Braunschweig. „Wenn wir die Energiewende voran bringen wollen, brauchen wir durchdachte, alltagstaugliche Innovationen. Vollelektrifizierte Arbeitsmaschinen sparen Energie und sind insbesondere im Zusammenspiel mit Strom aus erneuerbaren Quellen umweltfreundlich“, sagte Niedersachsens Umweltminister und Kuratoriumsmitglied der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) Stefan Wenzel anlässlich der Übergabe einer Projektbewilligung. Anhand einer Kehrmaschine wurde das Innovative beim Projekt beispielhaft dargestellt: Nicht nur der Antrieb des Fahrzeugs und die Rotationsbewegungen der Kehrbesen, sondern auch die Vorwärts-, Seitwärts- und Rückwärtsbewegungen der Kehrbesen sollen elektrisch angetrieben werden. „Diese sogenannten linearen Schwenkbewegungen brauchen große Kräfte, müssen schnell sein und die Antriebe müssen dazu noch kompakt gebaut sein, da liegt die Schwierigkeit“, erläuterte Prof. Dr. Ludger Frerichs von der Technischen Universität (TU) Braunschweig. Verglichen mit einer Kehrmaschine mit Verbrennungsmotor und hydraulischen Antrieben könne der Energieverbrauch der Maschine um mehr als 75 Prozent reduziert werden.
Umweltfreundliche Antriebe durch Elektrik statt Hydraulik
Dieses Ergebnis resultierte aus Computersimulationsmodellen der ersten Phase des Projekts, das von der DBU mit insgesamt 873.000 Euro fachlich und finanziell gefördert wird. Projektnehmer sind die Institute für mobile Maschinen und Nutzfahrzeuge (IMN) und Elektrische Maschinen, Antriebe und Bahnen (IMAB) der TU Braunschweig in Kooperation mit den Unternehmen Oswald Elektromotoren in Miltenberg, Bayern, und Hako in Bad Oldesloe, Schleswig-Holstein. Elektrische Antriebe, die immer mehr im Kommen sind, seien bisher nur für rotatorische Bewegungen, wie etwa Fahrzeugantriebe, gebräuchlich. Die Erzeugung linearer Schwenkbewegungen erfolge derzeit ausschließlich hydraulisch. Nachteilig sei, dass zum einen Hydrauliköl benötigt werde, das in die Umwelt austreten und Schaden anrichten könne, und zum anderen, dass Hydrauliksysteme vergleichsweise viel Energie verbräuchten. Die erste Phase des Forschungsvorhabens ergab, dass eine vollständige Elektrifizierung möglich sei. Bei Verzicht auf einen Verbrennungsmotor und bei der Verwendung des heutigen Strommixes ergäbe sich hieraus eine Kohlendioxid-Einsparung von rund 55 Prozent. Bei zukünftig weiter wachsendem Stromanteil aus erneuerbaren Energien wird sich die Kohlendioxid-Minderung entsprechend vergrößern.
Voll elektrifizierte Arbeitsmaschinen für den kommunalen Bereich
Mit der jetzt erfolgten Übergabe des Bewilligungsschreibens wird die zweite Phase des Projekts eingeläutet. „Jetzt wird es darum gehen, die neuartigen Antriebe zu optimieren und sie auf ein reales Versuchsfahrzeug zu überführen und zu erproben“, erklärte Johannes Oswald, Firmeninhaber des gleichnamigen Unternehmens. Die Kehrmaschine diene dabei nur als Beispiel. Der Fokus liege zunächst auf Anbaugeräten, wie Kehrbesen und Balkenmäher, die im kommunalen Bereich eingesetzt werden. Ein vollständig elektrifiziertes Fahrzeug hätte in diesen geräusch- und umweltsensiblen Umgebungen den zusätzlichen Vorteil, dass es vergleichsweise leise ist. Langfristig könnten die Ergebnisse aus dem Projekt bei einer Vielzahl von alltäglichen Arbeitsmaschinen zum Beispiel aus dem Straßenbaubereich oder aus der Landwirtschaft Verwendung finden.
Wissenschaft und Unternehmen gemeinsam für Innovationen im Alltag
„Die Projektergebnisse haben vor dem Hintergrund der Energiewende große Bedeutung“, sagte Dr. Heinrich Bottermann, DBU-Generalsekretär. Die Reduzierung des Endenergieverbrauchs bis 2020 um rund 10 Prozent und bis 2050 um rund 40 Prozent gegenüber 2005 gehöre zu den Kernzielen des Verkehrssektors. Hinzu käme die Dekarbonisierung durch die Nutzung erneuerbarer Energien. Bottermann: „Nicht nur bei den Antrieben, sondern auch bei den mobilen Arbeitsmaschinen müssen daher realistische, tragfähige, robuste und nachhaltige Zukunftskonzepte entwickelt werden. Darauf zielt das Projekt ab.“ Das Projekt reihe sich in verschiedene DBU-Projekte ein, die innovative Beiträge zur Entwicklung von nachhaltigen Zukunftskonzepten für mobile Arbeitsmaschinen leisten sollen. Das der TU Braunschweig bewilligte Verbundvorhaben zeige dabei geradezu prototypisch, wie im Verbund von Wissenschaft und Unternehmen innovative und umweltfreundliche Lösungen entwickelt werden können. Auch die Bedeutung und Leistungsfähigkeit kleiner und mittlerer Technologieunternehmen für derartige Lösungen wird deutlich. Neben dem technischen Know-how würden die Unternehmen Hako und Oswald dabei insbesondere auch ihre Marktkenntnisse, geprägt durch Kundenanforderungen wie Wirtschaftlichkeit und Handhabbarkeit der Technik, einbringen. Gerade bei langlebigen Wirtschaftsgütern sei dies von besonderer Relevanz.