»Die größte Herausforderung der Menschheit im 21. Jahrhundert ist es, allen Menschen ein Leben in Würde zu ermöglichen, ohne dabei unseren Planeten zu zerstören. Das kann und wird nicht mit dem jetzigen Wohlstands- und Wachstumsmodell der Industrieländer gelingen. Wenn alle Menschen so produzieren und konsumieren würden wie die Europäer und Amerikaner, dann bräuchten wir drei oder vier Planeten in Reserve. Die haben wir aber nicht.« – Bundespräsident a. D. Prof. Dr. Horst Köhler zog in seiner Festrede dieses Fazit. Köhlers Festansprache war der Schluss- und Höhepunkt eines Kongresses, zu dem die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) anlässlich ihres 25-jährigen Bestehens am 8. Dezember 2016 ins Radialsystem V Berlin eingeladen hatte.
DBU »ökologische Weitsicht« attestiert
Köhler, der der DBU eine »ökologische Weitsicht« attestierte, »die wir heute mehr denn je nötig haben«, betonte, wenn er heute über die nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen, die sogenannte Agenda 2030, und den Pariser Klimavertrag sprechen solle, sei das ein großes Thema, weil diese Rahmenvereinbarungen eine neue große Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft weltweit zum Ziel hätten. Doch die Schwierigkeiten, auf die man bei der Umsetzung einer ökologisch nachhaltigen Politik stoße, seien nur Spiegelungen von sehr viel tiefer liegenden Dilemmata und Spannungen, mit denen Gesellschaften, Ökonomien und politische Systeme konfrontiert seien in diesem extrem komplexen 21. Jahrhundert. Köhler: »Und wir leben ja in einer seltsamen Zeit. Ausgerechnet jetzt, wo deutlich wird, dass unsere Probleme erstens komplex und zweitens global sind, scheinen jene Kräfte Oberhand zu gewinnen, deren Antworten erstens simpel und zweitens national sind.«
Klimaschutzplan »nicht mehr ehrgeizig, sondern nur noch geizig«
Das deutsche Flaggschiff Energiewende werde im Ausland oft mit Bewunderung verfolgt. Deutschland habe zu den Pilotländern gehört, die erstmals über ihren Umsetzungsstand zur Agenda 2030 berichtet hätten. Und bei der Klimakonferenz in Marrakesch sei Deutschland eines von nur vier Ländern gewesen, die überhaupt einen halbwegs konkreten Zeitplan hinterlegt hätten, wie die Klimaziele bis zum Jahr 2050 erreicht werden sollen. Andererseits dokumentiere aber der deutsche Klimaschutzplan selbst, »wie da ein beachtlicher Ehrgeiz der Umweltministerin in den Mühlen der Ressortabstimmung so geschliffen wurde, bis am Ende nur noch ein Plan übrig blieb, der nicht mehr ehrgeizig, sondern nur noch geizig ist – geizig an politischem Mut und echter Innovationskraft«. Es wüssten zwar alle, dass bestimmte Transformationsaufgaben nur mit einem klaren Richtungswechsel zu schaffen seien. Köhler: »Und dennoch druckst man herum anstatt sich ehrlich zu machen, dennoch wird aufgeschoben anstatt angepackt.«
Die vollständige Rede von Bundespräsident a. D. Prof. Dr. Horst Köhler liegt dieser Ausgabe bei und steht für Sie als pdf zum Download bereit.
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DBU-Geschäftsstelle,
An der Bornau 2,
49090 Osnabrück,
oder per E-Mail.
Köhler forderte die Festaktsteilnehmer auf, »sich jetzt nicht kirre machen zu lassen. Lassen Sie sich die Relevanz Ihrer Aufgabe nicht kleinreden, sagen Sie mit Mut und auch mit Stolz, dass Sie nicht trotz, sondern gerade wegen all der Krisen an der Transformation arbeiten. Denn die große Transformation sei nicht die Ursache, sondern die Antwort auf das Unbehagen vieler Menschen«, so Köhler.
Aus Anlass ihres 25-jährigen Bestehens veranstaltete die DBU Anfang Dezember einen Kongress, in dem es um die Kernfragen ging, wie Innovationsprozesse gefördert und etabliert werden und einen Beitrag dazu leisten können, den Wandel hin zu einer nachhaltigen Gesellschaft voranzutreiben. Die zahlreichen Festtagsgäste im Berliner Radialsystem V wurden von der Vorsitzenden des DBU-Kuratoriums
und Parlamentarischen Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, Rita Schwarzelühr-Sutter (MdB), und DBU-Generalsekretär Dr. Heinrich Bottermann begrüßt.
Schwarzelühr-Sutter betonte in ihrer Funktion als Vertreterin der Bundesregierung und damit des Stifters, allein die absoluten Förderzahlen der DBU verdeutlichten die enorme Breitenwirkung der Stiftungsarbeit. Dabei sei erfolgreiche Innovationsförderung alles andere als trivial – Geld alleine nutze wenig. Um tatsächliche Hebelwirkungen zu erzielen, brauche man viel Sachverstand, Gespür für das Mögliche und eine gute Portion Risikobereitschaft. Die DBU habe die von ihr geförderten Projekte immer mit höchster Professionalität ausgewählt, entwickelt und kommuniziert – hier sei über die Jahre eine einzigartige Kultur nachhaltiger Projektförderung zur Entlastung der Umwelt gewachsen.
Beispiel für unbürokratische und schnelle Reaktion: Projekte zur Integration Geflüchteter
Die Stiftung habe sich dabei immer wieder neuen Themen und Herausforderungen gestellt. Wer Innovationen fördern wolle, könne dies kaum in immer gleichbleibenden Mustern und Strukturen leisten. Die Offenheit des Blicks, die Bereitschaft zur selbstkritischen Überprüfung und zur Veränderung der eigenen Position seien unabdingbare Bestandteile einer Innovationsstiftung. In einem permanenten Veränderungsprozess habe sich die DBU zunehmend dem vorsorgenden Umweltschutz zugewendet. Ihre zu Jahresbeginn in Kraft getretenen neuen Förderleitlinien orientierten sich nun in einer klugen Balance einerseits an dem übergeordneten Konzept der planetaren Grenzen und öffneten sich andererseits bewusst auch gesellschaftlichen und stärker risikobehafteten experimentierfreudigen Zugängen. Ein Beispiel dafür sei die unbürokratische und schnelle Reaktion der DBU auf die Herausforderungen des Zuzugs geflüchteter Menschen: Die Stiftung habe ab September 2015 insgesamt 2,5 Mio. Euro für Umweltprojekte zur Integration geflüchteter Menschen zur Verfügung gestellt und in dieser Zeit rund 60 Einzelprojekte zur Entscheidung gebracht.
Bottermann: Wie leben, ohne das Erdsystem an die Grenzen seiner Tragfähigkeit zu bringen?
DBU-Generalsekretär Dr. Heinrich Bottermann betonte in seiner Ansprache, 25 Jahre nach Gründung der DBU beobachte man besorgt, wie sich das Rad der Geschichte teilweise in Richtung Kleinstaaterei zurückdrehe. Dabei zeigten die jüngsten internationalen Umweltschutzabkommen, dass ein Schulterschluss über Ländergrenzen und Kontinente hinweg möglich sei. Die Frage sei, wie der Wandel in Richtung auf eine nachhaltige Gesellschaft gelingen könne, wie Menschen leben und wirtschaften könnten, ohne das Erdsystem an die Grenzen seiner Tragfähigkeit zu bringen.
»Drehen das Rad in falsche Richtung«
Denn der Mensch treibe den Planeten an seine Belastungsgrenzen. Er sei zwar »offenbar in der Lage, das große Rad zu drehen. Nur wir drehen es in die falsche Richtung.« Was wir brauchten, um heutigen und folgenden Generationen weltweit eine lebenswerte Welt zu erhalten, seien grundlegende neue Ansätze – nicht nur in der Technik, sondern auch in Forschung, Wirtschaft und Gesellschaft, sagte der DBU-Chef. In einer immer komplexer werdenden Welt bedürfe es einer Vielfalt von Innovationen, die über technische Lösungen hinausgehen: neuer Geschäftsmodelle, die auch Einzelunternehmern und Mittelständlern eine Chance in einer globalisierten Welt geben, neuer Gesellschaftsmodelle, die auch diejenigen mitnehmen, die von der rasanten Entwicklung abgehängt werden. Bottermann: »Wir sind womöglich die letzte Generation, die den Umschwung noch schaffen kann und gleichzeitig die erste, die unter den massiven Auswirkungen der globalen Veränderungen zu leiden hat.« Letztlich gehe es um die Frage, wie 2050 rund 10 Mrd. Menschen gut und im Einklang mit den natürlichen Lebensgrundlagen leben können.
Prof. Dr. Hans Joachim Schellnhuber, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung und Träger des Deutschen Umweltpreises der DBU, forderte in seinem Vortrag zum Klimaschutz anlässlich der 25-Jahr-Feier der DBU, alte Muster des Denkens aufzubrechen. In den letzten 120, 130 Jahren sei in Sachen Klimawandel ein klarer Trend nach oben zu registrieren. Davon, dass er eine Pause eingelegt habe, könne gar keine Rede sein. 2016 werde das wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen sein, das Eis in Arktis und Antarktis habe einen historischen Tiefstand erreicht. Schellnhuber: »Es passiert etwas höchst Dramatisches. Wir sind schon in eine Gruppe von Stop-Schildern hineingefahren und erleben einen Eingriff in die Schöpfung allererster Dramatik.«
Schellnhuber forderte einen Ausstieg aus der Kohle, die komplette Dekarbonisierung, weniger Individualverkehr und neue Methoden beim zukünftigen Städte- und Straßenbau. Wir bräuchten Innovationen, müssten geeignete Infrastrukturen schaffen – und dabei alle Bevölkerungsschichten und Generationen mitnehmen. Schellnhuber: »Wir müssen mitfühlen mit zukünftigen Generationen und unsere Solidarität ausdehnen auf Menschen, die noch gar nicht geboren sind.« Ein gestaltender Staat müsse das Heft des Handelns wieder in die Hand nehmen. Schellnhubers Schlussappell: »Die Intellektuellen in Deutschland müssen endlich Position beziehen.«
Walz: Innovationen – sozialwissenschaftlich betrachtet
Prof. Dr. Rainer Walz, Leiter des Competence Centers Nachhaltigkeit und Infrastruktursysteme am Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (Karlsruhe), ging in seinem Festvortrag aus sozialwissenschaftlicher Sicht auf das Thema Innovationen ein. Er forderte experimentierfreudige Unternehmen und Organisationen, einen gestaltenden Staat und hohes Umweltbewusstsein verbunden mit der Bereitschaft zur Verhaltensänderung.
Bisher sei es aber nur in Teilbereichen zu einem wesentlichen Anstieg der Dynamik von Umweltinnovationen gekommen. Walz wörtlich: »Innovationen sind aber nicht einfach durch höhere Ausgaben bei Forschung und Entwicklung zu steigern: Da Wissen verteilt bei Wissenschaftlern, Herstellern und Anwendern vorliegt, ist Innovation ein sozialer Prozess, bei dem bereits bestehende Wissensbestandteile neu untereinander sowie mit neuem, zusätzlichem Wissen kombiniert werden.«
Aus diesem systemischen Innovationsverständnis erweiterten sich sowohl die Anzahl der am Innovationsprozess beteiligten Akteure als auch die zu betrachtenden Einflussgrößen. Dies gelte in noch stärkerem Ausmaß für institutionelle und soziale Innovationen, die darauf abzielen, neue Rollen, Beziehungen, Normen und Werte zu entdecken, aus denen veränderte Lebensstile und neue Produktions- und Konsummuster resultieren können. Transformationen ganzer Systeme bestünden aus einem Zusammenspiel von technologischen, institutionellen und sozialen Innovationen, die sich zunächst in Nischen entwickelten. Es brauche in der Gesellschaft verankerte Zielformulierungen und Aushandlungsprozesse über die Geschwindigkeit, mit der etablierte Systeme ersetzt werden können. All dies steigere den Komplexitätsgrad von Transformationen gegenüber Einzelinnovationen erheblich.
Walz weiter wörtlich: »Die gesteigerte Komplexität der Steuerung von Innovationen bedarf damit sowohl neuer innovationspolitischer Ansätze und strategischer Intelligenz zum Erkennen von Nischen und deren künftiger Relevanz als auch neuer Politikformen im Sinne eines Mixes von Reflexion, Partizipation und Prioritätensetzung.«
Veranstaltungsdokumentation
Die Beiträge des Kongresses und des Festakts zum 25-jährigen Bestehen der DBU sind in Form einer ausführlichen Dokumentation im Internet nachzulesen .
Außerdem sind Videomitschnitte der Veranstaltung im Youtube-Kanal der DBU zu finden unter:
Videomitschnitt Nr. 1
Videomitschnitt Nr. 2
Dr. Antje von Dewitz, Themenpatin des Workshops, DBU-Kuratoriumsmitglied und Geschäftsführerin des Unternehmens VAUDE, hob die Wichtigkeit von Wirtschaftsunternehmen hervor, wenn es darum gehe, ob eine nachhaltige Entwicklung gelinge oder nicht. Einer der größten Fehler, den ein Unternehmen machen könne, das sich im Sinne der Nachhaltigkeit entwickeln möchte, sei das Outsourcen des Nachhaltigkeitsthemas. Zielführender sei es, Nachhaltigkeit in den Unternehmenszielen gleichberechtigt mit den Wirtschaftszielen zu verankern und in die Unternehmenskultur einfließen zu lassen. »Die Mitarbeiter müssen das leben«, so von Dewitz.
Der Geschäftsführer des Unternehmens Fairphone, Bas van Abel, sah die Transformation zu einer nachhaltigen Wirtschaft noch allumfassender: »Everything matters – so you have to change everything.« Es sei wichtig, die Geschichte und das ganze System hinter einem Produkt zu kennen und zu verstehen, erklärte van Abel.
Im anschließenden Workshopteil mit offenen Thementischen unterhielten sich die Teilnehmenden angeregt und kontrovers darüber, was erforderlich ist, damit die Transformation zu einer nachhaltigen Entwicklung in Unternehmen gelingt. Zwei zentrale Stellschrauben wurden herausgearbeitet: Zum einen gehe es darum, die Menschen – und zwar alle, seien es Mitarbeiter von Unternehmen, seien es Konsumenten – miteinzubeziehen. Eine weitere Stellschraube sahen die Teilnehmenden auf ökonomischer Ebene. »Einpreisung« oder – anders ausgedrückt – »wahre« Preise seien eine Möglichkeit. So könnten etwa die Kosten, die ein Produkt bei Herstellung und Entsorgung in sozialer und ökologischer Hinsicht verursache, zum jetzigen Preis addiert werden.
Prof. Dr. Dr. h. c. Garabed Antranikian, Themenpate des Workshops Wissenschaft und Präsident der Technischen Universität Hamburg-Harburg, unterstrich die Bedeutung interdisziplinärer und transdisziplinärer Forschung. Zugleich stellte er aber heraus, dass dies auch aufgrund lang gewachsener Strukturen und unterschiedlicher Menschen in den Fachgebieten eine große Herausforderung sei, der man mit Anreizen entgegentreten könne. Prof. Dr. Uwe Schneidewind, Leiter des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie, attestierte Universitäten hingegen, weit entfernt zu sein von einer Transdisziplinarität, wie sie heute vonnöten wäre. Dr. Karl Eugen Huthmacher, Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), sprach sich dafür aus, die Industrie in der Technologieforschung nicht ganz alleine zu lassen. Er stelle in der Gesellschaft eine »Gegentransformation« hin zu mehr Abschottung und Renationalisierung fest. Wissenschaft werde immer gebraucht, die Frage sei, warum es ihr an Gestaltungskraft fehle. Prof. Dr. Aletta Bonn, Friedrich-Schiller-Universität Jena, räumte mit dem Vorurteil auf, dass Bürgerinnen und Bürger, die sich in Citizen-Science-Projekten engagieren, meist nur Schmetterlingsfänger seien. Im Gegenteil, im Bereich der Astrophysik beispielsweise würden neue Galaxien häufig von Bürgerwissenschaftlern entdeckt. Dennoch bedürfe es zum Beispiel an Hochschulen auch an Trainings und Weiterbildung für Citizen-Science-Programme und deren erfolgreiche Umsetzung.
Grundsätzlich einig waren sich die Impulsgebenden darin, dass Wissenschaft vermehrt mit Wirtschaft und Zivilgesellschaft zusammengebracht werden müsse. Veränderungsprozesse kämen meist nicht über die großen Player zustande. Vergleichbar mit Wirtschaftslobbyisten würden sich auch »Wissenschaftskartelle« gegen Innovation wehren. Eine Veränderung nur über den Generationswechsel zu erreichen, sei zu wenig. Dabei reiche es nicht aus, Wissenschaft zu betreiben und die Ergebnisse anschließend zu kommunizieren. Die Nutzer müssten von Anfang an mit eingeplant und einbezogen werden. Regierungen dürften sich nicht von der Wissenschaft abwenden und in den Postfaktizismus abdriften. Dazu müssten alle beitragen, beispielsweise durch mehr Bildung.
Robert Hennies, Themenpate des Workshops Bildung und Ministerialrat im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB), sprach sich dafür aus, kritisch zu bleiben, die Bildung aber mit allzu hohen Ansprüchen in Richtung Großer Transformation nicht zu überfordern. Es gelte, vor allem (wieder) Freiräume im Bildungssystem zu schaffen und zu stärken – Freiräume für Zeit, Ideen und Experimente, Freiräume ohne vorgegebenen Zweck und Nutzen. Transformation sei und bleibe eine Frage von Vielfalt, Freiheit und Teilhabe – Bildung müsse hierfür die notwendigen Kompetenzen und Handlungsräume ermöglichen.
Dr. Mandy Singer-Brodowski, FU Berlin, INSTITUT FUTUR, vertrat die Ansicht, man brauche kein »Mehr« an Bildung, sondern eine Bildung, die in die Tiefe gehe. Eine kritisch-emanzipatorische Bildung bedeute in diesem Zusammenhang: Man müsse auch die Freiheit haben, sich für nicht-nachhaltige Wege entscheiden zu dürfen – nur das sei ehrlich. Die Vizepräsidentin der Universität Kiel, Prof. Dr. Ilka Parchmann sagte, man müsse Schülern zeigen, was Nachhaltigkeit und Naturwissenschaften mit ihnen selbst zu tun hätten. Dr. Frank Corleis, Leiter des SCHUBZ Umweltbildungszentrums der Hansestadt Lüneburg, erläuterte als Beispiel für einen »tiefen« Lernprozess die Projekte von nachhaltigen Schülerfirmen, die vielfältige Aspekte einer Bildung für nachhaltige Entwicklung beinhalteten.
In der nachfolgenden Arbeitsphase hielten die Teilnehmenden weitere bildungsrelevante Punkte fest. Genannt wurden unter anderem folgende Stichworte: Politik als Rahmengeber, Netzwerkbildung, positive Visionen statt Schreckensszenarien, das Erreichen von Multiplikatoren und Entscheidungsträgern sowie die Relevanz persönlicher Betroffenheit.
Die Themenpatin des Workshops »Soziales«, Dr. Inge Paulini, Generalsekretärin des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU), wies darauf hin, dass die Große Transformation keinen Endpunkt habe, vielmehr handele es sich um eine ständige Veränderung! Das Wichtige an diesem Prozess sei, in die richtige Richtung zu gehen. Dabei könnten einige positive Effekte wie der technische Fortschritt der erneuerbaren Energien (auch vom neugewählten US-Präsidenten) nicht mehr einfach zurückgedreht werden. Allerdings, so Paulini, brauchten wir eine Debatte darüber, wie wir eigentlich leben wollen? Dabei müsse auch Neues auf unsicherem Terrain ausprobiert werden. Jede Änderung biete eine Chance.
Prof. Dr. Jana Rückert-John vom Institut für Sozialinnovation in Berlin vertrat die Ansicht, dass alternative Konsumpraktiken wie Urban Gardening und Carsharing zu veränderten Vorstellungen von Besitz und Eigenverantwortung geführt hätten. In Ansätzen deuteten sie einen Kulturwandel und andere Wertvorstellungen an. Bisher handele es sich allerdings um Nischenphänomene. Es stelle sich die Frage, wie diese in eine gesellschaftliche Verbreiterung kommen könnten. Nachhaltiges Handeln finde oft nicht unbedingt aus Gründen des Umweltschutzes statt, sondern beispielsweise aus praktischen oder gesundheitlichen Gründen.
Dr. Simone Kimpeler, Leiterin des Competence Centers Foresight am Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung, erläuterte Zukunftsforschung am Beispiel von »Foresight«. Es handle sich dabei nicht um ein Vorhersagen (kein Forecasting), sondern es werde Wissen über Veränderungen zusammengetragen, um eine Vorausschau auf die Zukunft zu ermöglichen. Ihr Institut betreibe Foresight beispielsweise im Auftrag des Bundesforschungsministeriums, ergänzte Kimpeler.
In der Diskussion wurden noch zahlreiche andere Felder identifiziert, die nach Ansicht der Teilnehmenden zum Themenkomplex »soziale Innovationen« gehören, darunter die Frage: Wie fehlerfreundlich sind wir? Auch Fehler seien ein Ergebnis. Man könne daraus lernen und eine andere Richtung einschlagen. Immer wieder betont wurde auch, dass es an Achtsamkeit unter den Menschen fehle. Daraus entstand die Idee eines Achtsamkeitstrainings für unterschiedlichste Gruppen.
DBU trauert um ihren Mitgründer Prof. Dr. Hans Tietmeyer
Im Alter von 85 Jahren ist Prof. Dr. Hans Tietmeyer, Mitgründer der DBU und zwölfeinhalb Jahre Vorsitzender ihres Kuratoriums, am 27. Dezember 2016 verstorben. DBU-Generalsekretär Dr. Heinrich Bottermann würdigte Tietmeyer als einen Mann, der der Deutschen Bundesstiftung Umwelt als einer der größten Umweltstiftungen Europas Charakter und Richtung gegeben habe. Mit großer Zielstrebigkeit, breiter Sachkenntnis und hoher persönlicher Integrität habe Tietmeyer das Profil der DBU entscheidend geformt. Bottermann: »Er war geistiger Mitvater, Planer, Konstrukteur, Steuermann und Motor der DBU in einer Person. Seine weitsichtigen Entscheidungen bei der Erstanlage des Stiftungskapitals haben den Grundstein für eine langfristig solide wirtschaftliche Basis der Stiftung gelegt.«
Tietmeyer als damaligem Staatssekretär im Bundesfinanzministerium und seinem Chef Bundesfinanzminister Dr. Theo Waigel war es Ende der 1980er Jahre mit der Gründung der DBU vor allem darum gegangen, »neues Wissen und Erkenntnisse in die Praxis umzusetzen und zu einer vorsorgenden Umweltpolitik beizutragen«, wie es Tietmeyer selbst einmal formuliert hatte. Seine erste Kuratoriumssitzung hat Tietmeyer am 7. Dezember 1990 geleitet. Die 54. Sitzung im Berliner Savoy-Hotel im Mai 2003 war seine letzte. »Die DBU ist mit seinem Einsatz zu einer der bedeutendsten, angesehensten und wirkungsvollsten Umweltstiftungen in Deutschland, Europa und weltweit geworden. Diese Stiftung setzt hohe Maßstäbe für eine offene Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen und technischen Umweltproblemen«, hatte es beim Ausscheiden Tietmeyers aus seiner Funktion der damalige Bundesumweltminister Klaus Töpfer formuliert.
Farbenhersteller ausgezeichnet
Der ehemaliDBU-Projektpartner, Firma Ostendorf, Farbenhersteller aus Coesfeld, wurde vom Wirtschaftsmagazin »WirtschaftsWoche« im Dezember auf Rang 34 unter die 50 innovativsten deutschen Mittelständler gewählt. Bereits im Oktober des Vorjahrs hatte sich die Firma als »Klimaschutzunternehmen« qualifiziert und war dazu durch das Bundeswirtschaftsministerium in Berlin ausgezeichnet worden. Der Farbenhersteller hat wasserverdünnbare Lacke mit Unterstützung der DBU bis zur Marktreife entwickelt. Diese kombinieren die positiven Eigenschaften lösemittelhaltiger Alkydharzlacke, wie die hervorragende Verarbeitbarkeit auf großen Flächen, mit der Kratzfestigkeit, Vergilbungsfreiheit und Umweltfreundlichkeit eines Wasserlacks.
Jugendkongress Biodiversität 2017
Vom 9. bis zum 11. Juni 2017 findet die Konferenz »Jugend I Zukunft I Vielfalt – Jugendkongress Biodiversität 2017« in Osnabrück statt. Bis zum 28. Februar 2017 können sich junge Menschen im Alter von 16 bis 27 Jahren online um einen Platz bewerben.
DBU-Forum Schulbau »Schulbauten – Räume der Zukunft?«
Findet am 23. und 24. März 2017 in München statt. Näheres finden Sie hier.
Internationale Planetary Boundaries Konferenz
Jetzt anmelden zur internationalen Planetary Boundaries Konferenz in Berlin mit Dr. Barbara Hendricks, Dr. Heinrich Bottermann, Prof. Johan Rockström und Maria Krautzberger.
Wir müssen innerhalb eines sicheren Handlungsraumes und planetarer Belastungsgrenzen (Planetary Boundaries) wirtschaften, damit auch nachfolgende Generationen in Würde und Frieden leben können. Am 24. und 25. April 2017 diskutieren Akteure aus der Wissenschaft, Politik, Gesellschaft und Wirtschaft in Berlin zum ersten Mal gemeinsam die praktischen Implikationen des Konzepts der Planetary Boundaries. Die Konferenz geht insbesondere auch der Frage nach, welche Chancen das Konzept für technische, wirtschaftliche und soziale Innovationen und für betriebliches Risiko- und Umweltmanagement von KMU und Großunternehmen eröffnet.
Zur Anmeldung und weiterführenden Informationen gelangen Sie hier.
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Redaktion
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