Brüssel/Osnabrück. Der Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), Alexander Bonde, hält infolge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine einen radikalen Wandel der Wirtschaft in der Europäischen Union (EU) für unausweichlich, wenn die EU ihren ambitionierten „Green Deal“ mit Europa als erstem klimaneutralen Kontinent bis 2050 erreichen will. Zum Auftakt der DBU-Veranstaltungsreihe „DBUgoesBrussels“ unter dem Titel „Zwischen Krieg und Klimaschutz: Wie schafft Europa die Energiewende?“ gestern (Dienstag) in der Landesvertretung Niedersachsen sagte Bonde: „Die geo- und sicherheitspolitische Zeitenwende verlangt eine fundamentale Neuorientierung – in unserem Umgang sowohl mit Energie als auch mit Rohstoffen.“
EWE-Vorstandschef Dohler warnt vor Gefährdung der Versorgungssicherheit in Deutschland
Bei der Veranstaltung in der belgischen Hauptstadt, in der sich von Kommission über den Rat der Mitgliedstaaten bis hin zum Parlament zentrale EU-Institutionen befinden, mahnte Bonde, keine Zeit zu verlieren. „Neben allem entsetzlichen menschlichen Leid führt der Ukraine-Krieg vor Augen, in welche Falle Deutschland und andere EU-Staaten durch die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern und entsprechenden Gas-, Öl- und Kohle-Importen getappt sind.“ EWE-Vorstandsvorsitzender Stefan Dohler warnte in seiner Keynote davor, „dass die Abhängigkeit von russischen Erdgasimporten die Versorgungssicherheit in Deutschland massiv gefährden könnte und deshalb umgehend Handlungsbedarf besteht“. Notwendig seien „kurzfristig alternative Gasbezugsquellen“. Und: „Wir müssen den Verbrauch reduzieren sowie substituieren und dabei soweit irgend möglich auf erneuerbare Energien setzen. Langfristig müssen auch alle Energieimporte klimaneutral sein.“
Wasser, Wind und Sonne als Basis für Energieunabhängigkeit und im Kampf gegen den Klimawandel
Eine erheblich effizientere Nutzung von Energie als bisher und ein konsequenter Ausbau von erneuerbaren Energien (EE) sind laut Bonde die ersten Schritte für eine notwendige Energiewende. Dohler nannte den beschleunigten EE-Ausbau sogar „zentral für unsere Klimaschutzziele insgesamt“. Zu berücksichtigen sei dabei, „ein erneuerbares Energiesystem grenzübergreifend und mindestens europäisch, am besten global“ zu konzipieren. Nach den Worten von DBU-Generalsekretär Bonde sind auf Basis der erneuerbaren Energien drei Ziele zügig zu erreichen: „Wasser, Wind und Sonne können künftig zu Grundlagen für sichere Energieversorgung, Energieunabhängigkeit und einen effektiven Kampf gegen den Klimawandel werden.“
Globaler Kampf um Rohstoffe
Das eröffne zudem die Chance, die zweite große Umweltkrise unserer Zeit, das verheerende Artensterben, zu stoppen. Bonde: „Doch die Aufgabe, vor der wir alle stehen, ist noch komplexer. Als dritte große, weltweite Krise in Verbindung mit Konflikten um Energiemärkte droht der globale Kampf um Rohstoffe.“ Die Dimensionen seien kaum abzuschätzen. Fest stehe aber, „dass nur schnelles Handeln zu Lösungen führt“. Die DBU als mittelstandsnahe Förderstiftung mit einem Stiftungskapital von rund 2,3 Milliarden Euro und damit als eine der größten Umweltstiftungen Europas will Bonde zufolge genau hier ihren Beitrag leisten, damit der Green Deal zum Erfolg werde. „Wir wollen helfen, damit die anvisierten globalen Gigatonnen-Einsparungen an klimaschädlichen Treibhausgasen auf Weltklimakonferenzen wie jüngst in Glasgow tatsächlich vor Ort in Gladbeck, Greifswald oder Göppingen stattfinden.“
„Das Denken, Wirtschaften und Handeln in Kreisläufen muss Alltag werden“
Neben dem EE-Ausbau und der Energieeffizienz ist nach Einschätzung des DBU-Generalsekretärs ein dritter Faktor von erheblicher Bedeutung: die Circular Economy, also eine umfassende Kreislaufwirtschaft – angefangen vom Produktdesign über Wiederverwendung und Wiederverwerten bis hin zum Teilen, Reparieren und Recyceln. „Der radikale Wandel der Wirtschaft, die fundamentale ökonomische Neuausrichtung hat dabei ein Ziel im Visier: Das Denken, Wirtschaften und Handeln in Kreisläufen muss Alltag werden – von Heizungspumpen und Handys bis zu Einwegfeuerzeugen.“ Der herkömmliche Umgang mit solchen Gütern, getreu der Devise „take, make, waste“ (zu Deutsch etwa: Rohstoffe entnehmen, verarbeiten, als Abfall entsorgen) sei unverantwortlich und setze die Zukunft des Planeten aufs Spiel, so Bonde. Denn viele dieser Produkte enthielten wertvolle und überdies seltene Metalle, „die nicht in den Müll gehören, sondern für neue Waren wiederverwendet werden können“. Die Devise für die Zukunft müsse lauten: „Der Wohlstand von morgen gelingt durch Sonne, Wind und Circular Economy.“