Würzburg. Stolz waren sie in Würzburg: Als 1990 zur Landesgartenschau ein Umweltinformationszentrum in einem Gebäude am Zeller Tor eingerichtet wurde, legten die Würzburger den Grundstein für ein landesweites Konzept von Umweltstationen – Muster für heute rund 60 anerkannte Umweltstationen in ganz Bayern. Stolz sind sie in Würzburg auch heute: Denn auch wenn die Umweltstation nach mehr als einem Vierteljahrhundert inzwischen in die Jahre gekommen ist und unter funktionalen Gesichtspunkten den Anforderungen einer modernen Umweltbildungseinrichtung nicht mehr gerecht wird, soll sie nun noch einmal „Vorreiter“ werden: Für das Nutzen zukunftsweisender Energietechnik wie etwa einer Eisspeicherheizung, für das Nutzen innovativer Baumaterialien wie etwa Recycling-Beton. Ein rund viereinhalb Millionen Euro teurer Gebäudekomplex wird im Mai offiziell eingeweiht, komplett barrierefrei sein und sich perfekt in das bestehende Gelände an der Bastion einfügen. Freiflächen und der Zugang zur Bastion eröffnen der Umweltbildungseinrichtung innen wie außen großartige Möglichkeiten für Veranstaltungen, Ausstellungen und die tägliche Beratungsarbeit.
Prof. Dr. Angelika Mettke: Wiederverwertung von Baustoffen im Blick
Stolz kann eigentlich auch sie sein: Dr. Angelika Mettke, Professorin für bauliches Recycling an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg. Vor allem aber ist sie fachlich versiert, quirlig, zupackend und hartnäckig. Ihr ganzes Leben hat die Bauingenieurin der Wiederverwertung gerade auch von Baustoffen wie Beton gewidmet. Wie oft haben ihr Kritiker in den Zement-, Beton und Baubranchen in den vergangenen 30 Jahren attestiert, sie „spinne“? Sie schweigt beredt. Hätte sie jedes Mal fünf Euro kassiert, sie hätten den Neubau der Umweltstation Würzburg wohl aus eigener Tasche finanzieren können…
„Schönes Umsetzungsbeispiel für den Einsatz von Recyclingbeton“
Mettke steht für das Recyclingbeton-Konzept des Hauses, das von der Bodenplatte bis zur Decke über dem Obergeschoss in Ortbeton mit recyklierten Zuschlägen ausgeführt ist, zum Teil in Sichtbeton. Der Einsatz dieses Materials in unterschiedlichen Rezepturen wurde von Mettke in der gesamten Kette mit großem Engagement und intensiver Beratung der beteiligten Unternehmen begleitet und überwacht, von der Aufbereitung der Recyclingmaterialien, über die Qualitätssicherung bis hin zur Betonierung selbst. „Decken, Wände, Böden sind von hervorragender Qualität. Mit dem Gebäude liegt ein schönes Umsetzungsbeispiel für den Einsatz von Recyclingbeton vor, das in der Informations- und Bildungsarbeit der Umweltstation hervorragend genutzt werden kann“, ist Alexander Bonde, Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), begeistert.
„Beton-Pioniere“ mit Deutschem Umweltpreis der DBU ausgezeichnet
Auch „seine“ Stiftung kann ein klein wenig stolz sein, ist vor allem aber „Schuld“ an dem Würzburger „Beton-Deal“. Nicht nur, weil sie in ihrem eigenen Verwaltungsgebäude schon Ende des vorigen Jahrtausends Recycling-Beton in tragenden Wänden erstmals in einem Verwaltungsgebäude einsetzte – nach reichlich Kämpfen und am Ende einer Sondergenehmigung des zuständigen Ministeriums in Niedersachsen als oberster Bauaufsichtsbehörde. Denn als die DBU in Würzburg 2016 ihren Deutschen Umweltpreis verlieh – mit 500.000 Euro höchstdotierter Umweltpreis Europas –, stand neben dem damaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck eine Frau auf der Bühne und nahm den Preis in Empfang: Angelika Mettke.
Mehraufwand für ressourcenschonenden Neubau von DBU finanziell abgefedert
An ihrer Seite damals ein zweiter „Beton-Pionier“: Dr. Walter Feeß. Der Unternehmer und gelernte Bautechniker aus Kirchheim unter Teck hatte bereits früh den Grundstein für ein innovatives Verfahren gelegt, bei dem Altbeton geschreddert und zu kleinteiligem Material – der sogenannten recyklierten Gesteinskörnung – verarbeitet wird. Sie wird im Austausch gegen neu abgebauten Kies oder anderes mineralisches Material anteilig in Frischbeton eingearbeitet. So kam die Idee, Recycling-Beton für ein kommunales Gebäude zu nutzen, in das Bewusstsein der Würzburger Stadtmütter und -väter. Und dass diese Idee dann schließlich auch noch mit weiteren Ansätzen zum klima- und ressourcenschonenden Bauen umgesetzt werden konnte, geht auch mit auf die DBU zurück, die der Stadt Würzburg den Mehraufwand für diese Arbeiten mit rund 336.000 Euro finanziell abfederte.
Akzeptanz von Recyclingmaterial im Hochbau deutlich verbessern
„Im Hinblick auf die Schonung der Sand- und Kiesressourcen muss die Akzeptanz von Recyclingmaterial im Hochbau noch deutlich verbessert werden“, begründet Bonde das Engagement der Stiftung. Die Welt erlebe momentan einen beispiellosen Bauboom. Allein in China sei von 2008 bis 2010 mehr Zement verbaut worden als in den Vereinigten Staaten von Amerika im gesamten 20. Jahrhundert. Hierzulande würden in manchen Regionen Sand und Kies knapp, auch weil viele Flächen überbaut seien oder die Bodenpreise zu hoch. Versorgungsschwierigkeiten wiederum könnten Baurohstoffe und damit das Bauen an sich noch teurer machen – und in Teilen Deutschlands sei das ja heute schon nicht mehr zu finanzieren. Deshalb sei es auch nur folgerichtig, wenn das bisherige Informationsspektrum der Umweltstation durch Darstellung des zugrundeliegenden ökologischen Baukonzeptes ergänzt und die Erfahrungen für ein breites Publikum in der Umweltstation, aber auch für Fachpublikum didaktisch aufbereitet werde. Einfließen sollen auch Lebenszyklus-Analysen der umgesetzten Bauausführung und Energieversorgung sowie Stoffstrom- und Kostenanalysen zum Einsatz von Recycling-Beton. Hinzu komme ein Monitoring zur Betriebsoptimierung und zur Visualisierung energetischer Daten.
Baden-Württemberg: 85 Prozent der Landesfläche bereits verplant
Ein Großteil der Sand-, Kies- und Natursteinvorkommen Deutschlands ist durch konkurrierende Nutzungen wie nationale und europäische Wasser-, Natur- und Landschaftsschutzgebiete sowie überbaute Flächen nicht abbaubar, schreibt auch die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in einer Studie vom Frühjahr 2018 zur Versorgung mit Baurohstoffen. In Baden-Württemberg zum Beispiel seien 85 Prozent der Landesfläche durch diese vorrangigen Nutzungen bereits verplant und stünden für eine potenzielle Rohstoffgewinnung nicht zur Verfügung. Ein weiteres Hindernis für eine ausreichende Versorgung mit Baurohstoffen resultiere aus der aktuellen Entwicklung auf dem Grundstücksmarkt. Immer mehr Landwirte würden ihre Flächen nicht für einen Rohstoffabbau zur Verfügung stellen. In Zeiten niedriger Zinsen und gleichzeitig steigender Preise für Ackerland lohne es sich für sie nicht, ihre Flächen zu verkaufen oder zu verpachten. „So mussten bereits in einigen Gebieten Deutschlands Kieswerke aufgrund fehlender Erweiterungsflächen geschlossen werden“, betonte Dr. Harald Elsner von der BGR damals. Zusätzlich erschwert werde die Versorgungssituation mit Baurohstoffen durch langwierige Genehmigungsverfahren für neue Gewinnungsvorhaben sowie nicht ausreichende Verarbeitungskapazitäten der Baustoffindustrie.
„Flächenverbrauch ist immens und hinterlässt karge Landschaften“
2017 seien erstmals im Ruhrgebiet Versorgungsengpässe mit Baurohstoffen für den Straßenbau aufgetreten. Für 2018 rechneten die Industrieverbände mit weiteren Lieferengpässen, die auch andere Regionen Deutschlands betreffen könnten. Bonde: „Für konventionellen Beton werden Schotter und Kies in großen Gruben abgebaut und über lange Wege zwischen Abbaugebiet und Baustelle transportiert. Der Flächenverbrauch ist immens und hinterlässt karge Landschaften, die aufwändig für die Natur wieder hergestellt werden müssen. Betonrecycling kann hier ein möglicher Ausweg sein und den ungebremsten Flächenfraß ein wenig abbremsen. Weil für den Abbau von Sand und Kies weniger Druck entsteht, weil aber auch der ohnehin knappe Deponieraum in Deutschland geschont wird.“
Altbeton aus Hausabbrüchen kein minderwertiger „Abfall“
Aufbereitetes Material aus dem Abbruch von Häusern werde heute aufgrund stringenter gesetzlicher Vorgaben in Deutschland – im Gegensatz etwa zu den Niederlanden und der Schweiz – häufig wie Abfall behandelt und lediglich als Gesteinsschüttung im Straßenbau wieder eingesetzt, so Bonde weiter. Das widerspreche dem deutschen Kreislaufwirtschaftsgesetz, das Stoffe eigentlich in den ursprünglichen Kreislauf zurückführen will. Schließlich handele es sich bei diesem „Abfall“ um hochwertiges Material, in dem bis zu 15 Prozent Zement als Komponente enthalten sei. Der werde bei Temperaturen von 1450 Grad in großen Öfen energieaufwändig gebrannt und sei – je nach Schätzung – mit fünf bis acht Prozent am globalen Kohlendioxidausstoß maßgeblich mitbeteiligt, so Bonde. Klar, die Würzburger Umweltstation ist inzwischen nur noch eine von mehr als 60 im Freistaat Bayern. Bonde: „Aber sie steht wie schon 1990 für einen Umdenkprozess, der mehr als überfällig ist, wenn wir zukünftigen Generationen einen intakten Erdball hinterlassen wollen." Franz-Georg Elpers, DBU