Bremen. „Nachhaltigkeit geht alle an“, sagt Professor Dr. Ingo Eilks vom Institut für Didaktik der Naturwissenschaften (IDN) der Universität Bremen über die Intention eines neuen Schülerlaborprojekts. „Jeder muss in Zeiten knapper werdender Ressourcen einen Beitrag leisten, ist aber auch aufgefordert, in der Gesellschaft über eine nachhaltigere Entwicklung mitzubestimmen.“ Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Bremen wollen die Bildung über mehr Nachhaltigkeit in der Chemie durch die Entwicklung innovativer Angebote im Schülerlabor stärken. Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) fördert das Projekt fachlich und finanziell mit 340.000 Euro. „Dieses experimentelle Umweltbildungsangebot in Chemie-Schülerlaboren speziell für Kinder und Jugendliche aus Familien mit Migrationshintergrund ist ein Novum in der Schülerlaborlandschaft“, sagt Petra Gerstenkorn, Kuratoriumsmitglied der DBU und Mitglied des ver.di-Bundesvorstands.
Schülerlabore gezielt für Schüler mit Nachteilen oder Lücken in Bildungsbiographien
„Schülerlaborprojekte zur Chemie für die Sekundarstufe richten sich oftmals eher an Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums. Die Gymnasiasten verfügen aber oft schon über gute Einstellungen und Kenntnisse zu mehr Nachhaltigkeit“, so Professor Eilks. Das Bremer Projekt wähle bewusst einen anderen Ansatz. Es richte sich gezielt auch an Schülerinnen und Schüler, die Nachteile oder Lücken in ihren Bildungsbiographien haben. Solche Benachteiligungen entstünden häufig durch ein schwieriges soziales Umfeld oder migrationsbedingte sprachliche Probleme. So werden in enger Abstimmung mit einer ganzen Reihe Bremer Oberschulen, insbesondere auch aus Stadtteilen mit einem großen Anteil von Familien mit schwierigen sozialen Verhältnissen, Schülerlaborangebote zu chemiebezogenen Themen der Nachhaltigkeitsdebatte entwickelt, etwa zur nachhaltigen Mobilität. Diese Angebote zeichnen sich durch ein detailliertes System der Differenzierung und Förderung aus. Sie wollen auch diejenigen Schülerinnen und Schüler zu Themen der Nachhaltigkeit mitnehmen, die vom bisherigen Bildungssystem nach einschlägigen Studien nur eingeschränkt berücksichtigt worden seien.
Aktuelle Debatte über Chancen und Probleme von Kindern aus Familien mit Migrationshintergrund
„Vor dem Hintergrund der aktuellen Debatten in der Gesellschaft über die Chancen und Benachteiligungen von Kindern aus Familien mit Migrationshintergrund im deutschen Bildungssystem kommt diesem Projekt eine besonders große Bedeutung zu“, sagt Gerstenkorn. Als Leiterin des ver.di-Bundesfachbereichs für Bildung, Wissenschaft und Forschung betont sie den innovativen und neuartigen Ansatz der geplanten Schülerlaborangebote, die besonders Kompetenzen im alltäglichen Handeln und zu umweltrelevanten Fragen vermitteln sollen. „Die Kinder und Jugendlichen sollen die Bedeutung der Chemie für viele Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen erkennen und die ökologischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Auswirkungen chemisch-technischer Zusammenhänge verstehen“, so Gerstenkorn. Thematisch werden je nach Alter beispielsweise auf der Basis alter Kulturpflanzen Farben und Kleidung hergestellt, die Ver- und Entsorgung von Wasser erklärt, metallische Werkstoffe und umweltfreundliche Antriebstechniken behandelt und die Umweltauswirkungen von Treibstoffen diskutiert.
Ziel: Wirksam differenzierende Strategien für Schülerlabore entwickeln
In der Vergangenheit wurde das Bremer Schülerlabor in der Chemiedidaktik bereits von der DBU gefördert. Ziel war es auch bisher, über das regionale Einzugsgebiet eines Schülerlabors hinaus zu wirken. So ist es auch Ziel des Projekts, möglichst wirksam differenzierende Strategien zu entwickeln, die dann in anderen Schülerlaboren Einsatz finden. Hierzu wurde das Projekt im Verbund mit der Universität des Saarlandes, der Universität Erlangen-Nürnberg und der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe eingeworben. Die in Bremen entwickelten Angebote stehen in jeweils angepasster Form somit auch in Schülerlaboren in Saarbrücken, Nürnberg und Karlsruhe für interessierte Schulklassen zur Verfügung. Sie werden daneben an allen vier Standorten auch in Kooperation mit Partnern aus der außerschulischen Bildung sowie mit Migrantenverbänden angeboten. Zusätzlich erhoffen sich die Forscher Einblicke in funktionierende Strategien der individuellen Förderung beim Experimentieren im Schülerlabor, die dann auch für die Entwicklung des naturwissenschaftlichen Unterrichts in der Schule hilfreich sein können.
Projektlaufzeit drei Jahre - Erste Angebote ab Frühsommer 2015
Koordiniert wird das Projekt an der Universität Bremen von Professor Ingo Eilks, Dr. Antje Siol und Dr. Silvija Markic aus der Abteilung Chemiedidaktik des IDN. Das Projekt hat eine Laufzeit von drei Jahren. Interessierte Schulklassen (nicht nur von Oberschulen) können erste Angebote ab dem Frühsommer 2015 besuchen.
Kontakt zum Schülerlabor: Fiona Affeldt, Institut für Didaktik der Naturwissenschaften, Abteilung Chemiedidaktik, Universität Bremen, Telefon: 0421/21863276.