Demmin. Die kleinste heimische Adlerart ist besonders laut: Der Schreiadler verdankt seinen Namen den geräuschvollen „tjück“-Rufen. Doch in Deutschland gilt er als vom Aussterben bedroht und kommt nur noch im östlichen Mecklenburg-Vorpommern und in Brandenburg vor. Die Tochtergesellschaft der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), das DBU Naturerbe, hat nun einen Naturerbe-Entwicklungsplan erstellt, der für die nächsten zehn Jahre das Management der DBU-Naturerbefläche Woldeforst festlegt. Diese etwa 174 Hektar (ha) große Fläche ist Teil des rund 1.880 ha großen, unzerschnittenen Laubwaldkomplexes Drosedower Wald, Kronwald und Woldeforst, in dem sich der Schreiadler heimisch fühlt. „Schutzmaßnahmen, die sich rund um diese Adlerart drehen, dienen auch vielen anderen Tier- und Pflanzenarten. Daher orientiert sich der Naturerbe-Entwicklungsplan Woldeforst an seinen Lebensraumansprüchen“, teilt Prof. Dr. Werner Wahmhoff mit, fachlicher Leiter des DBU Naturerbes.
Woldeforst ist Teil eines großen Waldbiotopverbunds von nationaler Bedeutung
Der Schreiadler ist, so Wahmhoff, Leitart für komplexe Landschaften, in denen sowohl Dauergrünland als Jagdgebiet als auch strukturreiche und störungsarme Feuchtwälder als Brutgebiete vorkommen. Dort finden auch viele andere europaweit geschützte Tierarten Lebensraum wie Mopsfledermaus, Kammmolch und Fischotter. Die DBU-Naturerbefläche Woldeforst bildet den südlichen Teil des Laubwaldkomplexes Drosedower Waldes, Kronwald und Woldeforst – ein Gebiet mit nationaler, länderübergreifender Bedeutung, was den bundesweiten Waldbiotopverbund betrifft. Eichen und Hainbuchen dominieren den Großteil der Fläche. Rund 80 Prozent der DBU-Naturerbefläche sind von naturnahen Laubwäldern geprägt. Fast die ganze Fläche ist Teil des Natura-2000-Netzwerkes. Wahmhoff: „Das Gebiet besitzt aufgrund der Lebensraumausstattung und der beruhigten Lage auch ein hervorragendes Potenzial als Lebensraum weiterer störungsempfindlicher Großvogelarten wie Kranich, Seeadler, Rot- und Schwarzmilan.“
Naturnaher Wald wird weitestgehend sich selbst überlassen
„Wir wollen Störungen vermeiden, aber gleichzeitig die Lebensräume dieser wichtigen Arten dauerhaft sichern“, erklärt Privatdozentin Dr. Heike Culmsee, Leiterin der Naturerbe-Entwicklungsplanung auf DBU-Naturerbeflächen, die Naturschutzziele auf der DBU-eigenen Fläche. In naturnahen Wäldern sind auf rund 124 ha kaum menschliche Eingriffe vorgesehen, so dass diese weitgehend sich selbst überlassen bleiben. Gemeinsam mit dem langjährigen Partner vor Ort, dem Bundesforstbetrieb Vorpommern-Strelitz, vertreten durch DBU-Koordinator Wolf Ulrich Menzel, sollen nur auf wenigen Teilflächen Übergangsbereiche zwischen Wald und Waldwiesen sowie Gewässern geschaffen und gepflegt werden. In geringem Umfang sollen auf schonende Art und Weise standortfremde Baumarten wie Fichte und Japan-Lärche entfernt werden. Zu den weiteren Maßnahmen zählt die Pflege von Grünlandflächen, wo Schreiadler und Mopsfledermäuse Beute finden. Außerdem werden Kleingewässer von Gehölzen befreit, Gebiete wiedervernässt, Alt- und Totholz belassen und Gebäude zurückgebaut, die der ehemaligen militärischen Nutzung unterlagen.
Naturerbe-Entwicklungsplan mit Landesbehörden und Bundesamt für Naturschutz abgestimmt
Auf der DBU-Naturerbefläche Woldeforst wurden im Rahmen einer Ausgleichs- und Ersatzmaßnahme für den Neubau der Ostseeautobahn (Bundesautobahn 20) vor mehr als zehn Jahren Ersatzhabitate für den Schreiadler geschaffen. Der Naturerbe-Entwicklungsplan führt diese Maßnahmen fort und wurde in Abstimmung mit dem Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Landesforst Mecklenburg-Vorpommern, dem Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie Mecklenburg-Vorpommern, dem Staatlichen Amt für Landwirtschaft und Umwelt Mecklenburgische Seenplatte und dem Bundesamt für Naturschutz erarbeitet. So ist eine gemeinsame Maßnahmenplanung im Natura-2000-Gebiet gewährleistet.
Naturschutz auf rund 69.000 Hektar ehemaliger Militärfläche
Die gemeinnützige DBU-Tochter versteht sich als Treuhänderin des Nationalen Naturerbes für nachfolgende Generationen. Die DBU-Naturerbefläche Woldeforst ist eine von 70 Flächen der Gesellschaft. Sie hat die rund 174 Hektar große Liegenschaft 2010 vom Bund als Teil des Nationalen Naturerbes übernommen. Auf bundesweit insgesamt rund 69.000 ha im Eigentum der Stiftungstochter – größtenteils ehemalige Militärflächen – sollen offene Lebensräume mit seltenen Arten durch Pflege bewahrt, Wälder möglichst ohne menschlichen Eingriff ihrer natürlichen Entwicklung überlassen, artenarme Forste zu naturnahen Wäldern umgewandelt und Feuchtgebiete sowie Gewässer ökologisch aufgewertet oder erhalten werden.