder seien der falsche Weg.
DBU-Chef Dr. Bottermann und DBU-Abteilungsleiter Prof. Dr. Werner Wahmhoff wiesen darauf hin, dass die Tierhaltung in jetziger Form vielfältige Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit habe und oft auch aus Gründen des Tierschutzes zu kritisieren sei. Um – auch weltweit betrachtet – die Ziele »Ernährungssicherheit« und »Umweltschutz« langfristig in Einklang zu bringen, müsse die Landwirtschaft insgesamt nachhaltiger werden. Die DBU versuche daher über konkrete Förder-Projekte wie das Nachhaltigkeitsbewertungssystem REPRO beziehungsweise über ein Vorhaben zur Nachhaltigkeitsbewertung von Rinder haltenden Betrieben Kriterien für eine nachhaltigere Tierhaltung und Pflanzenproduktion zu erarbeiten.
Bei REPRO handelt es sich um ein indikatorengestütztes Nachhaltigkeitsbewertungsystem, das alle Stoff- und Energieflüsse für Pflanzenbau und Tierhaltung eines landwirtschaftlichen Betriebes erfasst und bilanziert. Es ist nach sechs Kategorien gegliedert (Bewirtschaftungssystem, Stammdaten, Standort, Stoff- und Energieflüsse, ökologische und ökonomische Bewertung). Aus den Einzelindikatoren lässt sich ein Gesamtbetriebswert errechnen, der zwischen 0 (ungünstigster Fall) und 1 (günstigster Fall) liegt und so einen wichtigen Anhaltspunkt für die Nachhaltigkeit eines landwirtschaftlichen Betriebs liefert.
Das Projekt zur Entwicklung von Nachhaltigkeitsindikatoren für die Rinderhaltung verfolgt folgende Ziele:
Das Projekt wird derzeit als Kooperationsvorhaben der INL GmbH (Halle), der Universitäten Halle-Wittenberg und Bonn sowie der DLG e. V. durchgeführt und an bundesweit 14 Testbetrieben überprüft.
Ministerbesuch am DBU-Stand
Anfang November war die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) im Rahmen eines Gemeinschaftsstandes in Leipzig auf der gut besuchten Messe »denkmal – Europäische Messe für Denkmalpflege, Restaurierung und Altbausanierung« vertreten. Während der Veranstaltung konnten am DBU-Stand zahlreiche Fachgespräche geführt werden – so zum Beispiel mit Vertretern des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalpflege und verschiedenen Landeskonservatoren/-innen. Unter den Besuchern am DBU-Stand war auch der sächsische Innenminister Markus Ulbig (links), der sich von Dr. Paul Bellendorf, bei der DBU zuständig für Kulturgüterschutz, über die Aktivitäten der Umweltstiftung informieren ließ.
DBU-Gemeinschaftsstand auf der »BAU 2015«
Innovative Lösungen für ressourcenschonendes und energieeffizientes Bauen präsentiert die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) vom 19. bis 24. Januar 2015 in München während der »BAU 2015«, der Weltleitmesse für Architektur, Materialien und Systeme. Am DBU-Gemeinschaftsstand in Halle B 0 (Stand Nr. 106) zeigen fünf DBU-Förderpartner beispielhafte Projektergebnisse für mehr Ressourceneffizienz am Bau. Am Dienstag, 20. Januar, und Mittwoch, 21. Januar, lädt die DBU am Messestand zudem zu zwei Diskussionsveranstaltungen – unter anderem mit DBU-Generalsekretär Dr. Heinrich Bottermann – ein.
Folgende fünf Mitaussteller präsentieren ihre beispielhaften Lösungen:
• bauteilnetz Deutschland
Netzwerk zur Wiederverwendung gebrauchter Bauteile/ Qualifizieren im Ressourcenschutz
www.bauteilnetz.de
• Technische Universität (TU) München, Lehrstuhl für Holzbau und Baukonstruktion
Stoffpass Gebäude – Entwicklung eines operativen Stoffstrommanagements für Neubau und Bestand
www.hfm.tum.de
• Deutsch-Französisches Institut für Umweltforschung (DFIU) des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT)
Minimierung von Umweltbelastungen beim Abbruch von Hoch-/ Tiefbauten und Schaffung hochwertiger Recyclingmöglichkeiten für Materialien aus Gebäudeabbruch
www.dfiu.kit.edu
• Deutscher Dachgärtner Verband (DDV)
Leitfaden Dachbegrünung für Kommunen/Identifizierung von Vegetationsflächenpotenzial
www.dachgaertnerverband.de
• DBU Zentrum für Umweltkommunikation
»Haus sanieren – profitieren!« – Klimaschutz- und Informationskampagne der Deutschen Bundesstiftung Umwelt zur energetischen Gebäudesanierung
www.sanieren-profitieren.de
Weitere Informationen zum DBU-Gemeinschaftsstand während der »BAU 2015« finden Sie hier.
DBU-Forum: Sanfte Medizin für sauberes Wasser
Am Mittwoch, 4. Februar 2015, findet im DBU Zentrum für Umweltkommunikation das DBU-Forum »Sanfte Medizin für sauberes Wasser« statt. Arzneimittelrückstände im Wasser sind ein globales Umweltproblem. Bis heute wurden Rückstände von mehr als 150 verschiedenen Arzneimitteln in Böden, Oberflächen-, Grund- und Trinkwasser nachgewiesen. Sie können langfristig ein Risiko für die menschliche Gesundheit darstellen und schädigen nachweislich die Umwelt. Das DBU-Forum gibt einen Einblick in das Thema und greift aktuelle Fragen auf. Die Teilnahme an der Fachtagung ist kostenfrei.
Das ausführliche Programm und weitere Infos finden Sie hier.
Broschüre zum Jugendkongress
Neu erschienen ist eine 40-seitige Broschüre, die die Ergebnisse des Jugendkongresses Biodiversität 2014 anschaulich zusammenfasst. Die Publikation lässt die wesentlichen Programmpunkte der Veranstaltung auf Rügen Revue passieren und stellt so für Teilnehmer und solche, die nicht dabei sein konnten, eine informative Fundgrube dar.
Sie können die Broschüre hier kostenlos bestellen und downloaden.
Handlungspädagogik
am Beispiel Landwirtschaft
Die Herausgeber und Autoren des Buches »Das pflügende Klassenzimmer – Handlungspädagogik und Gemeinschaftsgetragene Landwirtschaft« zeigen, wie sich Pädagogik und Landwirtschaft gegenseitig befruchten. Das Werk berichtet anhand zahlreicher Beispiele davon, dass eigenes Handeln und Tun konkret etwas bewirken können. »Das pflügende Klassenzimmer – Handlungspädagogik und Gemeinschaftsgetragene Landwirtschaft«, oekom-Verlag, T. Hartkemeyer, P. Guttenhöfer, M. Schulze (Hrsg.),
DBU-Umweltkommunikation/
Band 5, 208 Seiten, ISBN 9783865816979, 19,95 Euro
Herausgeber
Deutsche Bundesstiftung Umwelt DBU
An der Bornau 2
49090 Osnabrück
Tel. 0541|9633-0
Fax 0541|9633-190
www.dbu.de
Redaktion
Stefan Rümmele
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