Berlin. An acht kulturhistorisch wertvollen, hochrangigen Kirchengebäuden wird das Nagen des Zahnes der Zeit zumindest mit Blick auf ihre national wertvollen Glasfenster bald ein Ende haben. Mit einem Gesamtvolumen von rund 9,5 Millionen Mark fördert die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (Osnabrück) modellhaft die Beseitigung von Umweltschäden. Ob am Glas selbst, der Schwarzlotbemalung oder dem Bleigerüst - Schadensphänomene wie Verbräunung des Glases, dichte Krusten oder Lochfraß sollen bald keine Chance mehr haben. Und damit auch andere Kirchen zukünftig von den Untersuchungen profitieren können, ist in das Projekt gleich eine Anschubfinanzierung für die Errichtung und den Betrieb einer Ausbildungswerkstätte für modellhafte Restaurierung umweltgeschädigter Glasfenster integriert. Fritz Brickwedde, Generalsekretär der größten Umweltstiftung Europas, heute vor Medienvertretern in Berlin: "Dieses Projekt hat nicht nur nationale Bedeutung, sondern ist von seiner Durchführung her europaweit von Interesse. Da Fenster aus dem Mittelalter wie aus der neuesten Zeit in das Vorhaben einbezogen sind, können Schadstoffeinwirkungen und Restaurierungsmethoden im Hinblick auf Materialien verschiedener Zeitschichten überprüft werden."
Schadstoffbealstungen von Jahrzehnten mit neuesten Forschungsmethoden wiedergutmachen
Für St. Gotthard in Brandenburg, St. Jakob in Wanzleben (Sachsen-Anhalt), St. Paul in Schwerin (Mecklenburg-Vorpommern), die Dome in Schwerin, Erfurt (Thüringen), Halberstadt, Havelberg und Stendal (alle Sachsen-Anhalt) sollen bald wieder bessere Zeiten anbrechen. Jahrzehntelange Schadstoffbelastungen hätten zu schwerwiegenden Umweltschäden an bedeutenden mittelalterlichen und neuzeitlichen Glasfenstern in Deutschland geführt, erläuterte Brickwedde. Dabei seien die Umweltbelastungen in den fünf neuen Bundesländern auf Jahrzehnte höher als in den alten Bundesländern gewesen. Jetzt biete sich die Chance, die Umweltschäden mit den neuesten Forschungsmethoden unter Einbeziehung auch mittelständischer Glaswerkstätten der neuen Länder modellhaft zu restaurieren und durch das Anbringen von Schutzverglasungen vor weiteren negativen Schadstoffeinwirkungen zu bewahren.
Kooperationsprojekt zur Rettung von Kulturgütern
Nach fachlicher Prüfung habe die Potsdamer Arbeitsstelle für Glasmalereiforschung des Corpus Vitrearum Medii Aevi (CVMA) in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, die auch die kunsthistorischen und restauratorischen Vorarbeiten leisten werde, diese acht hochrangigen Kulturobjekte vorgeschlagen. Dabei habe sie sich leiten lassen von Ausmaß und Wirkung der Umweltbelastungen sowie kunsthistorischen und materialtechnischen Kriterien. Einbezogen in das Projekt sei aber auch das Fraunhofer-Institut für Silicatforschung in Würzburg, um etwa in einer Pilotanwendung gefährdete Malschichten zu sichern und modellhaft zu konservieren. Nicht nur am Modell erprobt würden durch die Bundesanstalt für Materialforschung chemisch-analytische Untersuchungen an korrodierten Glasoberflächen sowie Versuche zur Entfernung und Stabilisierung von Korrosions- und Gelschichten einschließlich Konservierungsmaßnahmen.
Mittelständisches Handwerk packt mit an - Lücke in der Ausbildung wird geschlossen
Das angestrebte Ziel, Forschung in die praktische Arbeit umzusetzen, könne - so Brickwedde weiter - nur unter Einbeziehung mittelständischer Handwerksbetriebe erreicht werden. Um die Aus- und Weiterbildung dieser Betriebe in den neuen Ländern zu gewährleisten, solle am Dom in Erfurt ein Pendant zur Glaswerkstatt des Kölner Doms mit deren Hilfe errichtet werden. Nach der wissenschaftlichen Vorlaufphase sollten hier begleitende Schulungen über den gesamten Projektzeitraum durchgeführt werden. Nach Ablauf des von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt geförderten Projekts, das von einem hochrangigen wissenschaftlichen Beirat begleitet wird, werde die Werkstätte in Erfurt durch die Kirche weitergetragen. Brickwedde: "Damit werden nicht nur national wertvolle Kulturgüter vor dem Verlust ihrer Substanz bewahrt. Mit der Anschubfinanzierung einer Ausbildungsstätte in den neuen Ländern zur Beseitigung von Umweltschäden an wertvollen Glasfenstern ergänzt die Stiftung ihre Förderungen von zwei weiteren Weiterbildungsinstitutionen, die den Werkstoff Glas nicht berücksichtigen konnten. Eine wichtige Lücke in der spezialisierten Weiterbildung von Handwerkern für den Bereich Umwelt und Kulturgüter kann somit geschlossen werden."